Richtungsstreit der Linken:Wissler nennt Parteikonvent "vernünftigen Vorschlag"

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Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Die Linkspartei steht in der Diskussion über den Umgang mit Sahra Wagenknecht vor der Zerreißprobe. Jetzt werden Stimmen laut, die noch vor der Neuwahl einer Fraktionsspitze eine Aussprache fordern.

Führende Köpfe der Linken stemmen sich gegen die Spaltung der Partei und ihrer Fraktion im Bundestag. Parteichefin Janine Wissler unterstützt die Idee eines kurzfristig anberaumten Parteikonvents. Fraktionschef Dietmar Bartsch warnte Parteifreunde im Bundestag davor, mit Austritten aus der Fraktion deren Fortbestand zu gefährden.

Hintergrund ist der Richtungsstreit um die Abgeordnete Sahra Wagenknecht. Sie hat sich mit der Parteispitze um Wissler und Martin Schirdewan überworfen und erwägt die Gründung einer eigenen Partei. Der Parteivorstand hatte deshalb im Juni mit Wagenknecht gebrochen. Unter anderem deswegen will Co-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali ihr Amt abgeben. Wie es nun in Partei und Fraktion weitergeht, ist offen.

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Der Rückzug der Fraktionschefin Amira Mohamed Ali macht deutlich, dass der Flügel um Sahra Wagenknecht zunehmend isoliert ist. Im Falle eines Bruchs ist der Fraktionsstatus im Bundestag in Gefahr.

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Der Linken-Ostbeauftragte Sören Pellmann machte den Vorschlag des Parteikonvents. "Es wird eine gemeinsame Zukunft mit der Linken nur geben, wenn wir es gemeinsam hinbekommen", sagte der Leipziger Abgeordnete dem MDR. "Da ist mein Aufruf an den Parteivorstand und an die Fraktion, sich zusammenzuraufen und zu einem Parteikonvent zusammenzufinden, noch vor der Neuwahl des Fraktionsvorstandes und vor dem Bundesparteitag, der im Herbst stattfindet."

Wissler begrüßte die Idee. "Die Verantwortlichen aus den Ländern, von der Bundesebene und der Bundestagsfraktion zeitnah zusammenzuholen - notfalls aufgrund der Ferienzeit online -, und das möglichst noch vor der Fraktionsklausur, ist ein vernünftiger Vorschlag, den wir beraten werden", erklärte Wissler. Die Klausur der Bundestagsfraktion ist für 30. und 31. August geplant, bevor am 4. September eine neue Fraktionsspitze gewählt werden soll. Der Parteitag zur Europawahl in Augsburg soll Mitte November folgen.

Drei Austritte bedeuten das Ende der Fraktion

Wagenknecht hat in der Fraktion Unterstützer, die im Falle einer Parteineugründung wohl mit ihr die Linke verlassen würden. Co-Fraktionschef Bartsch warnte im Tagesspiegel: "Die Sorge, dass die Existenz der Bundestagsfraktion durch Austritte beendet wird, gibt es." Wenn drei Abgeordnete die Fraktion verließen, müsse sie liquidiert werden. "Das wäre verantwortungslos", meinte Bartsch.

Die Linke hat seit der Bundestagswahl 2021 nur noch 39 Abgeordnete. Nach Angaben des Bundestags braucht eine Fraktion eine Mindestgröße von 37 Abgeordneten. Nur Fraktionen haben weitgehende Rechte, etwa das Einbringen von Gesetzentwürfen oder Anträgen sowie das Stellen von Großen oder Kleinen Anfragen. Zur Finanzierung ihrer Strukturen gibt es Zuschüsse.

Pellmann, der 2021 eines von drei Direktmandaten für die Linke holte, will die Spaltung noch abwenden. "Das wäre die beste Variante: Wir machen es gemeinsam, Sahra Wagenknecht und alle Teile der Partei", sagte Pellmann. Der Parteivorstand solle seinen Beschluss gegen Wagenknecht revidieren. Er regte an, Wagenknecht zur Spitzenkandidatin bei der Europawahl 2024 zu machen. Wissler und Schirdewan wollen dagegen die Flüchtlings- und Klimaaktivistin Carola Rackete als Spitzenkandidatin.

Mohamed Ali äußerte sich in einem Interview mit der SZ ausführlich über ihren Rückzug von der Fraktionsspitze und dessen Hintergründe. Sie schloss dabei nicht aus, die Linkspartei zu verlassen und sich einer Wagenknecht-Partei anzuschließen, falls diese tatsächlich gegründet werden sollte. "Die Entscheidung, aus einer Partei auszutreten, muss sehr wohl überlegt sein. Das macht man nicht einfach mal so. Ich habe mit der Linken ja auch viel verbunden und das ist auch ein Stück Identität", sagte sie.

Den Parteivorsitzenden Wissler und Schirdewan warf sie vor, nichts dagegen zu tun, dass Sahra Wagenknecht in der Linken gemobbt werde. "Die Art und Weise, wie mit Sahra umgegangen wird, wie sie beschimpft wird von eigenen Genossen, das ist schon teilweise wirklich krass", sagte sie. Falls Wagenknecht die Fraktion tatsächlich verlassen sollte, dann halte sie es für "sehr wahrscheinlich", dass genug Mitglieder mitgehen - und der Fraktionsstatus verloren geht.

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