Krieg in der Ukraine:Habeck drängt Scholz in der Panzerdebatte

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Bald in der Ukraine? Kampfpanzer vom Typ "Leopard 2" bei einer Übung im Jahr 2019. (Foto: Chris Emil Janßen/imago images)

Der Vizekanzler sagt, Deutschland sollte sich anderen Ländern nicht in den Weg stellen. Auch SPD-Fraktionschef Mützenich findet: Es gibt keine roten Linien.

Von Markus Balser, Viktoria Großmann, Georg Ismar und Nicolas Richter, Warschau/Berlin

In der Regierungskoalition wächst der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern durch andere Staaten an die Ukraine zu ermöglichen. "Deutschland sollte sich nicht in den Weg stellen, wenn andere Länder Entscheidungen treffen, die Ukraine zu unterstützen", sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) am Donnerstag in Berlin. "Es gibt einen Unterschied, für sich selbst eine Entscheidung zu treffen oder die Entscheidung von anderen zu verhindern", sagte er. Habeck ließ offen, wie die Bundesregierung über eigene Lieferungen entscheiden wird.

Ähnlich äußerte sich Grünen Co-Chef Omid Nouripour. "Die Ukraine verdient jede Hilfe, die sie braucht", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Die Bundesregierung prüft täglich und in enger Abstimmung auch und gerade mit der polnischen Regierung weitere Schritte der Unterstützung."

Auch in der SPD-Fraktion gab es Bewegung, was auf baldige Entscheidungen hindeuten könnte. "Es gibt keine roten Linien, von daher soll die Ukraine das bekommen, was für ihr Selbstverteidigungsrecht wichtig ist", sagte der Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich am Donnerstag am Rande einer Klausurtagung in Berlin auf die Frage, ob Deutschland die polnische Initiative unterstütze, der Ukraine Leopard-2-Kampfpanzer zu liefern.

Polens Präsident Andrzej Duda hatte am Mittwoch bei einem Besuch in Kiew angekündigt, die Ukraine solle von Polen 14 Leopard-2-Kampfpanzer erhalten. So eine Kompanie sei eine kleine Einheit und die Geste daher eher symbolisch, sagte Duda. Aber es gehe darum, Zeichen zu setzen und die militärische Hilfe für die Ukraine bedeutend auszubauen.

Die Panzer im polnischen Bestand waren einst aus Deutschland geliefert worden, deswegen muss die Bundesregierung einer Weitergabe an die Ukraine zustimmen. Duda räumte ein, dass die Voraussetzung für die Leopard-2-Lieferung noch "eine ganze Reihe von formalen Anforderungen und Genehmigungen" sei. Ein förmlicher Antrag für den Export der Panzer war am Donnerstag nach Angaben von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht noch nicht in Berlin eingegangen.

Duda erklärte, er wolle für die Panzerlieferungen eine "internationale Koalition" bilden. Polen geht es dabei auch darum, Druck auf die Bundesregierung aufzubauen. Auf die Frage, warum Warschau als Erstes die Bereitschaft zur Übergabe von Kampfpanzern signalisiert habe, sagte der polnische Regierungssprecher Piotr Müller dem Sender TVP Info: "Weil wir bestimmte Verhaltensweisen erzwingen wollen. Wenn wir die Unabhängigkeit der Ukraine nicht verteidigen, sind wir das nächste Ziel." Die Ukraine brauche Ausrüstung. "Diese Art von politischem Druck soll dazu führen, dass sich andere europäische Länder anschließen."

Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche die Lieferung von Marder-Schützenpanzern an die Ukraine angekündigt. Es folgten Forderungen auch aus der Regierungskoalition, der Ukraine zusätzlich auch Kampfpanzer zur Verfügung zu stellen. Auf den polnischen Vorschlag reagierte die Bundesregierung am Mittwoch zurückhaltend. Anfragen dazu seien nicht bekannt, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.

Bei einer Klausur der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin, an der Kanzler Scholz teilnahm, war auch Unbehagen über immer neue Waffenlieferungen zu vernehmen. Teilnehmer sagten der SZ, auch Leopard-Kampfpanzer würden den Krieg nicht entscheiden. Und folgten dann Kampfflugzeuge? Mit Sorge sieht man in der Fraktion, dass derzeit keine Wege hin zu einer Verhandlungslösung zu erkennen sind. Mützenich betonte, dass man sich eng mit internationalen Partnern abstimme und darauf achte, dass Deutschland nicht in den Krieg verwickelt werde. "Es ist leicht etwas gesagt, Verantwortung trägt aber der Bundeskanzler", sagte Mützenich. Der bei Waffenlieferungen lange Zeit skeptische Fraktionsvorsitzende betonte, dass es leider eine deutsche Angewohnheit geworden sei, in einem bestimmten Waffentyp eine Art Wendepunkt zu sehen. "Das ist nicht mein Eindruck."

Die SPD-Fraktion setzt denn auch weiterhin auf diplomatische Lösungen. "Wir wissen: Kriege werden in der Regel nicht auf dem Schlachtfeld beendet", heißt es im Entwurf für ein Positionspapier, das bei der Fraktionsklausur beschlossen werden sollte und das der SZ vorliegt. "Auch wenn es aus nachvollziehbaren Gründen keinerlei Vertrauen mehr zur gegenwärtigen russischen Führung gibt, müssen diplomatische Gespräche möglich bleiben." Deswegen seien auch die Telefonate von Kanzler Scholz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin notwendig.

Einige Grüne verlangen, dass Deutschland bei der Lieferung von Panzern eine führende Rolle übernimmt. "Das Kanzleramt muss jetzt die Initiative ergreifen und gemeinsam mit den europäischen Partnern die Ukraine mit den dringend benötigten westlichen Kampfpanzern unterstützen", sagte der Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter der SZ. Dudas Ankündigung sieht Hofreiter als "wichtiges Zeichen der Unterstützung". Der Ball liege jetzt im Feld der Bundesregierung. Laut Hofreiter gibt es außer aus Polen auch aus weiteren europäischen Staaten Signale, Leopard-2-Panzer liefern zu wollen. "Als Herstellerland ist Deutschland in der Verantwortung, die Lieferung zu koordinieren, denn es muss die Ausfuhrgenehmigungen erteilen", sagte der Grünen-Politiker.

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