Verteidigungs- und Sicherheitspolitik:Lambrecht will Regeln für Rüstungsexporte lockern

Verteidigungs- und Sicherheitspolitik: Exportschlager "Rafale" Frankreich liefert den Jet etlichen Ländern. Lambrecht verlangt, Deutschland müsse sich für Kooperationen attraktiver machen.

Exportschlager "Rafale" Frankreich liefert den Jet etlichen Ländern. Lambrecht verlangt, Deutschland müsse sich für Kooperationen attraktiver machen.

(Foto: Adek Berry/AFP)

Nach Ansicht der Verteidigungsministerin ist Deutschland in einer "Bringschuld". Sie geht damit auf Konfrontationskurs mit den Grünen und Teilen ihrer eigenen Partei, der SPD.

Von Michael Bauchmüller, Daniel Brössler, Constanze von Bullion, Paul-Anton Krüger und Mike Szymanski, Berlin

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hat gefordert, die restriktiven deutschen Regeln für Rüstungsexporte zu lockern. In der Ampel-Koalition bahnt sich damit ein Konflikt an. Denn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), dessen Ministerium in der Frage der Ausfuhren die Federführung hat, will an der eigentlich geplanten Verschärfung der Richtlinien festhalten.

In einer verteidigungspolitischen Grundsatzrede vor der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP) sagte Lambrecht am Montag in Berlin, Deutschland sei mit Blick auf europäische Kooperation bei Rüstungsprojekten "in einer Bringschuld: Bis heute machen wir solche Zusammenarbeit dadurch kompliziert, dass wir auf Sonderregeln beim Export von Rüstungsgütern beharren".

Welcher Partner solle mit Deutschland in Projekte investieren, wenn er immer fürchten müsse, dass Deutschland dann den Export verhindere und damit die Refinanzierung erschwere, fragte sie. Bei großen Rüstungsvorhaben wie der geplanten gemeinsamen Entwicklung eines neuen Kampfjets (Future Combat Air System) mit Frankreich und Spanien oder eines neuen Kampfpanzers, ebenfalls mit Frankreich, sind die Entwicklungskosten so hoch, dass sie nach überwiegender Ansicht von unabhängigen Experten und Branchenvertretern gleichermaßen nur durch Exporte refinanziert werden können.

Lambrecht sagte weiter, Deutschland stelle sich mit seinem Wertevorbehalt über seine europäischen Partner. "Aber was bedeuten europäische Werte überhaupt, wenn wir unseren demokratischen Partnern sagen: Eure Moral reicht uns nicht?", fügte sie hinzu. Es gehe nicht darum, an "Schurkenstaaten" zu liefern. "Wenn Frankreich, Italien und Spanien sagen, das ist vertretbar, können wir uns dann rausnehmen? Ein Veto einlegen? Ich glaube nein."

Bundeswirtschaftsminister Habeck sagte dagegen der Süddeutschen Zeitung: "Statt laxere Regeln für Rüstungsexporte zu fordern, werden wir strenger werden und zugleich das Zusammenspiel mit Werte- und Bündnispartnern stärken." Klar sei, Waffen dürften nicht an Verletzer von Menschenrechten geliefert werden. Dies gelte heute schon nach deutschen und europäischen Regeln. "Diese Linie wollen wir stärken."

Lambrecht hatte ausgeführt, der europäische Gedanke, den Deutschland aus gutem Grund gerne bemühe, nehme die Bundesregierung ganz unmittelbar in die Pflicht. "Wir müssen also an die deutschen Exportregeln ran, um der Kooperation bei wehrtechnischen Gütern einen mächtigen europapolitischen Schub zu verleihen", forderte Lambrecht. Das müsse auch die Nationale Sicherheitsstrategie spiegeln, die derzeit im Auswärtigen Amt unter der grünen Ministerin Annalena Baerbock erarbeitet wird.

Bei großen Kooperationsprojekten stellt sich immer wieder die Frage, ob einer der Partner die anderen beteiligten Staaten daran hindern kann, das Endprodukt an Drittländer zu exportieren. Frankreich etwa hat in den vergangenen Jahren Kampfjets an Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert und, anders als Deutschland, auch an Waffenexporten nach Saudi-Arabien festgehalten.

Lambrecht geht mit ihren Äußerungen auf Konfrontationskurs mit den Grünen, aber auch Teilen der eigenen Partei. Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel vereinbart, die Genehmigungspraxis bei Rüstungsexporten restriktiver zu gestalten, maßgeblich auf Druck der Grünen und der SPD-Linken, unter anderem Fraktionschef Rolf Mützenich, der sich seit Jahren für eine Begrenzung der Exporte einsetzt.

Nur "im begründeten Einzelfall, der öffentlich nachvollziehbar dokumentiert werden muss", sollten demnach Lieferungen von Rüstungsgütern an sogenannte Drittstaaten möglich sein, die weder Mitglied der Nato noch der EU sind. Das Wirtschaftsministerium ist dabei, ein nationales Rüstungsexportkontrollgesetz zu erarbeiten, in der EU wollte die Bundesregierung ebenfalls auf strengere Regeln und deren konsequentere Einhaltung hinwirken.

Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken sagte in einer ersten Reaktion, Lambrechts Vorstoß müsse breit in der Sozialdemokratischen Partei und auch im Parlament diskutiert werden. Es sei offensichtlich, dass die bestehenden Strukturen bei der Ausstattung der Bundeswehr und der Beschaffung von Rüstungsgütern nicht rundlaufen, sagte sie. Um die gehe es ja auch in diesem Zusammenhang. Deswegen müsse man sich darüber auch unterhalten.

Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte, mit einer menschenrechtsgeleiteten Politik sei der Vorschlag der Verteidigungsminister nicht vereinbar. "Wir brauchen hier klarere und härtere Regeln. Und das werden wir auch im Sinn des Koalitionsvertrags so weiterverfolgen", kündigte sie am Montag in Berlin an. Für die Grünen droht mit dem Vorschlag auch innerparteiliches Ungemach. Die Parteispitze hatte Einwände der Basis gegen Waffenlieferungen an die Ukraine immer wieder mit dem Argument abgewehrt, demnächst komme aus dem Hause Habeck ein schärferes Gesetz gegen Rüstungsexporte.

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