Oskar Lafontaine:Ein Kriegsherr zieht sich zurück

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Der Mann, der im Saarland von der Wahl der eigenen Partei abriet: Oskar Lafontaine. (Foto: Fabian Steffens/Imago)

Scharmützel mit den eigenen Parteien sind seine Spezialität. Nun nimmt Oskar Lafontaine, der sowohl SPD als auch Linke führte und quälte, Abschied von der Politik. Oder doch nicht?

Von Boris Herrmann, Berlin

Daheim im Saarland hat das Wort von Oskar Lafontaine, 78, immer noch Gewicht. Das wurde auch bei der Bundestagswahl wieder deutlich. Lafontaine, der weiterhin Fraktionschef der Linken im Landtag von Saarbrücken ist, hatte nach einem internen Streit dazu aufgerufen, seine Partei im Saarland nicht zu wählen. Und siehe da, die Saarländer haben größtenteils auf ihn gehört. Die Linke kam dort am 26. September lediglich auf 7,2 Prozent, das sind fast sechs Prozentpunkte weniger als vier Jahre zuvor.

Wenn man Oskar Lafontaine richtig versteht, was nicht immer ganz einfach und in diesem Fall besonders schwer ist, dann will er sich jetzt nicht etwa aus der aktiven Politik zurückziehen, weil die Saar-Linke so schlecht abgeschnitten hat bei der Bundestagswahl. Sondern vielmehr deshalb, weil sie ihm immer noch zu erfolgreich war. Lafontaine hat angekündigt, bei der saarländischen Landtagswahl im kommenden März nicht mehr für die Linke anzutreten. Er begründete dies damit, dass der saarländische Spitzenkandidat seiner Partei erneut in den Bundestag einzog.

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Damit sei klar, so Lafontaine in seiner Wahlanalyse, "dass sich die Manipulation der Mitgliederlisten und der damit verbundene Betrug zur Erringung von Mandaten fortsetzen werden". Man muss das vielleicht noch einmal dazusagen: Er meint hier seinen eigenen Laden.

Der, nun ja, Parteifreund, auf den sich Lafontaine in seinem Statement bezieht, heißt Thomas Lutze, sitzt seit 2009 im Bundestag und ist Linken-Vorsitzender im Saarland. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ermittelt gegen Lutze wegen des Verdachts der Urkundenfälschung. Er selbst bestreitet alle Vorwürfe. Noch während des Wahlkampfes sagte er der SZ, sein Vergehen bestehe lediglich darin, dass er gewagt habe, bei der Listenaufstellung gegen einen Kandidaten von Lafontaines Gnaden anzutreten und dann auch noch zu gewinnen. Das habe Lafontaine wohl als "Majestätsbeleidigung" aufgefasst.

Sein berühmter Spitzname: "Napoleon von der Saar"

Dass Oskar Lafontaine mit einem ausgeprägten Machtinstinkt gesegnet ist, würde er wohl nicht einmal selbst bestreiten. Diese Charaktereigenschaft klingt ja auch in seinem berühmten Spitznamen "Napoleon von der Saar" an, den er vielleicht nicht mit Stolz, aber doch mit Fassung trägt. Der Name verweist nicht zuletzt auf seine unerschütterliche Prinzipientreue, von der es allerdings oft nur ein kleiner Schritt zu einer divenhaften Verletzlichkeit war.

Wie oft sich Lafontaine nun schon ganz oder teilweise aus der Politik zurückgezogen hat, bedarf mal einer eigenen Betrachtung. Nur wenige in seiner Branche schaffen es, so viele Ämter anzusammeln, wie er schon hingeschmissen hat. Er war Oberbürgermeister von Saarbrücken, Ministerpräsident im Saarland, Troika-Mitglied, Kanzlerkandidat, Bundesfinanzminister, Fraktionschef in Bund und Land. Vor allem war er Vorsitzender zweier Parteien, zuerst der SPD, dann der Linken, in derselben Reihenfolge hat er sich mit beiden unversöhnlich verkracht.

Im März 1999 legte er seinen berühmtesten Rücktritt hin. Aufgrund von persönlichen und politischen Differenzen mit Kanzler Gerhard Schröder gab er den SPD-Parteivorsitz sowie sein Ministeramt und sein Bundestagsmandat auf. "Mein Herz schlägt links" lautete das Motto dieses epochalen Bruchs. Aber mit Gregor Gysi, dem anderen Gründungsvater der Linkspartei, hat er sich bald ähnlich schlecht verstanden wie mit Schröder.

In jüngster Zeit fiel der einstmals glänzende Rhetoriker Lafontaine eigentlich nur noch mit kruden Thesen auf, er stellte sich gegen "offene Grenzen für alle", gegen eine zu starke Betonung von "Minderheitenthemen" und zuletzt auch gegen eine Corona-Impfung von Kindern. Aus dem saarländischen Exil bildete er gemeinsam mit seiner Gattin Sahra Wagenknecht eine Art innerparteiliche Opposition bei den Linken.

In der Stadt Weimar, die bekanntlich nicht im Saarland liegt, warb er im August dann doch noch einmal für seine Partei, während er von der Wahl des Unionskanzlerkandidaten Laschet abriet und dabei einen Satz fürs Alliterationsmuseum hinterließ: "Selbst wenn der arme Armin was für die Armen machen würde, dann würden die anderen ihm in den Arm fallen."

Lafontaine jetzt schon im Politikermuseum zu verorten, wäre womöglich voreilig. Er hat gesagt, dass er 2022 nicht mehr für die Linke kandidiert. Aber das schließt ja nicht aus, dass er bis dahin mal wieder was Neues gründet.

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