Balkan:Bundesregierung fordert Serbien zu Truppenabzug an der Grenze zu Kosovo auf

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Soldaten der KFOR-Truppe der Nato gehen durch Mitrovica. Die Stadt im Kosovo ist gespalten in einen vorwiegend serbischsprachigen Teil im Norden und im Süden einen überwiegend von Albanern bewohnten Teil. (Foto: STRINGER/AFP)

Zwischen Serbien und Kosovo dürfe es keine weitere Eskalation geben, schreibt das Auswärtige Amt. Die Nato verstärkt nach dem serbischen Aufmarsch die KFOR-Kräfte im Land.

Angesichts der Spannungen an der serbischen Grenze zum Kosovo hat die Bundesregierung die Regierung in Belgrad zur Deeskalation aufgefordert. "Zwischen Serbien und Kosovo darf es keine weitere Eskalation geben. Wichtig, dass Serbien unverzüglich Truppen an der Grenze reduziert", schrieb das Auswärtige Amt am Samstag auf der Plattform X, dem früheren Twitter. "Gemeinsam mit unseren Partnern stehen wir in intensivem Kontakt mit allen Seiten. Der politische Prozess muss dringend fortgesetzt werden", hieß es weiter.

Einer dieser Partner sind die USA. Auch deren Regierung hatte sich jüngst besorgt gezeigt. Man beobachte einen "großen" serbischen Militäraufmarsch an der Grenze zu Kosovo. Er beinhalte ein "beispielloses" Aufgebot von Artillerie und Panzern, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby. "Wir fordern Serbien auf, diese Truppen an der Grenze abzuziehen."

Kirby bezeichnete das serbische Militäraufgebot an der Grenze als "destabilisierend". Über die Absicht könne er derzeit keine Aussage treffen. Am Freitag habe auch US-Außenminister Antony Blinken mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić telefoniert, teilte das Ministerium in Washington mit. Wie die britische Zeitung Guardian berichtete, forderte Blinken eine "​​sofortige Deeskalation" und eine Rückkehr zu der vorherigen Vereinbarung zur Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo. Der serbischen Nachrichtenagentur Tanjug zufolge bestritt Vučić aber, dass es einen großen serbischen Militäraufmarsch gebe.

Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit an, nicht aber Serbien, das seine einstige Provinz zurückfordert.

Vertrauter des serbischen Präsidenten bekennt sich zu jüngster Attacke

Am vergangenen Sonntag hatte ein 30-köpfiger serbischer Kommandotrupp in der Ortschaft Banjska bei Mitrovica Stellung bezogen und sich Kämpfe mit der kosovarischen Polizei geliefert. Dabei waren drei serbische Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet worden. Zu dem Überfall bekannte sich an diesem Freitag der kosovo-serbische Spitzenpolitiker und Geschäftsmann Milan Radojčić. Er gilt als Vertrauter des serbischen Präsidenten Vučić. "Ich habe mich zu dieser Tat entschieden, weil alle bisher angewandten Widerstandsmethoden keine Verbesserung des Lebens des serbischen Volkes (im Kosovo) brachte", schrieb Radojčić in einer Erklärung. Ziel sei es gewesen, die Serben im Kosovo dazu zu ermutigen, "sich dem Terror des Kurti-Regimes zu widersetzen". Albin Kurti ist der kosovarische Ministerpräsident. Die Erklärung verlas ein Anwalt vor der Presse in Belgrad, Radojčić' Aufenthaltsort ist unbekannt.

Kurtis Regierung hält es für ausgeschlossen, dass Radojčić auf eigene Faust handelte. Die kosovarische Polizei stellte nach den Kämpfen zum Teil fabrikneue, schwere Waffen wie Granatwerfer und Panzerabwehrwaffen sowie militärische Fahrzeuge sicher. Diese stammten direkt aus den Arsenalen der serbischen Armee, hieß es. US-Außenminister Blinken habe in dem Telefonat mit Vučić deutlich gemacht, dass die Verantwortlichen des Überfalls, die sich derzeit in Serbien aufhielten, zur Rechenschaft gezogen werden müssten, teilte sein Haus mit.

Laut Guardian behauptete Vučić, dass die Streitkräfte des Kosovo eine "brutale ethnische Säuberungskampagne" gegen ethnische Serben durchführen würden.

Ebenfalls am Freitag kündigte die Nato an, die von ihr geführte Schutztruppe KFOR im Kosovo zu verstärken. Der Nordatlantikrat, das wichtigste Entscheidungsgremium der Organisation, genehmigte die Entsendung zusätzlicher Streitkräfte, wie das Bündnis in Brüssel mitteilte. Über die Zahl der zusätzlichen Soldaten machte es keine Angaben. In einer späteren Erklärung des britischen Verteidigungsministeriums hieß es, man habe der Nato das Kommando über ein Bataillon übertragen. Dies würde in der Regel 500 bis 1000 Soldaten entsprechen.

Die KFOR ist seit 1999 für die Gewährleistung der Sicherheit in dem Land zuständig. Derzeit gehören ihr etwa 4500 Soldaten aus 27 Staaten an. Deutschland stellte zuletzt etwa 80.

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