Handgranaten, Schnellfeuergewehre, Funkgeräte, Jeeps und ein gepanzertes Fahrzeug: Die Ausrüstung, die die kosovarische Polizei nach den Gefechten im Norden des Landes sicherstellte, deutet darauf hin, dass die serbischen Angreifer Größeres vorhatten. In der Nacht zum Sonntag hatten die Täter, es sollen insgesamt etwa 30 gewesen sein, in einem Ortsteil der Gemeinde Zvečan (albanisch: Zveçani) eine Patrouille der kosovarischen Polizei angegriffen und sich anschließend auf dem Gelände des serbisch-orthodoxen Klosters Banjska verschanzt.
Dort lieferten sie sich stundenlange Gefechte mit der Polizei, insgesamt wurden vier der Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet, drei weitere Polizisten wurden verletzt. Es war die schwerste Auseinandersetzung seit Jahren in dem Gebiet nahe der Grenze zwischen Serbien und seiner ehemaligen Provinz Kosovo, deren 2008 erklärte Unabhängigkeit die serbische Regierung wie auch Russland, China und fünf EU-Staaten bis heute nicht anerkennen.
Der kosovarische Premier nennt sie "vom serbischen Staat unterstützte Truppen"
Mehrere der bewaffneten Angreifer sowie mutmaßliche zivile Unterstützer wurden nach Angaben der kosovarischen Behörden festgenommen. Einige von ihnen, erklärte Innenminister Xhelal Sveçla am Montag, gehörten einer militanten Organisation namens "Zivilschutz" an, die von der serbischen Regierung finanziert werde. Zuvor hatte Kosovos Premierminister Albin Kurti bereits erklärt, es seien "nicht normale kosovo-serbische Bürger, sondern vom serbischen Staat unterstützte Truppen, die diese Terrorangriffe verüben".
Serbiens Präsident Aleksandar Vučić wies die Vorwürfe zurück: Die Täter, sagte er, "hatten weder Uniformen des serbischen Militärs noch der serbischen Polizei". Er wolle "die Tötung eines [kosovo-]albanischen Polizisten nicht rechtfertigen", so Vučić weiter, diese sei "absolut verwerflich". Der Hauptverantwortliche aber sei Albin Kurti: Die Menschen im Norden Kosovos wollten nicht länger unter dessen "Terror leiden"; es sei "nur eine Frage der Zeit" gewesen, bis jene, die sich von der kosovarischen Polizei verfolgt sähen, etwas "für sich und ihre Familien tun" würden.
Seit Monaten werfen auch Vertreter der serbischen Zivilgesellschaft im Norden Kosovos der dortigen Spezialpolizei ein einschüchterndes und diskriminierendes Auftreten vor. Zugleich wird das Misstrauen der Menschen gegen die Regierung in Pristina von Belgrad aus massiv geschürt: Auf Geheiß von Präsident Vučić traten im vergangenen November fast alle ethnischen Serben im Norden Kosovos von ihren Ämtern in Verwaltung, Schulen und Polizei zurück - auch die Bürgermeister der mehrheitlich von Serben bewohnten Gemeinden in der Region schlossen sich dem kollektiven Boykott jeglicher staatlicher Strukturen Kosovos an.
Im Mai gab es schon schwere Ausschreitungen
Auch die später angesetzten Neuwahlen wurden boykottiert, weshalb diese Gemeinden jetzt kosovo-albanische Bürgermeister haben, die zum Teil aus Sicherheitsgründen ihre eigenen Rathäuser nicht betreten können. Bei Protesten gegen die Amtseinführung der mit wenigen Stimmen gewählten Bürgermeister eskalierte im Mai die Gewalt, Dutzende ungarische und italienische Soldaten der Kfor-Schutztruppe, die unter Führung der Nato über die brüchige Stabilität in Kosovo wacht, wurden zum Teil schwer verletzt.

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Die EU-Kommission tat am Montag, was sie angesichts des Konflikts zwischen Serbien und Kosovo immer wieder tut: Sie rief beide Seiten zum "Dialog" auf. Unter Vermittlung der EU haben sich Vučić und Kurti in den vergangenen Monaten immer wieder zu Gesprächen über eine "Normalisierung" ihrer Beziehungen getroffen, ohne nennenswerte Erfolge.
US-Außenminister Antony Blinken mahnte am Montag seinerseits, die Regierungen von Kosovo und Serbien müssten "von jeglicher Handlung oder Rhetorik absehen, die die Spannungen zusätzlich befeuern könnten" - und bekräftigte zugleich, die kosovarische Polizei habe "die volle Verantwortung für die Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit in der Republik Kosovo".