Balkan:Wer steckt hinter dem Terrorangriff in Kosovo?

Lesezeit: 2 Min.

Polizisten einer kosovarischen Spezialeinheit eskortieren einen der festgenommenen serbischen Angreifer aus dem Gerichtssaal. (Foto: Visar Kryeziu/AP)

Ermittlungen zufolge soll ein hochrangiger Politiker mit engen Verbindungen nach Belgrad an dem Attentat beteiligt gewesen sein. Der US-Botschafter in Pristina spricht von einem "Plan, die Sicherheit in der Region zu destabilisieren".

Von Tobias Zick

Nach dem schweren Terrorangriff im Norden Kosovos am vergangenen Wochenende verdichten sich die Hinweise auf eine mögliche Mitwisserschaft der Regierung in Belgrad. Der kosovarische Innenminister Xhelal Sveçla präsentierte der Öffentlichkeit am Dienstag ein Drohnenvideo, das unter den bewaffneten und uniformierten Angreifern, die sich mit Kriegswaffen in einem orthodoxen Kloster verschanzt hatten, offenbar einen hochrangigen Politiker zeigte: Milan Radojčić, stellvertretender Vorsitzender der Lista Srpska (Serbische Liste), der dominierenden kosovo-serbischen Partei im Norden des Landes. Auch Dokumente von Radojčić habe man sichergestellt, darunter in Serbien ausgestellte Waffenscheine.

Radojčić gilt als Vertrauensmann von Serbiens Präsident Aleksandar Vučić. Dieser hatte ihn etwa 2017 als einen "Wächter Serbiens in Kosovo" bezeichnet. Der für sein moderates und Belgrad-kritisches Auftreten bekannte kosovo-serbische Politiker Oliver Ivanović äußerte sich damals "besorgt" über diese Art der Würdigung - wenig später wurde er ermordet. Ende 2021 verhängte die US-Regierung Sanktionen gegen Radoičić wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.

Die Gefechte mit der kosovarischen Polizei dauerten mehrere Stunden

Bei dem Terroranschlag am vergangenen Wochenende war ein kosovarischer Polizist getötet worden, drei weitere Polizisten wurden verletzt. Behördenangaben zufolge hatten etwa 30 schwer bewaffnete Angreifer die Polizisten in einen Hinterhalt gelockt, in dem sie mit Lastwagen ohne Nummernschilder eine Brücke im Norden Kosovos blockierten.

Anschließend verschanzten sich die Täter auf dem Gelände eines serbisch-orthodoxen Klosters und setzten von dort mehrere Stunden lang ihre Gefechte mit der kosovarischen Polizei fort. Drei von ihnen wurden dabei getötet, drei wurden verhaftet, die übrigen flohen offenbar ins benachbarte Serbien. Dort soll sich Radojčić inzwischen in Krankenhausbehandlung befinden.

Am Mittwoch gab Kosovos Innenminister Xhelal Sveçla weitere Details aus den Ermittlungen bekannt. So soll einer der getöteten Angreifer früher als Leibwächter für den heutigen serbischen Geheimdienstchef Aleksandar Vulin gearbeitet haben, der seit Juli dieses Jahres ebenfalls unter US-Sanktionen steht: Ihm wirft die Regierung in Washington Korruption und die Verwicklung in Drogenschmuggel vor, außerdem soll er seine politische Ämter - er war zuvor Verteidigungs- und Innenminister - genutzt haben, um "Russlands bösartige Aktivitäten zu unterstützen, die die Sicherheit und Stabilität des westlichen Balkans schwächen".

Der serbische Präsident ist für den kosovarischen Regierungschef ein "Diktator"

Die Regierung in Belgrad wies am Mittwoch die Vorwürfe aus Kosovo zurück. Serbiens Außenminister Ivica Dačić bezeichnete das Drohnenvideo, das dem kosovarischen Innenministerium zufolge den Politiker Radojčić zeigt, als Fälschung. Präsident Vučić hatte zuvor die Tötung des kosovarischen Polizisten verurteilt, jedoch die Hauptverantwortung dem kosovarischen Regierungschef Albin Kurti zugewiesen.

Dieser überziehe die serbische Bevölkerung in Kosovo mit "Terror", es sei deshalb "nur eine Frage der Zeit" gewesen, bis jene, die sich von der kosovarischen Polizei verfolgt sähen, etwas "für sich und ihre Familien tun" würden. Bei einem Treffen mit dem russischen Botschafter in Belgrad unterrichtete Vučić diesen nach eigenen Angaben über die "brutale ethnische Säuberung", die Kurti "mit Unterstützung eines Teils der internationalen Gemeinschaft" organisiere.

Kurti konterte am Mittwoch, Kosovo sei "ein demokratischer Staat", die im Land lebenden Serben benötigten nicht etwa eine "Befreiung von der Republik Kosovo, sondern von den terroristischen Werkzeugen Serbiens". Den serbischen Präsidenten bezeichnete er als "Diktator".

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Der US-Botschafter in Kosovo, Jeff Hovenier, bezeichnete in einem Interview mit Politico den Angriff vom Wochenende als "koordiniert und anspruchsvoll"; das dabei eingesetzte Arsenal an Kriegswaffen - darunter Raketenwerfer, Minen sowie ein gepanzertes Fahrzeug - sei nichts, was "dem Durchschnittsbürger zur Verfügung steht". Hinter der Attacke habe offenkundig ein "Plan, die Sicherheit in der Region zu destabilisieren", gestanden.

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