Westbalkan:24 Hektar für die Rechtsstaatlichkeit

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Visoki Dečani, ein im 14. Jahrhundert erbautes serbisch-orthodoxes Kloster im Westen Kosovos. (Foto: nardagongora/IMAGO/Panthermedia)

Auf internationalen Druck hin gibt Kosovo umstrittenes Land an ein serbisch-orthodoxes Kloster zurück. Warum dieser Schritt so bedeutsam ist.

Von Tobias Zick

Im Konfliktgemenge auf dem westlichen Balkan hat sich einer der zahlreichen Knoten gelöst. Die Regierung Kosovos hat - offenkundig auf Druck der USA und mehrerer EU-Länder - am Mittwoch angeordnet, ein acht Jahre altes Verfassungsgerichts-Urteil umzusetzen, wenn auch, wie Premier Albin Kurti betonte, unter Zähneknirschen.

Es geht um 24 Hektar Land in der Umgebung von Visoki Dečani, einem im 14. Jahrhundert erbauten serbisch-orthodoxen Kloster im Westen Kosovos, das die Unesco 2004 als Weltkulturerbe anerkannt hat. In den 1940er-Jahren hatte es der damalige kommunistische Staat Jugoslawien zusammen mit weiteren Hunderten Hektar dem Eigentum der Kirche entzogen und verstaatlicht. Im Jahr 1997 gab der Staat unter der Führung des Kriegstreibers Slobodan Milošević dem Kloster die 24 Hektar zurück.

Kurz darauf brach der Krieg zwischen der kosovo-albanischen Befreiungsarmee und der jugoslawischen Armee sowie serbischen Paramilitärs aus, in den schließlich die Nato mit Bombardaments serbischer Ziele eingriff. Die Kämpfe endeten im Juni 1999, der serbische Staat und seine Sicherheitskräfte zogen sich aus Kosovo zurück, das fortan unter UN-Verwaltung stand. Und die kosovarischen Behörden erklärten die Überschreibung der 24 Hektar Land an das Kloster für nichtig, womit ein jahrelanger Rechtsstreit begann.

"Miloševićs Entscheidungen"

Schließlich bestätigte 2016 das Verfassungsgericht Kosovos das, was vier Jahre zuvor schon der Oberste Gerichtshof geurteilt hatte: Die 24 Hektar Land gehören dem Kloster. Doch Regierung und Behörden weigerten sich, die Entscheidung umzusetzen. Die Partei des heutigen Premierministers Kurti warf den Verfassungsrichtern in dem Zusammenhang einmal vor, sie versuchten, "Miloševićs Entscheidungen" durchzusetzen.

Doch der Fall des Dečani-Klosters wurde in den vergangenen Jahren zunehmend zum Hindernis für Kosovos Bestrebungen, sich in die Organisationen der internationalen Gemeinschaft zu integrieren. So etwa den Europarat, wo das Land, das sich 2008 für von Serbien unabhängig erklärt hat, seit Jahren eine Mitgliedschaft anstrebt. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat Kosovo in einem Bericht vom November 2023 unter anderem attestiert, eine "funktionierende parlamentarische Demokratie" zu sein, allerdings geben es noch Probleme mit dem Rechtsstaat, wie sich unter anderem im Fall des Dečani-Klosters zeige. Die Weigerung von Regierung und Behörden, das Verfassungsgerichtsurteil von 2016 umzusetzen, stelle einen "klaren Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit" dar.

Jetzt hat sich die Regierung entschlossen, dieses zentrale Hindernis auf dem Weg zur Mitgliedschaft auszuräumen: Er habe das Katasteramt angewiesen, dem serbisch-orthodoxen Kloster die 24 Hektar zu überschreiben, erklärte Premier Kurti am Mittwoch, nicht ohne hinzuzufügen, er halte das Urteil des Verfassungsgerichts nach wie vor für "merkwürdig und ungerecht". Allerdings habe die Regierung "nicht die Mittel, es aufzuheben". Und die Mitgliedschaft im Europarat, die nun bereits in den nächsten drei Monaten beschlossen werden könnte, würde dem Land auch den Weg in weitere internationale Organisationen ebnen, so Kurti.

"Schwierig, aber notwendig"

Serbien erkennt die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz Kosovo bis heute offiziell nicht an. Zentraler Konfliktstoff im Verhältnis zwischen den beiden Regierungen ist die Lage der serbisch-orthodoxen Klöster und Kirchen im mehrheitlich von muslimischen Albanern bewohnten Kosovo: Belgrad sieht sich für deren Schutz zuständig, Pristina sieht in ihnen einen religiös ummantelten Arm der serbischen Regierung.

Der US-Sondergesandte für den Westbalkan, Gabriel Escobar, lobte Kurtis Entscheidung als "schwierig, aber notwendig". Der deutsche Botschafter in Pristina, Jörn Rohde, nannte sie auf der Plattform X einen "wichtigen Schritt für Kosovos Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit".

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