Konjunktur 2019:Noch mehr Jobs, noch mehr Wachstum

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Benziner bleiben: ein Porsche in Leipzig. (Foto: dpa)
  • Noch nie war die Beschäftigung so hoch wie heute. Und die Unternehmensberater von Ernst & Young kündigen nochmals 440 000 neue Jobs in Deutschland an.
  • Die Wirtschaft soll insgesamt um 1,5 Prozent wachsen - genug, um die seit fast zehn Jahren brummende deutsche Volkswirtschaft unter Strom zu halten.
  • Die größte Gefahr für die Wirtschaft ist US-Präsident Trump: Er hat die Macht, mit Worten und Taten die Welt ins Unglück zu stürzen.

Von Marc Beise

Besteht jetzt doch wieder etwas mehr Anlass zu Optimismus? Xi Jinping formulierte am Sonntag etwas ausführlicher als Donald Trump, aber im Grunde sagten beide Staatschefs dasselbe. Der Chinese: "Wir hoffen, dass sich die beiden Teams auf halbem Weg treffen, hart arbeiten und einen frühzeitigen Abschluss eines Abkommens erreichen." Der Amerikaner: "Große Fortschritte werden erzielt!" Sollten sie ihren Handelskonflikt beenden, hülfe das sicher der Weltkonjunktur; und damit auch Deutschland.

Was also ist 2019 zu erwarten? Die Unternehmensberater von Ernst & Young (die seit einiger Zeit nur noch "EY" genannt werden wollen) haben vor wenigen Tagen die Prognosen der Wirtschaftsforscher ausgewertet. Sie kündigen deshalb ein Rekordjahr bei der Beschäftigung an, nochmals 440 000 neue Jobs sind in Deutschland drin, nach bereits 580 000 zusätzlichen Stellen im abgelaufenen Jahr. Noch nie war die Beschäftigung so hoch wie heute.

Ganz allgemein haben die führenden deutschen Wirtschaftsforscher ihre Erwartungen für 2019 zwar zuletzt herabgesetzt. Sie liegen aber immer noch bei einem Plus von etwa 1,5 Prozent. Das wäre genug, um die seit fast zehn Jahren brummende deutsche Volkswirtschaft unter Strom zu halten.

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Allerdings steht diese Erwartung in einem klaren Widerspruch zu einer eher skeptischen Stimmung im Volk, wie sich aus jüngsten Umfragen ergibt. Auch das Stimmungsbarometer des Ifo-Instituts, das monatlich Lage und Erwartungen der Unternehmen misst, wies das gesamte Jahr 2018 nach unten. Die Menschen hätten Angst, wissen die Kundigen. Und die Erklärungen liegen ja auf der Hand. Donald Trump, der drohende Brexit, die Klimakrise, und dann noch die Digitalisierung: Wird sie nicht Millionen Jobs vernichten? In der Mittelschicht, die etwa die Hälfte der Menschen in Deutschland umfasst und die immer der ruhende Pol im Land war, wachsen Abstiegsängste. Der allgemeine Befund lautet, dass es zudem immer ungerechter zugehe. Die zentrale Frage vieler Menschen also: Und was wird aus mir?

Von der Demografie ist dabei noch nicht einmal die Rede. Die Deutschen werden unweigerlich weniger und älter, Experten warnen seit Langem: Woher sollen da noch Dynamik und Wachstum kommen, die eine so hochgezüchtete Wirtschaftsnation wie Deutschland braucht, um in der Welt weiter an der Spitze mitmischen zu können?

Alles richtig, und doch für 2019 nicht wirklich bedrohlich. Denn die gute Nachricht lautet: Die Demografie lässt dem Land noch ein paar Jahre Zeit, ehe die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, und übrigens kommt auch die Digitalisierung schleichend; sie gewährt also Zeit, um auf sie zu reagieren. Auch im kommenden Jahr werden weder die Elektroautos, so wünschenswert das wiederum aus ökologischen Gründen wäre, noch die autonom fahrenden Autos die Benziner verdrängen, nicht einmal die Diesel. Also wird es auch keine Massenentlassungen geben bei VW, BMW und Daimler. Dort, wo viele Stellen abgebaut werden, erklärt sich das eher über den Einzelfall: Der Bayer-Konzern etwa hat sich mit der Übernahme des US-Saatgutherstellers Monsanto jedenfalls vorerst übernommen und will 12 000 Stellen streichen.

Die Unruhe im Land ist also nicht wirklich durch reale Entwicklungen gestützt. Sie fußt auf Erwartungen und bleibt folglich im Ungefähren: Kann sein, dass nun alles schlechter wird. Kann aber auch nicht sein.

Da liegt es nahe, ratsuchend auf ein Metier zu blicken, das professionell mit Erwartungen handelt: die Börse. In der Tat sind in den vergangenen drei Monaten überraschend viele Anleger skeptisch geworden und haben ihre Wertpapiere verkauft, weshalb der Deutsche Aktienindex (Dax), der den Wert der 30 größten Konzerne im Land abbildet, übers Jahr 18,4 Prozent eingebüßt hat; das größte Minus seit der Finanzkrise vor zehn Jahren. Das sei erst der Anfang, sagen manche Experten und Bestsellerschreiber, der nächste Crash stehe vor der Tür. Was aber, um das hier ausdrücklich festzuhalten, bisher noch eher eine Mindermeinung ist.

Nur eines ist nach aller Erfahrung ganz gewiss: Was Wirtschaft und Politik am wenigsten gebrauchen können, sind schockhafte Veränderungen. Alles, was sich langsam anbahnt, kann verarbeitet werden, in den Unternehmen, aber auch in den Köpfen der Menschen. Deshalb kommt am Ende auch im neuen Jahr wieder Trump eine Schlüsselrolle zu. Vor allem er hat die Macht, mit Worten und Taten die Welt ins Unglück zu stürzen - oder sie in Sicherheit zu wiegen. Für China hatte der Internationale Währungsfonds seine Wachstumsprognose um 0,2 Prozentpunkte gesenkt, nur wegen des Handelsstreits mit den USA.

© SZ vom 31.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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