Koalitionsgespräche:In der Finanz-AG wird gerechnet

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Union und FDP wollen Unternehmensbesteuerung und Erbschaftsteuer reformieren. Wo es wirklich ums Geld geht, bleibt die CDU vage.

In Woche zwei der Koalitionsverhandlungen geht es nicht mehr um nette Worte, sondern um harte Beschlüsse. Und das dürfte heftigen Streit auslösen, vor allem bei der Frage nach Steuersenkungen, Aufweichungen der Mitbestimmung und den Online-Durchsuchungen.

Doch bevor es am Montag richtig losgehen konnte, wurde - sozusagen zur Einstimmung - etwas anderes deutlich. Im CDU-Präsidium, das am Morgen tagte, mussten viele in der Parteispitze erst einmal lernen, dass CDU-Chefin Angela Merkel und ihr Generalsekretär Ronald Pofalla trotz unzähliger Detailverhandlungen im Koalitionsvertrag so konkret gar nicht werden möchten.

"Einen Masterplan mit klaren Arbeitsschritten, Daten und Zahlen soll es nicht geben", berichtet ein Teilnehmer später. Das, so haben es auch andere vernommen, gelte nach Merkels und Pofallas Berichten vor allem für die im Wahlkampf versprochenen Steuersenkungen sowie die Frage zusätzlicher Investitionen. Offenbar will die oberste CDU-Spitze inzwischen überall dort unkonkret bleiben, wo es ums Geld geht, also ums Ganze.

Konkret, auch das wird aus dem CDU-Präsidium berichtet, möchten Merkel und ihre zuständige Ministerin Annette Schavan nur bei der Bildung werden. Genau dort aber ernteten sie im Präsidium entweder direkten Widerspruch oder beredtes Schweigen. Fraktionschef Volker Kauder verlangte nach Teilnehmerberichten, dass mindestens so viel Geld wie in Bildung in die Infrastruktur fließen müsse. Und die CDU-Ministerpräsidenten zeigten so gut wie kein Bestreben, Merkel bei zusätzlichen Investitionen in Bildung konkret zu helfen. Nach der Sitzung sprach ein prominenter CDU-Politiker vom "finanzpolitischen Landeanflug". Gemeint war damit die FDP, tatsächlich aber passt das Bild auf alle Koalitionsverhandler.

Die einzelnen Arbeitsgruppen hindert das indes noch nicht daran, weiter eigene Pläne zu schmieden. So wollte die AG Finanzen sich am Montagnachmittag erstmals konkret mit der Frage befassen, an welchen Stellen trotz aller Haushaltslöcher bereits zum 1. Januar 2010 Steuersenkungen möglich sein könnten. Weitgehend einig sind sich Union und Liberale in der AG bereits, dass die im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Einschränkungen für Unternehmen bei der Gewinn- und Verlustverrechnung wieder gelockert werden sollen. Mit den strengeren Vorschriften, darunter der sogenannten Zinsschranke und der Mindestgewinnbesteuerung, hatte die große Koalition Steuertricksereien der Betriebe unterbinden wollen. Manche der neuen Regeln erwiesen sich jedoch in der Rezession als krisenverschärfend.

Dürftige Spielräume für Steuersenkungen

Darüberhinaus wollen CDU, CSU und FDP enge Familienangehörige bei der Erbschaftsteuer besser stellen. So sollen Geschwister sowie Nichten und Neffen eines Verstorbenen von der SteuerklasseII in die Klasse I aufrücken und damit in den Genuss niedrigerer Steuersätze und höherer Freibeträge kommen. Schließlich herrscht in der AG Finanzen offenbar Einigkeit darüber, die von der FDP geplante große Einkommensteuerreform wegen der Haushaltsmisere vorerst zu unterlassen oder jedenfalls zu verschieben. Nur einen Einstieg soll es geben. So wird diskutiert, den Kindergrundfreibetrag von derzeit 6024 auf etwa 7000 Euro und das Kindergeld von derzeit 164 auf rund 180 Euro anzuheben.

Eine sofortige Erhöhung des Freibetrags auf das Erwachsenen-Niveau von 8004 Euro gilt dagegen als unbezahlbar. Umso mehr, wenn gleichzeitig der Eingangssteuersatz von derzeit 14 auf 13 Prozent sinken soll. "Eigentlich ist das unumgänglich, da sonst Kinderlose überhaupt nicht steuerlich entlastet würden", hieß es in Verhandlungskreisen.

Angesichts der dürftigen Steuersenkungsspielräume verlangen die Liberalen aber zumindest den Einstieg in eine Steuerstrukturreform. So könnte der derzeit linear-progressive, also stetig ansteigende Steuertarif mit Sätzen von 14 bis 42 Prozent in einem ersten Schritt durch einen Stufentarif mit fünf Steuersätzen ersetzt werden. Mittelfristig schwebt der FDP ein Drei-Stufen-Tarif mit den Sätzen 10, 25 und 35 Prozent vor.

Trotz der lauter werdenden Bremsrufe von ganz oben wollen vorläufig auch die Mitglieder der AG Wirtschaft weitere Entlastungen empfehlen. So haben sich dort Unionisten und Liberale darauf verständigt, Vergünstigungen für den Mittelstand anzustreben - das ist ihrem Entwurf zum Wirtschaftskapitel des Koalitionsvertrages zum "Herz der sozialen Marktwirtschaft" zu entnehmen. So wollen die Wirtschaftspolitiker beider Fraktionen die Mitbestimmung in den Betrieben lockern - auch wenn CDU-General Pofalla sich dem auch am Montag erneut heftig in den Weg stellte. Unternehmen müssten Betriebsräte demnach erst bilden, wenn sie mehr als 20 Arbeitnehmer haben.

Gesetz gegen Monopolisten geplant

Dagegen sträubt sich die Union weiter gegen die Lockerung des Kündigungsschutzes. Die FDP würde ihn gerne verändern, zumindest für Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern. Eine "Gründerkampagne" soll parallel beitragen, dass neue Jobs in neuen Firmen entstehen. Firmenerben sollen ermutigt werden, die Betriebe ihrer Eltern fortzuführen. Wer mit seinem jungen Unternehmen scheitert, soll schneller seine Schulden loswerden können.

Für besonders große Unternehmen allerdings könnten die Zeiten ungemütlicher werden - zumindest für solche, die ganze Märkte beherrschen. Ein neuer Paragraph im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen soll dem Kartellamt die Macht geben, Unternehmen zu "entflechten", also aufzuspalten. Die FDP hatte dieses Instrument für die großen Energiekonzerne im Auge. Es soll als "ultima ratio" in das Gesetz aufgenommen werden.

In der AG Sicherheit und Justiz droht weiter heftiger Streit um die Online-Durchsuchung von Computern. Die FDP rechnet damit, dass die Union die Befugnisse der Sicherheitsbehörden ausweiten will. Man erwartet, dass nach dem Bundeskriminalamt (BKA) auch der Zoll und die Nachrichtendienste eine Befugnis zur Online-Durchsuchung bekommen sollen. Das will die FDP auf jeden Fall verhindern.

Die Union dagegen verständigte sich intern darauf, den Liberalen bei dem Thema Kompromissbereitschaft zu signalisieren. Sie will ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten. Gegen das BKA-Gesetz und die darin enthaltene Befugnis zur Online-Durchsuchung läuft eine Klage der FDP in Karlsruhe. Ferner will die Partei erreichen, dass die unterschiedliche Behandlung von Berufsgeheimnisträgern aufgehoben wird. Nach der letzten Neuregelung haben nur Strafverteidiger und Pfarrer ein Zeugnisverweigerungsrecht. Die FDP möchte es auch für Anwälte, Ärzte, Steuerberater und Journalisten wieder einführen.

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