Verhandlungen zum Klimaschutz:Nacht der langen Formeln

Klimaschutz: Angela Merkel auf einer Pressekonferenz zum Klimakabinett

Bundeskanzlerin Angela Merkel

(Foto: dpa)
  • Gut 19 Stunden haben Union und SPD um das Klimaschutzpaket gerungen.
  • Dabei wechselten sich Gespräche in großer Runde immer wieder mit Treffen ab, in denen die Koalitionäre getrennt berieten.
  • Am Ende steht wohl ein Ergebnis, das fürs Erste niemandem wehtut.

Von Michael Bauchmüller, Stefan Braun, Cerstin Gammelin und Boris Herrmann, Berlin

Am Freitagvormittag ist der Weg endlich frei. Stundenlang hatten sie am Kanzleramt gearbeitet, unermüdlich räumten sie Hindernis für Hindernis aus dem Weg. Gegen zehn dann hatten die Arbeiter die letzte Plastikabsperrung aufgeladen. Die Straße zum Kanzleramt, seit Wochen eine Baustelle, war endlich fertig.

Drinnen ist die größte Baustelle der Koalition zu diesem Zeitpunkt noch immer ein ganzes Stück von der Fertigstellung entfernt. Als die Straßenarbeiter einpacken, sitzen die Spitzen der Koalition schon seit 17 Stunden beisammen. CO₂-Preis, Ökostrom, milliardenschwere Förderprogramme - Union und SPD haben sich derart verhakt, dass sich in diesem Augenblick keiner traut, ein gutes Ende vorherzusagen.

Natürlich sagt der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Morgen im Radio, alles sei auf gutem Wege. Und der CDU-Fraktionsvize Andreas Jung ergänzt im Fernsehen, man sei auf der Zielgeraden. Aber das soll eher verdecken, wie zäh da drin alles vorankommt. Als gegen elf Uhr am Vormittag Jochen Flasbarth, seit 2013 Staatssekretär im Umweltministerium, wortlos, aber zerknirscht auf die Straße tritt, beschleicht selbst Optimisten das Gefühl, die Sache könnte komplett schiefgehen.

Einigung oder schwerste Koalitionskrise, das blieb laut Teilnehmern über Stunden die unmissverständliche Alternative. Was für eine krisenhafte Zuspitzung. Und das bei einem Thema, dem zuletzt alle in der Koalition historische Dimensionen zugeschrieben hatten. Die Kanzlerin hatte von einer Menschheitsaufgabe gesprochen, der Vizekanzler einen großen Wurf gefordert und der CSU-Chef Markus Söder einen Marshallplan versprochen. Plötzlich soll alles dahin sein? Samt einer Koalition, die sich auflöst?

So weit ist es dann doch nicht gekommen. Das wird spätestens klar, als die übernächtigten Damen und Herren nach kurzer Dusche um 14.32 Uhr zur Bilanz antreten. Einträchtig und demonstrativ zufrieden haben sich die Koalitionsspitzen versammelt, um nach dem nächtlichen Marathon eine letzte Leistung zu erbringen. Sie müssen das, was viele tendenziell als kleinsten gemeinsamen Nenner erleben, als großen Wurf verkaufen. Angesichts der Tatsache, dass zur selben Zeit im Zentrum Berlins der organisierte Klimaprotest historische Ausmaße annimmt, brauchen auch Merkel und Co. Großes, um dem kommunikativ etwas entgegenzusetzen. Oder um es mit Markus Söder zu sagen: Diese Pressekonferenz muss sitzen.

Was mindestens äußerlich geschafft wird. Praktischerweise ist der Auftritt ins sogenannte Futurium verlegt worden. So heißt das frisch eröffnete Zukunftsmuseum von Berlin, eine Art Showroom für allerlei technologische Visionen. Dieser Ort drängt sich als symbolischer Überbau nachgerade auf. Prompt bezeichnet die Kanzlerin ihn als "Symbol der Aufgabe", die vor allen liege.

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