Bundesregierung:Zentrale Fragen beim Klimaschutz-Paket sind noch offen

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Das Bundeskanzleramt unter einem spätsommerlichen Abendhimmel (Foto: dpa)
  • In Berlin sprechen am Abend die Koalitionsspitzen über letzte Details des geplanten Klimaschutz-Pakets
  • Die Sitzung wird vermutlich die ganze Nacht dauern, danach soll auch die Finanzierung stehen.
  • Bisher kursiert nur ein Entwurf mit den vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen.

Von Markus Balser, Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin, Berlin

Wenige Stunden vor der Sitzung des Klimakabinetts steht die Bundesregierung noch vor einem Berg von Problemen. Zentrale Fragen seien weiterhin ungelöst, hieß es aus Regierungskreisen. Inzwischen kursiert ein gut 200-seitiger Entwurf für ein "Klimaschutzprogramm 2030", er liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Darin sind alle Vorschläge zusammengetragen, etwa die Idee, Ölheizungen von 2030 an zu verbieten oder eine Quote für Elektroautos einzuführen. Allerdings war vieles noch umstritten. Der Entwurf stammt vom vergangenen Montagabend.

Söder spricht von einem "Marshallplan für den Klimaschutz"

In Berlin wollen am Abend die Spitzen von Union und SPD zusammentreten, um Streitpunkte zu klären. Es wird damit gerechnet, dass die Sitzung die ganze Nacht dauert, auch die Finanzierung soll nach dem Treffen stehen - inklusive der "schwarzen Null". "Es geht hier wirklich um eine der großen Zukunftsfragen", sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Donnerstag nach einem Gespräch mit der bayerischen CSU-Landtagsfraktion im oberfränkischen Kloster Banz. Den Verhandlungsführern sei "sehr bewusst, wie groß diese Aufgabe ist", sagte sie über den Kampf gegen die Erderhitzung. CSU-Chef Markus Söder sprach von einem "Marshallplan für den Klimaschutz", und der müsse sitzen. "Wir sind uns dieser Verantwortung bewusst."

Einigen sich die Koalitionsspitzen, soll Freitagvormittag das "Klimakabinett" die Beschlüsse annehmen. Eine ursprünglich geplante Kabinettssitzung, mit der die Ergebnisse formal zu einem Regierungsbeschluss würden, soll es nicht mehr geben. Auch soll nach übereinstimmenden Angaben der Koalitionspartner zunächst nur eine Kurzfassung des Papiers mit zwei Dutzend Seiten verabschiedet werden.

Das lange Dokument enthält vor allem Einzelmaßnahmen. Über die Höhe und genaue Gestalt eines Kohlendioxid-Preises findet sich darin kein Wort. So sollen im Verkehr der Einsatz emissionsarmer Autos forciert, Spritschlucker teurer und emissionsarme Autos mit Bundesprämien beim Kauf günstiger werden. Auch findet sich der Vorschlag, Hersteller zu einer festen Elektroautoquote bei Neuzulassungen zu verpflichten.

Zweifel gibt es an den Berechnungen von Andreas Scheuer

Auch Warnungen enthält der Entwurf: "Die Reduktion von Treibhausgasen im Verkehr in diesem Umfang bis 2030 wird vor diesem Hintergrund an die Grenzen der absehbaren technischen Machbarkeit und der gesellschaftlichen Akzeptanz gehen", heißt es darin. Aus dem Papier geht allerdings auch hervor, dass es Zweifel an den Berechnungen von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gibt. Denn während er davon ausgeht, dass mit seinen Vorschlägen ausreichend Emissionen eingespart werden, sieht das Papier eine enorme Lücke. Von den nötigen 55 Millionen Tonnen werden demnach nur 15 bis 25 eingespart.

Bei den erneuerbaren Energien will die Koalition dem Entwurf zufolge die Ausbauziele für die Windenergie erhöhen: Statt 15 Gigawatt sollen bis 2030 nun Windräder mit 20 Gigawatt Leistung in Nord- und Ostsee stehen. An Land soll jährlich ein Gigawatt mehr entstehen als bisher geplant. Das entspricht rund 250 zusätzlichen Windrädern. Dafür sollen auch Genehmigungen erleichtert werden. Die Begrenzung der Solarstromförderung soll wegfallen. Ursprünglich hätte die Förderung eingestellt werden sollen, wenn Anlagen mit 52 Gigawatt Leistung installiert sind. Stattdessen soll es leichter werden, auf Dächern neue Solarfelder zu errichten.

Über das Verbot von Ölheizungen wird noch diskutiert

In Gebäuden soll dem Entwurf zufolge eine steuerliche Förderung für mehr Sanierungen sorgen. Umstritten ist dem Vernehmen nach noch, ob es zusätzlich eine Investitionszulage geben soll. Im Gespräch ist auch eine gezielte Unterstützung von Sanierungen in Gebäuden, in denen einkommenschwache Mieter wohnen. Über schärfere Auflagen, etwa das Verbot von Ölheizungen oder höhere Gebäudestandards, besteht noch keine Einigkeit. Umweltschützern gehen die Vorschläge der Regierung noch lange nicht weit genug. Die Bundesregierung drohe an der historischen Aufgabe zu scheitern, warnt Ernst-Christoph Stolper, der Vizechef der Umweltorganisation BUND. Ohne klare Regeln und nur mit finanziellen Anreizen seien die Ziele nicht zu erreichen.

Die Verantwortung für den Klimaschutz sollen dem Papier zufolge die jeweiligen Ministerien übernehmen. Nach Informationen aus Verhandlungskreisen hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) durchsetzen können, dass die Sektorenziele jährlich überprüft werden. Stelle man fest, dass etwa im Verkehr die Emissionsminderungen nicht erreicht würden, müsse schnell nachjustiert werden. So hatte es auch Schulzes Entwurf für ein Klimaschutzgesetz vorgesehen.

Um die Zukunft nicht zu verpassen, soll zudem ein regierungsinternes "Horizon Scanning-System" entstehen. Es soll "kontinuierlich klimaschutzrelevante Trends" erkennen. "Durch das System werden Trends und ähnliche Zukunftsphänomene identifiziert und nach Kategorien wie Wahrscheinlichkeit des Eintreffens, Zeithorizont, potenzieller weiterer Verlauf etc. aufgearbeitet", heißt es im Entwurf. Man weiß ja nie.

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