Klimagipfel Kopenhagen:Wut nach dem Klima-Kompromiss

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"Verbrechen", "Staatsstreich gegen die UN", "Verrat an unserer Zukunft": Der Minimal-Kompromiss, den die etwa 25 mächtigsten Staaten ausgehandelt haben, stößt im Plenum der Klimakonferenz von Kopenhagen auf massiven Widerstand der Entwicklungsländer. Auch die "Klimakanzlerin" zeigt sich enttäuscht.

Die auf der UN-Klimakonferenz im Kreis von etwa 25 Staaten ausgehandelte Übereinkunft ist auf heftigen Widerstand gestoßen. Die ganze Nacht durch debattierten die Vertreter der Staaten im Kopenhagener Konferenzplenum. Dabei wurde klar, dass eine breite Front ärmerer Staaten den Kompromiss ablehnt, den EU und USA erst in der Nacht mit den wichtigsten Schwellenländern ausgehandelt hatten.

"Klima-Schande" steht auf ihrem Transparent: Noch in der Nacht demonstrieren Aktivisten gegen den Kompromiss der führenden Staats- und Regierungschefs. (Foto: Foto: dpa)

Sein Land werde "dieses Dokument nicht akzeptieren", sagte der Vertreter des Inselstaats Tuvalu, Ian Fry, in der nächtlichen Sitzung am frühen Samstagmorgen im Konferenzplenum. Die Vertreter Venezuelas, Boliviens und Kubas übten scharfe Kritik am Zustandekommen des Entwurfs für die politische Erklärung durch Verhandlungen im kleinen Kreis. Die Sitzung wurde im Anschluss zunächst unterbrochen.

"Unsere Zukunft lässt sich nicht kaufen", sagte Fry mit Blick auf die in dem Text enthaltenen finanziellen Angebote. "Sie boten 30 Silberlinge für den Verrat an unserer Zukunft", fügte er in Abwandlung eines Bibelzitats hinzu. Mit Blick auf fehlende ehrgeizige Klimaziele in der Übereinkunft äußerte der Delegierte die Befürchtung, dies wäre "das Ende von Tuvalu". Sollte Tuvalu bei seinem Nein zu der Erklärung bleiben, wäre diese damit wegen des für UN-Vereinbarungen geltenden Grundsatzes der Einstimmigkeit gescheitert. Wie viele Inselstaaten ist auch Tuvalu vom im Zuge der Klimaerwärmung ansteigenden Meeresspiegel bedroht.

Venezuelas Vertreterin Claudia Salerno Caldera warf dem dänischen Konferenzpräsidenten Lars Loekke Rasmussen vor, er unterstütze einen "Staatsstreich" gegen die Vereinten Nationen, da Staaten wie Venezuela und Kuba keinen Einfluss auf die Erklärung gehabt hätten. Ein Vertreter Boliviens warf dem sichtlich erschöpften dänischen Regierungschef Verstöße gegen die Regeln von Demokratie und Transparenz und "diktatorisches Verhalten" vor.

Obama "Er benimmt sich wie ein Kaiser", sagte ein kubanischer Delegierter. Die Delegation Nicaraguas wies darauf hin, die Übereinkunft stehe im Widerspruch zu früheren Beschlüssen der Klimakonferenz, darunter der 2007 beschlossenen "Bali Roadmap".

Nach zweijährigen Verhandlungen über den Klimaschutz hatten sich die führenden Staaten am Freitagabend lediglich auf eine nichtbindende Vereinbarung auf kleinstem gemeinsamen Nenner einigen können.

Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel am frühen Samstagmorgen mitteilte, schrieben die Staats- und Regierungschefs auf der Klimakonferenz in Kopenhagen zwar das wichtige Zwei-Grad-Ziel fest, das die Erwärmung der Erde in erträglichen Grenzen halten soll.

Kanzlerin mit "gemischten Gefühlen"

Doch fehlt das Ziel, bis 2050 die Emissionen um 50 Prozent zu senken. "Die Verhandlungen waren extrem schwierig, und ich muss auch sagen, dass ich das Ergebnis mit sehr gemischten Gefühlen sehe", sagte Merkel vor ihrem Abflug aus der dänischen Hauptstadt.

Letztlich habe sie zugestimmt, um ein völliges Scheitern der Verhandlungen und einen Abbruch des Klimaschutzprozesses zu verhindern. Nun könne er weiter gehen. Allerdings stehen noch langwierige Verhandlungen an. "Der Weg zu einem neuen Abkommen ist noch sehr weit", sagte Merkel.

Für Mitte 2010 ist ein weiteres Treffen auf Ministerebene in Bonn geplant. Frühestens Ende 2010 könnte das Abkommen stehen. Präsident Barack Obama würdigte die Einigung als "bedeutsamen und beispiellosen Durchbruch". Andere Staaten wie Brasilien und Neuseeland äußerten sich zurückhaltend.

Den Durchbruch hatte eine Gruppe von 25 Staats- und Regierungschefs nach stundenlangen Verhandlungen am Freitagabend erzielt.

Merkel sagte, man habe mehrfach kurz vor dem Scheitern gestanden. Die Beteiligten einigten sich auf ein Abschlussdokument, das das UN-Abkommen vorbereiten soll. Auch danach wurde jedoch noch an den Feinheiten gefeilt, wie Merkel sagte.

Der am Freitagabend veröffentlichte Text enthält kein globales Minderungsziel. In einem Anhang sind lediglich die Minderungszusagen einzelner Länder aufgelistet. Es sei nicht gelungen, die Verpflichtungen der Entwicklungs- und Schwellenländer schon international festzuzurren, sagte Merkel.

Darüberhinaus enthält das Papier die Zusage, dass die reichen Staaten den Entwicklungsländern bis 2012 insgesamt 30 Milliarden Dollar an Klimaschutz-Hilfen zur Verfügung stellen. Die Summe soll bis 2020 auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr anwachsen. Merkel sagte, nur die EU habe sich klar an ihre Finanzzusagen gehalten. Die USA hätten dagegen darauf bestanden, dass ihr Anteil an der Finanzierung langsam anwächst.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso äußerte sich enttäuscht. Das Abkommen bleibe klar hinter dem Ziel der EU zurück, sagte er. Der britische Premierminister Gordon Brown erklärte hingegen, immerhin hätte noch vor einem Jahr niemand ein solches Abkommen für möglich gehalten. Der sudanesische Vertreter Lumumba Di-Aping kritisierte, die Entwicklungsländer seien nicht gleichberechtigt in die Verhandlungen einbezogen worden.

USA und China einig

Grundlage des Durchbruchs war offenbar eine Einigung der USA mit China und anderen Schwellenländern. Auch Obama meinte jedoch, der Weg zu einem bindenden Klimaabkommen werde sehr schwierig sein und eine Weile dauern. In Zukunft seien aggressivere Schritte zum Klimaschutz notwendig. Grundlegende Unterschiede zwischen den Perspektiven der einzelnen Teilnehmer hätten die Gespräche in Kopenhagen überschattet.

Obama hatte den ganzen Abend mit führenden Staats- und Regierungschefs verhandelt, darunter neben Merkel auch der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister Brown. Zweimal traf Obama den chinesischen Ministerpräsident Wen Jiabao.

Auch Umweltschützer zeigten sich entsetzt über das Ergebnis von Kopenhagen. John Sauven, verantwortlicher Direktor von Greenpece Großbritannien, sagte laut der BBC im Hinblick auf die Staats- und Regierungschefs der mächtigen Länder: "Kopenhagen ist heute Nacht Schauplatz eines Verbrechens, und die schuldigen Männer und Frauen flüchten zum Flughafen." Die Organisation Oxfam erklärte, dem Abkommen mangele es an Substanz.

© AP/AFP/miba/jab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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