Katholische Kirche:"Nicht zur Tagesordnung übergehen"

Lesezeit: 3 min

Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz im Gebet. Was harmonisch aussieht, ist es längst nicht mehr, katholische Laien fordern dringende Reformen. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Katholische Geistliche und Laien diskutieren beim Synodalen Weg in Frankfurt über Reformen und den Missbrauch. Die Stimmung ist aufgeladen, schuld daran ist auch der Papst.

Von Annette Zoch, München

Das Treffen beginnt mit einer Überraschung: "Nach den Ereignissen vom Freitag können wir nicht zur Tagesordnung übergehen", sagt Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und einer der beiden Präsidenten des Synodalen Wegs. Am vergangenen Freitag hatte Papst Franziskus verkünden lassen, dass er Kölns Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki im Amt lässt, obwohl dessen Umgang mit der Missbrauchsaufarbeitung sein Erzbistum in eine tiefe Krise gestürzt hatte.

Also wirft das Präsidium des Synodalen Wegs, der Reformdebatte zwischen Klerikern und Laien in der katholischen Kirche in Deutschland, kurzerhand die Tagesordnung um und schiebt eine einstündige Aussprache zu den päpstlichen Personalentscheidungen ein. Neben Woelki hatte Franziskus auch die Kölner Weihbischöfe Ansgar Puff und Dominikus Schwaderlapp sowie den Hamburger Erzbischof und früheren Kölner Personalverantwortlichen Stefan Heße im Amt belassen.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alle Meldungen zur aktuellen Situation in der Ukraine und weltweit - im SZ am Morgen und SZ am Abend. Unser Nachrichten-Newsletter bringt Sie zweimal täglich auf den neuesten Stand. Hier kostenlos anmelden.

Nicht wenige Synodale seien "mit ambivalenten Gefühlen" nach Frankfurt gekommen, sagt Bätzing. Tatsächlich steht die Frage im Raum: Was bringt diese Debatte überhaupt, wenn die Kategorie von persönlicher und systemischer Verantwortung in Rom offensichtlich nicht gilt? Der Synodale Weg ist schließlich die unmittelbare Konsequenz aus der so genannten MHG-Studie, die 2018 die systemischen Ursachen für den Missbrauch untersuchte.

Johannes Norpoth, Mitglied des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz, setzt gleich zu Beginn der Aussprache den Ton: Er fühle sich als Missbrauchsbetroffener "nicht instrumentalisiert", sagt er - ein Seitenhieb in Richtung von Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer, der vergangene Woche in einer Predigt gesagt hatte, er habe den Verdacht, der Missbrauch würde "instrumentalisiert, zum Versuch der Umgestaltung der katholischen Kirche nach dem Vorbild evangelischer Kirchenordnungen". Auch Georg Bätzing hatte die Aussagen Voderholzers zuvor als "sehr unerlaubte, sehr anmaßende Stellungnahme" bezeichnet, die den Betroffenen nicht gerecht werde: "Der Missbrauch und seine systemischen Faktoren in der katholischen Kirche sind der Anlass, diesen Weg zu gehen." Norpoth bekräftigt das nun: "Ich erwarte von diesem Synodalen Weg, dass er mutig ist. Ich bitte nicht darum, ich erwarte das. Denn für Betroffene ist die Zeit für Bitten und Betteln vorbei."

"Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen"

Claudia Lücking-Michel, Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) sagt, die vergangenen Tage zeigten geradezu beispielhaft, wie nötig Reformen in der Kirche seien: "Es gibt keine Transparenz, keine Kriterien, keine Einbeziehungen der Gläubigen." Genauere Kriterien fordert auch Essens Bischof Franz-Josef Overbeck: "Wie ist es um das Verhältnis bestellt zwischen einer Fehlertoleranz - Fehler machen wir alle - und den Fehlern, die einen Rücktritt unbedingt notwendig machen?"

Bei Gläubigen und Angestellten der Kirchen würden strenge Moralvorstellungen angelegt, die Fehler von Bischöfen blieben ohne Folgen, sagt die Synodale Gudrun Lux: "Wohin ist es in unserer Kirche gekommen, wenn es bei uns genauso ist wie draußen in der Welt? Die Großen können machen, was sie wollen, die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen."

Bereits vor Beginn der Synodalversammlung hatten 57 Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) eine deutliche Erklärung zu den päpstlichen Entscheidungen verfasst. Sie seien "erschüttert", schreiben die katholischen Laien, darunter auch die ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann. "Schuld und Verantwortung haben in unserer Kirche auch vor allem eine moralische Dimension." Vom Bischof von Rom erwarteten sie, dass er die Impulse des Synodalen Weges unvoreingenommen prüfe. "Ansonsten geriete jede Rede über die synodale Verfasstheit unserer Kirche zur bloßen Farce." Auch Papst Franziskus hatte im Mai einen "Synodalen Weg der Weltkirche" ausgerufen, der kommende Woche beginnen soll.

Das griechische Wort "Synodos" heißt übersetzt "zusammen auf dem Weg sein". Der Begriff "Synodaler Weg", so bemerkt der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke, sei deshalb streng genommen eine Tautologie: Die Teilnehmer pilgern den "gemeinsamen Weg-Weg". Und tatsächlich fragt man sich, auf wie vielen Pfaden die Synodalen da eigentlich unterwegs sind. Streckenweise gehen sie parallel, an manchen Wegmarken aber marschieren sie in entgegengesetzte Richtungen.

Die Macht soll geteilt werden - aber wie?

Viel Aufregung entzündet sich derzeit an den Texten des Forums "Macht und Gewaltenteilung", die an diesem Freitag auf der voll gepackten Tagesordnung stehen. Im Kern fordern die Texte eine Kontrolle und Eingrenzung bischöflicher Macht durch demokratisch gewählte Gremien, und zwar sowohl auf Ebene der Bistümer als auch bundesweit. Eine Mehrheit des Synodalforums unter dem Vorsitz von Claudia Lücking-Michel und Franz-Josef Overbeck hatte sich auf einen entsprechenden Grundtext, flankiert von acht konkreteren "Handlungstexten", geeinigt.

Nicht einverstanden mit diesem Mehrheitsvotum war eine kleine Gruppe aus dem Synodalforum, die dann online einen Alternativtext publizierte. In der Diagnose - die Kirche steckt in einer Krise - sind sich zwar beide Seiten einig. Aber die Autoren des Alternativtextes, darunter der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken und die in Wien lehrende deutsche Theologieprofessorin Marianne Schlosser, sind hingegen der Meinung, dass der Bischof sich zwar beraten lassen kann, am Ende aber allein entscheiden müsse.

Den Alternativtext haben die Kritiker als Änderungsantrag eingebracht, er werde am Freitag von der Antragskommission entsprechend behandelt, sagt Frank Ronge, Leiter des Synodalbüros. Zu den 16 Texten der vier Synodalforen sei eine niedrige dreistellige Zahl an Änderungsanträgen eingegangen. Bis eine Woche vor der Synodalversammlung konnten sie eingereicht werden, über das Portal "Antragsgrün" - ein Tool, das ursprünglich für die Grünen entwickelt wurde. Insgesamt müssen sich die Synodalen in den kommenden drei Tagen durch 149 Seiten Papier wühlen. Es werden anstrengende Tage.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Katholische Kirche
:"Ein Schlag ins Gesicht"

Der Missbrauchsbetroffene Kai Christian Moritz erklärt im Interview, warum der Papst der Kirche schadet. Die Entscheidung, die Erzbischöfe Heße und Woelki im Amt zu lassen, behindere eine Erneuerung.

Von Annette Zoch

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: