Katholische Kirche:"Ein Schlag ins Gesicht"

Missbrauch Katholische Kirche

Kai Christian Moritz, 45, ist Schauspieler. Als Kind wurde er im Bistum Limburg von seinem Pflegevater, einem Priester, missbraucht. Moritz ist ein Sprecher des Betroffenenbeirats der Bischofskonferenz.

(Foto: Thomas Berberich)

Der Missbrauchsbetroffene Kai Christian Moritz erklärt im Interview, warum der Papst der Kirche schadet. Die Entscheidung, die Erzbischöfe Heße und Woelki im Amt zu lassen, behindere eine Erneuerung.

Von Annette Zoch

Von diesem Donnerstag an kommen 230 Bischöfe, Priester, Ordensleute und katholische Laien in die Frankfurter Messe zum zweiten Treffen des Synodalen Wegs. Das Gesprächsformat ist aus der Missbrauchskrise der katholischen Kirche entstanden, zur Debatte stehen Kirchenreformen, Gewaltenteilung, Sexuallehre, die Rolle der Frau. Gerade eben hat der Papst umstrittene Beschlüsse gefasst: Die Erzbischöfe Stefan Heße aus Hamburg und Kardinal Rainer Maria Woelki aus Köln sowie zwei Weihbischöfe dürfen trotz heftiger Kritik an ihrer Rolle in der Missbrauchsaufarbeitung im Amt bleiben. Kai Christian Moritz, Gastmitglied beim Synodalen Weg und Missbrauchsbetroffener im Bistum Limburg, ist damit nicht einverstanden.

SZ: Herr Moritz, hat der Synodale Weg nach diesem Papst-Votum noch Chancen?

Kai Christian Moritz: Er hat auf jeden Fall noch Sinn. Wir dürfen diesen Männern doch nicht die Kirche und den eigenen Glauben kampflos überlassen. Aber, auch das trifft zu: Für mich ganz persönlich ist der Weg nach Frankfurt ein schwerer. Der Synodale Weg ist belastet. Gerade für uns als Betroffene ist es ein Schlag ins Gesicht, dass die einzige Konsequenz aus Fehlverhalten eine Bestätigung im Amt und eine geistliche Auszeit sein sollen.

Was werfen Sie dem Papst vor?

Der Papst hat offenbar nicht verstanden, wie es Betroffenen geht und um was es geht. Ich weiß schon, dass das kirchenrechtlich so ist, dass ein Bischof nicht einfach gehen kann. Aber nun leben wir ja nicht mehr im Mittelalter und egal, wie hierarchisch die Kirche rechtlich verfasst ist: Die Bischöfe sind doch auch freie Menschen, die eine freie Gewissensentscheidung treffen können. Sie ziehen sich aber auf die monarchische Struktur zurück, dass sie dem Papst Gehorsam schulden und entziehen sich damit erneut der persönlichen Verantwortung.

Glauben Sie, dass die Kirche es ernst meint mit der Aufarbeitung?

Ich will differenzieren. Ich glaube vielen geweihten Männern diesen Willen nicht. Ich glaube aber, dass es in der Kirche genügend Menschen gibt, die diesen Willen haben. Es gibt auch immer noch zu wenige, die anerkennen, dass es eben schwer ist mit Betroffenen. Warum? Weil Betroffene ein schweres Leben haben!

Nach dem Votum zu Woelki und Heße hieß es, nun möge ein Versöhnungsprozess beginnen. Ist das überhaupt möglich?

Dieser Impetus kommt in der Kirche schnell: So, jetzt machen wir mal Versöhnung. Das steht dieser Seite aber überhaupt nicht an. Versöhnung bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Und Versöhnung kann geschenkt, aber nicht von Täterseite verlangt werden.

Hat der Synodale Weg noch den richtigen Fokus? Etwa die Diskussion darüber, wie Bischöfe ernannt werden: Was bringt das der Missbrauchsaufarbeitung?

Ich glaube schon, dass man aufpassen muss, dass die Begründung für den Synodalen Weg nicht verloren geht. Diese ist der Missbrauch. Aber im Missbrauch hat sich ja das grundsätzliche Problem manifestiert: das Thema Macht. Macht im Kontext der Kirche bedeutet nicht nur Missbrauch, geistlicher Missbrauch, sexueller Missbrauch, sondern zum Beispiel auch die mehr als fragwürdige Zementierung patriarchaler Macht gegenüber Frauen. Diese Themen werden im Synodalen Weg auf unterschiedlichste Weise ausbuchstabiert.

Kardinal Woelki und der Regensburger Bischof Voderholzer kritisieren, im Schatten des Missbrauchs würde jetzt versucht, die Kirche von Grund auf zu verändern.

Wenn die Kirche so etwas Heiliges und Unverrückbares ist, dann muss ich doch vor solchen Diskussionen überhaupt keine Angst haben. Der Markenkern, wenn er was taugt - und daran glaube ich fest - der kann doch dann nicht zerstört werden.

Am Ende steht aber auch die Gefahr, dass der Synodale Weg gar nichts bewirkt. Entscheiden kann er nichts.

Sicherlich kann man über die Wirkmacht Bedenken äußern. Aber wenn niemand mal anfängt, öffentlich über diese Fragen nachzudenken, dann ändert sich doch nie etwas. Wenn die Kirche nicht irgendwann zu einem irrelevanten Sektenphänomen werden will, dann muss sie diese Fragen beantworten.

Kirchenrechtler erinnern daran, dass die zur Debatte stehenden Fragen der kirchlichen Lehre entgegenstehen.

Diese reine wahre Lehre hat von Anfang an der Auslegung und des Aggiornamento, also der Anpassung, bedurft. Man muss sie gar nicht großartig verändern, aber in der heutigen Zeit neu begreifen. Das ist wahre Auslegung. Es geht nicht darum, Traditionen über alle Zeitströme hinwegzuretten, sondern zu fragen: Was kann die Kirche denn den modernen Menschen noch sagen?

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