Kirche:Rheinischer Präses rechtfertigt Waffenlieferungen an Ukraine

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Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/Archivbild)

„Fromm und politisch“ - so will die schrumpfende evangelische Kirche im Rheinland sein. Zwar klinge Gottes Wort für viele heute eher außerirdisch, meint der Präses. Aber zu den irdischen Konflikten von der Ukraine bis nach Lützerath findet die Kirche klare Worte.

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Düsseldorf (dpa) - Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, hat die militärische Unterstützung des Westens für die von Russland angegriffene Ukraine gerechtfertigt. Zugleich warf Latzel der russischen Führung am Dienstag einen Bruch des Völkerrechts vor und bekräftigte das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung. „Es ist erschreckend, wie Zivilisten gefoltert, ermordet werden, die Infrastruktur gezielt zerstört wird“, sagte Latzel in Düsseldorf vor der rheinischen Synode. „Leben soll dauerhaft in der Ukraine nicht möglich sein - das ist ein klarer Bruch des humanitären Völkerrechts.“

Zum Völkerrecht gehöre nach Artikel 51 der UN-Charta auch das Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, zitierte das Oberhaupt der zweitgrößten evangelischen Landeskirche aus der Charta der Vereinten Nationen. „Daher: Ja, es gibt ein Recht zur Selbstverteidigung und die Aufgabe der Völkergemeinschaft, ein anderes Land darin zu unterstützen“, betonte der 52-Jährige Theologe. Russische Truppen waren am 24. Februar 2022 in das Nachbarland Ukraine einmarschiert.

Vorwürfe gegen orthodoxe Kirche

Der russischen orthodoxen Kirche warf Latzel Blasphemie vor. Führende Kirchenvertreter und der Patriarch Kyrill sprächen von einem „heiligen Krieg gegen den Verfall der Moral und der Sitten im Westen“. Allen gefallenen Soldaten werde die Vergebung aller Sünden verheißen. „Das ist schlicht Gotteslästerung“, so Latzel.

Aufgabe der evangelischen Kirche sei es, den mehr als eine Million nach Deutschland geflüchteten Menschen zu helfen, aber auch „bestehende Brücken“ nach Russland aufrechtzuerhalten. „Neue Brücken“ sollten zugleich in die Ukraine gebaut werden.

Latzel wies auf die sozialen Folgen des Ukraine-Kriegs in Deutschland hin und forderte mehr Hilfe der Bundesregierung. „Die Maßnahmen der Regierung haben einiges abgefedert, aber die Grundprobleme nicht beseitigt.“ Unter dem Krieg und der Verteuerung von Lebensmitteln litten weltweit die Ärmsten. „Auch bei uns trifft die Inflation in Folge des Krieges vor allem Menschen, die es ohnehin "nicht dicke" haben“, sagte er.

Keine Kohleförderung unter Lützerath

In einem Initiativantrag forderten mehrere Synoden-Mitglieder einen sofortigen Aufschub (Moratorium) für die Braunkohleförderung unter dem inzwischen geräumten Dorf Lützerath. „Eine Atempause dient der Deeskalation und schafft Zeit für klimapolitisch verantwortbare Entscheidungen“, heißt es in dem Antrag, über den während der bis Freitag dauernden Synode beraten wird. Das von Klimaaktivisten besetzte Lützerath war in einem mehrtägigen Polizeieinsatz geräumt worden. Nach dem vollständigen Abriss von Lützerath will der Energiekonzern RWE die darunter liegende Kohle abbaggern.

Bibel-Wort klingt wie „Klingonisch“

Präses Latzel sieht eine wachsende Entfremdung der Menschen von der Vorstellungswelt des christlichen Glaubens. „Diese Rede von Gott ist für immer mehr Menschen schlicht fremd und teilweise unverständlich.“ Schon die Vorstellung, dass Gott existiere, sei für viele befremdlich. „Und erst recht, dass sich Gott dann speziell in Jesus Christus zeigt, mit allem was dazu gehört: Bibel, Wunder, Kreuz, Auferstehung, Heiliger Geist. Das klingt für viele Mitmenschen wie "Klingonisch".“ Die Kunstsprache der Klingonen war vor rund 40 Jahren für die „Star Trek“-Kultfilme entworfen worden.

„Auch die kulturelle Selbstverständlichkeit des christlichen Glaubens ist, wenn es sie je gegeben hat, massiv im Schwinden“, sagte der 52-jährige Theologe. Deswegen müsse aber weder der „Abgesang auf den Untergang des christlichen Abendlandes“ angestimmt werden, „noch sollten wir uns unsere Verluste einfach theologisch schön saufen“.

Mit mehr als 2,2 Millionen Mitgliedern ist die rheinische Kirche die zweitgrößte evangelische Landeskirche in Deutschland. Vor einem Jahr hatte Latzel in seinem Bericht gesagt, jedes Jahr verliere allein die rheinische Landeskirche 30.000 bis 40.

000 Mitglieder. Das Gebiet der rheinischen Kirche erstreckt sich über Teile der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen.

© dpa-infocom, dpa:230116-99-241833/4

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