Wenn der Papst reist, hat er viele Verpflichtungen. Es beginnt damit, dass er aus dem Flugzeug Grußbotschaften an die Staatsoberhäupter der Staaten verschickt, die er überfliegt. Dann wird er von der Spitze des Gastlandes empfangen, wichtige Reden sind zu halten vor der Elite des Landes.
Alles das absolviert Papst Franziskus trotz seines Alters - 86 - und seiner angeschlagenen Gesundheit derzeit in Portugal. Am Donnerstagabend nun war der erste der Termine, die Franziskus eigentlich dorthin geführt haben: Der Papst traf im Park Eduardo VII mitten in der Hauptstadt Lissabon eine halbe Million vor allem junge Menschen aus dem ganzen Land und aus aller Welt. Anlass ist der Weltjugendtag, den die katholische Kirche alle zwei bis drei Jahre in einem anderen Land ausrichtet.
Franziskus ruft die Seelsorger auf, sich ein Beispiel an Surfern zu nehmen
Für die Päpste sind diese mittlerweile einwöchigen Treffen immer eine besondere Freude, seit Johannes Paul II. die Tradition 1984 in Rom begründet hat. Benedikt XVI. war vielbeachtet beim einzigen Treffen in Deutschland 2005 in Köln, und namentlich Franziskus, der sich als Seelsorger versteht und nahe bei den Menschen sein will, genießt solche Tage. Fast eine ganze Stunde ließ er sich im Park Eduardo VII. im Papamobil durch die Menge fahren, aus den Lautsprechern schallte die Nachricht. "Das hier ist die Jugend des Papstes!" Zu sehen und hören gab es ein reichhaltiges Programm mit Fahnen, Reden und Musik. Jugendliche trugen das 3,80 Meter lange Weltjugendtagskreuz sowie die Marienikone "Salus Populi Romani" zur Bühne.
In seiner Ansprache ermutigte der Papst die Jugendlichen, sich gegenseitig an ihren Wert zu erinnern und sich mit ihren Fragen an Jesus zu wenden. "Die Kirche ist eine Kirche für alle", betonte er und forderte die Zuhörerinnen und Zuhörer auf, das Wort "alle" dreimal mit ihm zu wiederholen.
Zuvor schon hatte er die katholische Kirche aufgerufen, Resignation und Pessimismus zu überwinden und ihre Botschaft mit neuem Mut zu verkünden. Vor Priestern, Seminaristen und Seelsorgepersonal hatte er am Mittwochabend gesagt, es sei "auf unserem Weg als Kirche" manchmal eine "Müdigkeit" zu verspüren. Dies sei vor allem in Ländern mit alter christlicher Tradition weit verbreitet, die von Säkularismus und Gleichgültigkeit gegenüber Gott geprägt sind.
Verstärkt werde dies durch Enttäuschung und Zorn, den manche wegen Skandalen gegenüber der Kirche empfänden. Die Skandale hätten das Gesicht der Kirche entstellt, deshalb müsse sie sich in Demut läutern und dabei vom "Schmerzensschrei der Opfer" ausgehen. Die Seelsorger sollten den Herrn ins Boot der Kirche einsteigen lassen, damit er noch einmal "das Steuer in die Hand nimmt". Franziskus rief die Seelsorger auf, sich ein Beispiel an den Surfern zu nehmen, die am Strand von Nazare die Atlantikwellen herausfordern. "Fürchten wir uns nicht, uns dem offenen Meer zu stellen!"
"Wohin steuert ihr, Europa und der Westen?"
Der Hinweis auf die Skandale der Kirche konnte allerdings nicht die Irritationen beseitigen, die bei der Reise der Umgang mit dem Missbrauchsthema ausgelöst hat: Auch in Portugal hat es massiven Missbrauch gegeben. Nach einem im Februar veröffentlichten Untersuchungsbericht sind zwischen 1950 und 2022 im kirchlichen Kontext mindestens 4815 Kinder sexuell missbraucht worden; entsprechende Plakate einer Opfergruppe mit 4815 Punkten sind während des Papstbesuchs in Lissabon zu sehen.
Auf ihrer Internetseite "This is our memorial" schreibt die Gruppe, es gehe darum, die "ohrenbetäubende Stille zu beenden". Die Übergriffe fanden vor allem in katholischen Seminaren, Heimen, Schulen oder Sporteinrichtungen statt. Das Durchschnittsalter der Opfer lag bei knapp elf Jahren; in 77 Prozent der Fälle waren Priester die Täter. Eine außergerichtliche finanzielle Entschädigung der Missbrauchsopfer lehnten die portugiesischen Bischöfe zunächst ab, weil es sich "um individuelle Straftaten" handele. Stattdessen wollte man in einem Gottesdienst beim Weltjugendtag an die Opfer erinnern - dieser Gottesdienst wurde dann aber wieder abgesagt, und es kam nur zu einem Treffen des Papstes mit 13 ausgewählten Opfern in der Botschaft des Vatikans.
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Der Papst hielt auch eine Rede über Europa und die Europäische Union, die eine große Verantwortung angesichts der Krisen der Welt habe. Er warf den europäischen Politikern vor, dass sie der Welt keinen Friedenskurs vorschlagen und keine kreativen Wege, um dem Krieg in der Ukraine zu beenden. Zugleich forderte Franziskus, dass menschliches Leben vor dem Wegwerfen geschützt werden müsse: ungeborene Kinder, Senioren und Migranten. Wörtlich sagte er: "Wohin steuert ihr, Europa und der Westen, mit der Ausgrenzung älterer Menschen, den Mauern mit Stacheldraht, den Massakern auf See und den leeren Wiegen? Wohin steuert ihr, wenn ihr angesichts des Leidens im Leben falsche Heilmittel anbietet wie den einfachen Zugang zum Tod?"
Am Wochenende sind weitere Großveranstaltungen geplant, zur Abschlussmesse am Sonntag werden eine Million Menschen erwartet, darunter auch einige Tausend Pilgerinnen und Pilger aus Deutschland.