Katar und Saudi-Arabien:Ein Hauch von Frühling am Golf

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Alltagsszene in Doha: Die Lebens- und Arbeitsbedingungen von ausländischen Arbeitskräften sollen sich in Katar nun verbessern. (Foto: imago/Eibner Europa)

Der Emir von Katar möchte die Arbeitsbedingungen von Ausländern verbessern, der Kronprinz von Saudi-Arabien den Einfluss des ultrakonservativen Islam zurückdrängen. Demokratie im westlichen Sinne wollen beide jedoch nicht.

Kommentar von Paul-Anton Krüger, Kairo

Gewerkschafter und Menschenrechtler erheben gegen Katar seit Jahren den Vorwurf der modernen Sklaverei. Das steinreiche Golf-Emirat baue Stadien und Infrastruktur für die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2022 mit dem Blut der Arbeiter aus Südasien, die Arbeits- und Lebensbedingungen verletzten die Menschenwürde. Damit soll jetzt Schluss sein: Der Internationale Gewerkschaftsbund ITUC, einer der härtesten Kritiker der Regierung in Doha, gratuliert Katar jetzt zum "Durchbruch der Abschaffung des Kafala-Systems", das ausländische Arbeiter zu Leibeigenen ihrer Arbeitgeber machte.

Es muss sich noch zeigen, ob Katar alle Zusagen für die Arbeitsmarktreform umsetzt, aber da ist die ITUC-Generalsekretärin Sharan Burrow zuversichtlich. Sie hat die Änderungen mit Emir Tamim bin Hamad al-Thani und dessen Arbeitsminister ausgehandelt. Mindestens einen Rechtsrahmen gibt es nun, der Katar zum Vorbild macht in einer Region, in der Millionen Ausländer beschäftigt werden - in den Vereinigten Arabischen Emiraten etwa oder in Saudi-Arabien, und zwar viele unter ähnlich schlimmen Bedingungen.

In Katar dauerte es sechs Jahre, bis die Reformen beschlossen wurden. Betrachtete mancher in Doha die Kritik anfangs als PR-Problem, nahmen sie einflussreiche Mitglieder der Herrscherfamilie ernster. Sie ließen Mindeststandards für Arbeiter festlegen, die auf Baustellen des WM-Organisationskomitees tätig sind.

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Frauen könnten von der Öffnung profitieren

Es ist eine berechtigte Frage, warum der Sinneswandel so lange gebraucht hat. Aber die Entscheidung des Emirs zeigt, dass es richtig war, dem Emirat das WM-Turnier nicht wegen der Arbeiterrechte zu entziehen. Das hätte nur den Druck und die Aufmerksamkeit von Doha genommen. Ob sich der Emir dann gegen den Widerstand in Katar zu denselben Reformen verpflichtet hätte, ist fraglich.

Blickt man über die Grenze nach Saudi-Arabien, könnte man meinen, am Golf sei die Zeit der Reformen angebrochen. Dort hat Kronprinz Mohammed bin Salman seinen Plan für eine neue Megastadt und Sonderwirtschaftszone vorgestellt. Das Projekt soll die Wirtschaft des Petro-Staates in 15 Jahren unabhängig machen vom Öl. Für Menschenrechtler und Gewerkschafter könnte das Projekt Neom in gleicher Weise zum Hebel für Arbeiterrechte werden wie die WM in Katar.

Einhergehen soll der Umbau der saudiarabischen Wirtschaft mit einer Öffnung der extrem konservativen Gesellschaft. Frauen, wegen der weitreichenden Vormundschaft der Männer bislang de facto Menschen zweiter Klasse, könnten davon profitieren. Zugleich legt sich der mächtige Königssohn mit einem Teil der ultrakonservativen Kleriker an, die gegen gesellschaftlichen Fortschritt predigen - andererseits aber das Königshaus stützen und ihm religiöse Legitimität zusprechen.

Darum geht es, wenn bin Salman verspricht, sein Land zum "moderaten Islam" zurückzuführen - aber auch um die extremistische politische Agenda mancher dieser Prediger, die Millionen Anhänger auf Twitter und enormen Einfluss in den Golfstaaten haben. Der erbitterte Streit Saudi-Arabiens mit Katar dreht sich auch um solche Kleriker.

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Vorbild VAE: zunehmend diversifiziert, zugleich ein Überwachungsstaat

So verschieden und in Abneigung verbunden der Kronprinz und der Emir auch sind - beide verordnen ihren Gesellschaften potenziell tief greifende Veränderungen. Sie können mutig vorgehen, weil sie über Geld und sehr viel Macht verfügen. In Katar mit 275 000 Staatsbürgern und einem Pro-Kopf-Jahreseinkommen von 130 000 Dollar sind Reformen etwas leichter durchzusetzen als in Saudi-Arabien mit mehr als 20 Millionen Bürgern und 54 000 Dollar Einkommen.

Die Reformen sind allerdings nicht darauf ausgerichtet, am Golf freiheitliche demokratische Gesellschaften nach westlichem Vorbild zu errichten - was mindestens ein Teil der im Islam und konservativen gesellschaftlichen Konventionen verwurzelten Menschen gar nicht will. Den Herrschern geht es darum, die absolutistischen Monarchien überlebensfähig zu machen in einer Zeit, in der Öl und Gas dafür nicht mehr reichen. Sie müssen aus dem Nomadentum entstandene Gesellschaften in eine Zeit führen, in der jeder Bürger Smartphones besitzt und die Mehrheit der schnell wachsenden Bevölkerung sehr jung ist.

Das Modell sind die Vereinigten Arabischen Emirate: wirtschaftlich erfolgreich und zunehmend diversifiziert, zugleich ein Überwachungsstaat ohne bürgerliche Freiheiten. Gelingt es den Herrschern am Golf nicht, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das ihren Bürgern auf lange Sicht Wohlstand und ein zufriedenes Leben garantiert (wozu Unterhaltung gehört), werden sie sich bald mit lauteren Rufen nach politischer Teilhabe konfrontiert sehen.

© SZ vom 27.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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