Rechtsprechung:Weniger Papier, weniger Sand im Getriebe

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Die "Schriftformerfordernis reduzieren": Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sieht weiterhin Reformbedarf. (Foto: Imago)

Bundesjustizminister Buschmann will die Digitalisierung der Justiz beschleunigen. 2026 soll sie auf elektronische Aktenführung umgestellt sein.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Er gilt als Inbegriff der Langsamkeit: der Aktenwagen, beladen mit Kladden aus Papier. Bis 2026 soll er aus deutschen Gerichten verschwinden, jedenfalls weitgehend. Dann soll die Justiz auf elektronische Aktenführung umgestellt sein. Derzeit laufen dazu Pilotprojekte in Bund und Ländern, die Rückmeldungen sind durchwachsen. Es gebe weiter "Reformbedarf", heißt es im Entwurf für ein Gesetz, mit dem Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) die Digitalisierung der Justiz beschleunigen will.

Weniger Papier, mehr digitale Kommunikation - auch bei der Aufnahme von Strafanzeigen soll die sogenannte Schriftformerfordernis reduziert werden. "Immer noch notwendige Unterschriften mit Stift und Papier wirken hier wie Sand im Getriebe. Das ist nicht nur lästig, sondern sorgt auch für unnötigen Mehraufwand in der Verwaltung", erklärte Buschmann.

Seine Gesetzesinitiative ist auch der Tatsache geschuldet, dass Deutschland sich der UN-Agenda 2030 verpflichtet hat, also dem Ziel nachhaltiger Entwicklung, zu dem auch der Ausbau zeitgemäßer Justizsysteme gehört. In Deutschland ist das nicht erreicht. Die Umstellung von Papier auf elektronische Kommunikation läuft in etlichen Bundesländern holprig.

Justizrechner stürzen ab

Wo Gerichtsverfahren sich über mehrere Instanzen hinziehen, liegen Altakten oft nur in Papierform vor, während neuere Akten digital angelegt werden. Eine hybride Aktenführung aber, also die Mischung von Papier und digitalen Dokumenten, ist nur in Ausnahmen erlaubt. Deshalb verbringen Justizbeschäftigte ungezählte Stunden damit, alte Akten zu kopieren und zu scannen. Außerdem benötigten die Scans so viel Speicherplatz, dass es wiederholt zu "betrieblichen Störungen" und "Medienbruch" komme, so der Gesetzentwurf. Justizrechner stürzen ab, Verfahren stocken. Künftig soll daher mehr hybride, also gemischte Aktenführung möglich werden.

Für Bürgerinnen und Bürger soll es einfacher werden, Strafanträge zu stellen. Die Anzeige einer Beleidigung oder Körperverletzung etwa muss schriftlich mitgeteilt werden, in der Regel per Unterschrift auf Papier - oder elektronisch über einen sicheren Übermittlungsweg und mit qualifizierter digitaler Signatur, über die die meisten Menschen nicht verfügen. Hier soll in Zukunft eine E-Mail reichen oder ein Online-Formular der Polizei, jedenfalls wenn die Identität und Absicht der antragstellenden Person klar erkennbar sind.

Um die Kommunikation zwischen Anwaltschaft und Gerichten zu beschleunigen, sollen Schreiben von Mandantinnen und Mandanten auch per Scan ans Gericht gehen können, etwa der unterschriebene Insolvenzantrag eines Mandanten. Aber auch die Kündigung beispielsweise eines Mietvertrags per Schriftsatz will Buschmann erleichtern, durch Zulassung digitaler Schriftsätze.

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An ihre Grenze stößt die Digitalisierung bei der Übermittlung vertraulicher Dokumente, die als "geheim" oder "streng geheim" eingestuft sind. Weil hier die "aktuellen technischen Gegebenheiten" fehlten, sollen sie weiter auf Papier übermittelt werden, bis Ende 2035. Angeklagte und ihre Rechtsvertreter sollen sich strafgerichtlichen Revisionsverfahren per Video zuschalten können.

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) begrüßte die Pläne grundsätzlich. "Punktuelle Verbesserungen reichen aber nicht aus", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Um die Potentiale der Digitalisierung wirklich nutzen zu können, brauchen wir einen großen Wurf: die Modernisierung des Zivilprozesses." Es sei richtig, die Kommunikation mit der Justiz "auf die Höhe der digitalen Zeit zu bringen", sagte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn. Mit "Trippelschritten" aber komme man nicht weiter. "Es braucht in erster Linie Investitionen in Milliardenhöhe in Hardware und Software, in den Netzausbau und in smarte KI-Assistenz für die Justiz."

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