Dies ist das Minimal-Szenario, das nah an den Wünschen der britischen Konservativen oder anderen Euro-Skeptikern liegt. Die EU würde sich beschränken und auf den Binnenmarkt konzentrieren, der zu ihrem eigentlichen Daseinsgrund würde. In vielen Politikbereichen wäre sie nicht in der Lage, mit einer Stimme sprechen. Das gilt etwa für Themen wie Klimaschutz, Steuerhinterziehung oder Handelsfragen. Auf diese Weise würde die EU nach Junckers Einschätzung international an Bedeutung verlieren. Er macht hinreichend deutlich, dass er von einer solchen Entwicklung wenig hält.
Szenario drei: Wenige machen mehr
Staaten, die im Rahmen der EU enger zusammenarbeiten wollen als bisher, sollen Koalitionen der Willigen bilden. Beim Euro oder im Schengen-Rahmen geschieht dies schon und könnte auf die Bereiche Verteidigung, innere Sicherheit, Steuern und soziale Angelegenheiten ausgeweitet werden. Denkbar wäre, dass man gemeinsame Polizeitruppen aufstellt, die grenzüberschreitend ermitteln würden; dass eine Gruppe von Staaten das Arbeitsrecht vollständig harmonisiert; dass ein echter Austausch von Sicherheitsdaten in Gang kommt. Oder dass mehrere Staaten gemeinsam eine Drohne zu militärischen oder humanitären Zwecken nutzen. Andere Staaten könnten auf Wunsch später nachziehen. Die Einheit der Union bliebe in diesem Szenario gewahrt. Es hört sich am ehesten nach dem "Europa der mehreren Geschwindigkeiten" an, das Bundeskanzlerin Angela Merkel seit Kurzem bei jeder Gelegenheit im Munde führt. Juncker vermeidet diesen Begriff. Und er legt Wert darauf, dass die Richtung für alle dieselbe bleiben muss.
Szenario vier: Weniger machen, aber effizienter
Statt dass einzelne Staatengruppen vorangehen, entscheidet sich die EU als Ganze dafür, sich auf einige Politikbereiche besonders zu konzentrieren. In diesen Bereichen erhielte die Union dann mehr "Instrumente". Als Beispiel nennt Juncker den Abgasskandal, bei dem von der EU ein energischeres Einschreiten erwartet worden sei, Brüssel aber die entsprechenden Kompetenzen gefehlt hätten. In der Migrationspolitik könnte dies bedeuten, dass der neue Grenz- und Küstenwachschutz die Überwachung aller nationalen Grenzen übernimmt und künftig alle individuellen Asylentscheidungen nicht mehr national, sondern auf der europäischen Ebene getroffen würden. Gleichzeitig würde sich die EU aus anderen Gebieten weitestgehend zurückziehen: etwa der Regionalförderung, Gesundheitsfragen, Sozialem und Beschäftigung oder der Beihilfen-Kontrolle. Schwierig wäre nach Ansicht Junckers, sich über die Schritte im Einzelnen einig zu werden.