Japan und Nordkorea:Der Gipfel, der wohl nie stattfinden wird

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Kim Yo-jong ist die Schwester und Propaganda-Beauftragte des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un. Den jüngsten japanischen Annäherungsversuch wiegelte sie ab. (Foto: AP)

Japans Premierminister Fumio Kishida sagt, er habe sich "mehrmals direkt" an Nordkorea gewandt, um Kim Jong-un zu treffen. Es geht um eine alte japanische Wunde. Aber das Regime in Pjöngjang lehnt ab.

Von Thomas Hahn, Tokio

Am Montag erzählte Nordkoreas Regime mal wieder von Japan. Da erschien in den Staatsmedien der Parteidiktatur nämlich eine Erklärung von Kim Yo-jong, der Schwester und Propaganda-Beauftragten des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un. In dieser hieß es: "Vor Kurzem hat Kishida über einen anderen Kanal seine Absicht bekundet, den Staatspräsidenten der DVRK so bald wie möglich persönlich zu treffen." Fumio Kishida ist der Premierminister Japans. DVRK ist die Abkürzung für Demokratische Volksrepublik Korea, Nordkoreas offiziellen Namen. Und mit dem "Staatspräsidenten der DVRK" ist Kim Jong-un gemeint. Was das für ein Kanal war, über den Kishida ein Treffen mit Kim organisieren wollte, blieb offen. Aber das war Kim Yo-jong egal. Sie meldete den spektakulären Anbahnungsversuch ja ohnehin nur, um ihn zurückzuweisen.

Wörtlich hieß es in ihrer Erklärung: "Wenn Japan weiterhin versucht, sich in die Ausübung unserer souveränen Rechte einzumischen und die Entführungssache zu vertiefen, erreicht der Premierminister nichts als den Ruf, dass es ihm bei der Initiative nur um seine eigene Beliebtheit geht."

Kishida will über die Japaner reden, die Nordkorea einst entführt hat

Dies ist die Geschichte eines Gipfels, der wohl nie stattfinden wird. Sie geht schon etwas länger, denn es stimmt: Als Staatsmann, der sein Wahlvolk mit entschlossener Außenpolitik beeindrucken will, hat Fumio Kishida immer wieder gesagt, dass er Kim Jong-un treffen wolle. Kishida wiederholte das auch am Montag. Kurz nachdem der Bericht aus Nordkorea in Tokio bekannt geworden war, sagte er laut Japan Times in einem Oberhaus-Ausschuss: "Ich habe mich mehrmals direkt an Nordkorea gewandt, weil ich glaube, dass Gespräche auf höchster Ebene wichtig sind, um Themen wie das Entführungsproblem zu lösen."

Es stimmt also auch, dass Kishida mit Kim Jong-un über das reden will, was Kim Yo-jong abschätzig "die Entführungssache" nennt. Es geht dabei um die Entführungen japanischer Staatsbürgerinnen und -bürger nach Nordkorea in den 1970er- und 1980er-Jahren. Japan zählt offiziell 17 Personen, die Pjöngjang damals nach Nordkorea entführt haben soll, unter anderem um an Spionageschulen japanische Sprache und Kultur zu lehren.

Das Verhältnis zwischen Japan und Nordkorea ist kompliziert. Die beiden Länder unterhalten keine diplomatischen Beziehungen. Für Nordkorea ist Japan ein Vasallenstaat der USA. Für Japan ist Nordkorea mit seinen Atomwaffen eine Gefahr. Aber sie verbindet auch eine bewegte Geschichte. Zwischen 1910 und 1945 hatte Japan ganz Korea besetzt, also auch Nordkorea. In Japan leben rund 25 000 Menschen, deren Familien damals nach Japan kamen und die sich heute ausdrücklich zum Regime in Pjöngjang bekennen.

2002 gab es mal einen Gipfel. Für Nordkorea war das Thema damit erledigt

Und dann ist da eben das "Entführungsproblem", ein japanischer Nationalkummer, der die Familien der Opfer bis heute belastet. 2002 gab es einen Gipfel in Pjöngjang dazu. Japans damaliger Premier Junichiro Koizumi traf Kim Jong-il, Kim Jong-uns Vater. Kim Jong-il entschuldigte sich. Allerdings gab Nordkorea nur 15 Entführungen zu und erlaubte nur fünf Opfern die Rückkehr, weil die anderen gestorben seien. Seither ist das Thema für Nordkorea erledigt. Aber für Japan nicht.

Zuletzt schien sich das Verhältnis zu bessern - aber die Interessen passen einfach nicht zusammen. Wenn Kishida einen Dialog mit Kim Jong-un ohne Bedingungen in Aussicht stellte, ging es ihm vor allem um das Entführungsthema. Nordkoreas Regime hingegen sieht eine Japan-Verbindung eher als Chance, die Allianz seiner Feinde aufzubrechen. Wegen Pjöngjangs Aufrüstung sind die USA, Südkorea und Japan 2023 näher zusammengerückt denn je. Das kann Kim Jong-un nicht gefallen.

Mit Japan ging er jedenfalls zeitweise deutlich netter um als mit Südkorea und den USA. Nach dem schweren Erdbeben am Neujahrstag auf der Halbinsel Noto schickte Kim ein ungewöhnlich freundliches Beileidsschreiben. "Er bezeichnete Kishida als 'Eure Exzellenz'", sagte Thae Yong-ho danach erstaunt in der Zeitschrift The Diplomat. Thae war früher ein Diplomat für Nordkorea, lief 2016 nach Südkorea über und sitzt dort heute für die konservative People Power Party im Parlament. Thae weiß, wie Nordkorea seine Worte abwägt. Er folgerte: "Pjöngjang sieht Japan als das schwächste Glied im trilateralen Pakt."

Nordkorea will dieser Tage nicht einmal Japans Fußballer nach Pjöngjang lassen

Aber schon Mitte Februar hatte sich die Aussicht auf einen Kim/Kishida-Gipfel im Grunde erledigt. Denn da äußerte sich Kim Yo-jong über die staatliche Nachrichtenagentur KCNA zu Kishida. Dieser hatte zuvor wieder gesagt, er wolle Kim Jong-un treffen. Kim Yo-jong erklärte: Aus ihrer Sicht gebe es keinen Grund, Kishidas Rede nicht positiv zu sehen - "sofern sie von der Absicht getrieben war, sich mutig von den Fesseln der Vergangenheit zu befreien". Aber genau das kann und will Kishida nicht. Dazu ist Japan das Entführungsproblem zu wichtig.

Mit der jüngsten Erklärung von Kim Yo-jong dürfte der Gipfel endgültig vom Tisch sein. Nordkorea will dieser Tage ja nicht einmal Japans Fußballer nach Pjöngjang lassen. Am Donnerstag spielten die Teams beider Länder in Tokio im Rahmen der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2026 gegeneinander. Japan gewann 1:0. Das Rückspiel hätte diesen Dienstag stattfinden sollen. 14 Regierungsbeamte aus Japan sollten die Mannschaft begleiten.

Aber dann teilte Nordkorea dem asiatischen Fußballverband mit, wegen "unvermeidlicher Umstände" könne das Spiel nicht in Pjöngjang stattfinden. Nordkoreas Arbeiterparteizeitung Rodong Sinmun hatte davor von einer "bösartigen Infektionskrankheit" in Japan berichtet. In der Tat meldet Japans Institut für Infektionskrankheiten eine steigende Zahl von Streptokokken-Infektionen. Ein Ersatzspielort war so schnell nicht zu finden. Weltfußballverband Fifa hat den Fall an seinen Disziplinarausschuss weitergeleitet. Und die diplomatische Eiszeit zwischen Japan und Nordkorea geht erst mal weiter.

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