Japan:Mitfühlende Klimaanlage

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Die simpleste Version: Eine Frau kühlt sich in der Sommerhitze von Tokio mit einem tragbaren Ventilator. Die Hersteller bringen aber auch wesentlich ausgereiftere Klimaanlagen auf den Markt. (Foto: Koji Sasahara/AP)

Japanische Geräte gehören zu den besten der Welt, und die Hersteller sind kreativ. Jetzt kommt wieder eine Neuheit auf den Markt: Sie senkt die Temperatur, wenn man einschläft.

Von Thomas Hahn, Tokio

Das britische Fachportal Cooling Post berichtet detailreich und mit dem gebotenen Ernst über die verschiedenen Aspekte des Klimatisierens. Aber neulich erlaubte sich die Redaktion doch mal einen Witz. Das japanische Unternehmen Mitsubishi Electric hatte gerade einen Coup vorgestellt, eine spektakuläre Ergänzung zur Z-Serie seiner Klimaanlagen-Linie Kirigamine. Das Gerät kann die Laune von Menschen lesen und danach die Temperatur regulieren. Die Cooling Post erkannte die Tragweite dieses Fortschritts und schrieb: "Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihre Frau/Ihr Mann/Ihre Partnerin/Ihr Partner Sie nicht versteht - vielleicht tut es in Zukunft Ihre Klimaanlage."

Es sind inspirierende Zeiten für die Klimatechnik-Industrie. Wegen der Erderwärmung gilt sie als Wachstumsbranche. Gerade in Japan fühlt man sich herausgefordert, denn hier sitzen einige der besten Klimaanlagen-Hersteller der Welt. Der Inselstaat bot ihnen immer beste Geschäftsbedingungen: schwüle Sommer, kalte Winter, schlecht isolierte Häuser, kaum Zentralheizungen. Die Klimaanlage ist in Japan so etwas wie eine Säule des nationalen Wohlbefindens in warmen wie in frostigen Zeiten. Und die heimischen Technologiekonzerne haben die Geräte mit der Zeit zu raffinierten, weltweit geachteten Luftverbesserern veredelt.

So soll es weitergehen. Der Bedarf ist schließlich da, nicht nur in Japan, dem Klimaanlagenverbraucher Nummer vier hinter Primus China, hinter der asiatischen Region ohne China/Japan und hinter Nordamerika. Nach Daten des Japan-Verbandes für Kälte- und Klimatechnik (JRAIA) war die Nachfrage nach Klimaanlagen 2021 weltweit um zwei Prozent höher als 2020. Und Japans Industrie ist selbstbewusst. Masanori Togawa, Chef des Branchenführers Daikin, sagte im Nachrichtendienst Bloomberg: "Ich finde, Klimatechnik ist ein Geschäft, das einen gesellschaftlichen Beitrag leisten kann."

Allerdings sind Klimaanlagen nicht umweltfreundlich. Sie brauchen viel Strom und klimaschädliche Kältemittel. Eine Firma wie Daikin gibt laut Bloomberg Milliarden Dollar aus, um grüne Lösungen zu entwickeln. Der Mitsubishi-Coup wirkt da eher wie ein nachrangiger Gag.

Im Februar 2023 soll die mitfühlende Klimaanlage in den Handel kommen. Preis: ab 278 000 Yen, rund 1900 Euro. Sie hat ein periskopähnliches Infrarot-Auge, mit dem sie die Raumtemperatur und einen Menschen erfassen kann. Ein neuartiger Mikrowellensensor im Inneren ermittelt die Herzfrequenz des Menschen. Aus diesen Daten schließt die Klimaanlage dann, wie konzentriert er ist, und ändert bei Bedarf die Temperatur. Wenn sie feststellt, dass er eingeschlafen ist, kann sie ihn laut Mitsubishi mit einem gezielten kalten Luftstrahl aufwecken. Allerdings darf die Person nicht weiter als sechs Meter entfernt sein - sonst funktioniert es nicht.

Und wenn mehrere Personen im Raum sind, die unterschiedlich gut gelaunt sind? "Dann wird eine zusammengesetzte Frequenz analysiert", erklärt die Computerzeitschrift ASCII in einer Analyse. Die Folge ist dann wohl ein Kompromissklima, mit dem alle zurechtkommen müssen. Wie es dem Einzelnen geht, ist der Klimaanlage demnach egal. Das Gerät hat eben nur einen Sensor, kein Herz.

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