Italien:Etwas Hollywood in Palermo

Lesezeit: 2 min

Zielscheibe von Protesten wurde Italiens damaliger Lega-Innenminister Matteo Salvini schon 2019 wegen der "Open Arms": Nun ist der Prozess gegen ihn wegen Freiheitsberaubung und unterlassener Amtshandlung gestartet. (Foto: PAU BARRENA/AFP)

Schauspieler Richard Gere soll im Verfahren "Open Arms" gegen den früheren italienischen Innenminister Matteo Salvini als Zeuge aussagen. Der findet das unseriös.

Von Oliver Meiler, Rom

Ein brisantes Gerichtsverfahren in Palermo erhält einen Hauch Hollywood, wenigstens in der Besetzung einer Nebenrolle. Filmstar Richard Gere, 72 Jahre alt, bekannt etwa aus "Pretty Woman" und "An Officer and a Gentleman", ist als Zeuge zugelassen worden im Prozess gegen Matteo Salvini im Fall Open Arms. Italiens früherem Innenminister und Chef der rechtspopulistischen Partei Lega wird vorgeworfen, dass er im August 2019 sein Amt missbraucht habe, als er ein Schiff der katalanischen NGO Proactiva Open Arms mit 147 Flüchtlingen an Bord während 19 Tagen nicht in einem italienischen Hafen anlanden ließ. Die Anklage lautet auf Freiheitsberaubung. Bei einer Verurteilung drohen Salvini bis zu 15 Jahre Haft.

Gere hielt sich in jenem politisch bewegten italienischen Sommer, der im Sturz Salvinis enden sollte, ferienhalber mit der Familie in Italien auf. "In der Nähe von Rom", erzählte der engagierte Schauspieler einmal. Er hörte von der Blockade der Open Arms vor Lampedusa, kontaktierte die Seenotretter, flog dann runter auf die Insel, kaufte Früchte und Mineralwasser ein für die Passagiere und ging an Bord, um zu helfen. Open Arms schlug Gere nun als Zeugen vor, damit der aus erster Hand von den dramatischen Zuständen berichten könne. Manche Flüchtlinge waren aus Verzweiflung über Bord gesprungen, andere mussten als medizinische Notfälle vom Schiff gebracht werden.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alle Meldungen zur aktuellen Situation in der Ukraine und weltweit - im SZ am Morgen und SZ am Abend. Unser Nachrichten-Newsletter bringt Sie zweimal täglich auf den neuesten Stand. Hier kostenlos anmelden.

Der Staatsanwaltschaft Palermos wäre es jetzt aber lieber gewesen, wenn Open Arms auf den Zeugen Gere verzichtet hätte: Dessen Vorladung verwandle das Verfahren nur unnötig in ein "Spektakel", hieß es. Doch das Gericht ließ alle Zeugen beider Seiten zu. So werden neben Gere und einigen Flüchtlingen unter anderem auch Italiens ehemaliger Premier Giuseppe Conte, der amtierende Außenminister Luigi Di Maio und Innenministerin Luciana Lamorgese sowie Maltas früherer Premier Joseph Muscat im Prozess aussagen.

Salvinis Verteidigung versucht erneut, wie schon in anderen Fällen, die Verantwortung auf die gesamte Regierung zu übertragen: Die Linie der "geschlossenen Häfen", mit der sich der Innenminister weltbekannt gemacht hatte, sei von allen Partnern des Kabinetts mitgetragen worden. Er persönlich sei stolz darauf, er habe das Land verteidigt. Italien, sagt Salvini, sei überdies gar nicht zuständig gewesen für die Open Arms: Das spanische Schiff mit seinem spanischen Heimathafen hätte einfach nach Spanien weiterfahren können. Niemand habe die Crew daran gehindert, und darum sei auch der Vorwurf der Freiheitsberaubung gegen ihn falsch.

Vor Beginn der ersten Verhandlung postete Salvini auf Twitter ein Foto aus der Gerichtsaula im Gefängnis Pagliarelli in Palermo, samt Gitterstäben: "Die Linke und die Freunde der illegalen Immigration wollen diesen Prozess: Wie viel das wohl die Italiener kosten wird?" Und nach der Zulassung des prominenten Zeugen sagte er in die Kameras und Mikrofone der wartenden Reporter: "Sagt mir: Wie seriös ist ein Prozess, in dem Richard Gere aus Hollywood anreist, um zu sagen, dass ich böse sei?" Das Spektakel hat bereits begonnen, auch ohne den Filmstar.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Italien
:Linker Kantersieg

Bei den Kommunalwahlen in Italien gewinnen die Sozialdemokraten alle wichtigen Duelle gegen die vereinte Rechte. Zu den Verlierern zählen auch die Populisten der Cinque Stelle - sie verlieren Turin und Rom.

Von Oliver Meiler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: