Italien:Linker Kantersieg

Candidate for mayor of Rome Roberto Gualtieri holds a news conference in Rome

Roberto Gualtieri wird neuer Bürgermeister der Hauptstadt.

(Foto: YARA NARDI/REUTERS)

Bei den Kommunalwahlen in Italien gewinnen die Sozialdemokraten alle wichtigen Duelle gegen die vereinte Rechte. Zu den Verlierern zählen auch die Populisten der Cinque Stelle - sie verlieren Turin und Rom.

Von Oliver Meiler, Rom

Fünf zu null. Bei den Gemeindewahlen in Italien gewinnen die Sozialdemokraten in allen fünf großen Städten, die ausgeschrieben waren. Nach Mailand, Neapel und Bologna, wo ihre Bewerber schon im ersten Durchgang gewählt worden sind, kommen nun auch Rom und Turin dazu, wo eine Stichwahl nötig war. 5:0 - vor einigen Monaten hätte dieses Resultat niemand für möglich gehalten. Für die Rechte, die geeint angetreten war, stellt die Teilwahl eine bittere Niederlage dar. Die Ergebnisse stehen im starken Kontrast zu den nationalen Umfragewerten der drei Koalitionäre Lega, Fratelli d'Italia und Forza Italia. Vor allem in Rom schmerzt die Niederlage ganz besonders: Rom ist traditionell eine rechte Hochburg.

Neuer Bürgermeister der Hauptstadt und Nachfolger von Virginia Raggi von den Cinque Stelle wird Roberto Gualtieri, 55 Jahre alt, vom Partito Democratico. Gualtieri war lange Europaparlamentarier und von 2019 bis Februar 2021 italienischer Finanz- und Wirtschaftsminister. Er schlug den Kandidaten der Rechten, Enrico Michetti, so deutlich, dass die Fernsehsender schon kurz nach Schließung der Wahllokale eine klare Prognose wagten. Michetti, ein Anwalt und Dauertalker im römischen Lokalradio "Roma Roma", war dem großen Publikum weitgehend unbekannt, als die Kampagne begann. In den Archiven fand man antisemitische und rassistische Sätze, die er auf dem Sender etwa über Juden oder afrikanische Einwanderer gesagt oder auf deren Homepage geschrieben hatte.

Der Flop der Cinque Stelle ist umfassend

Vorgeschlagen hatte Michetti die Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia, die große Aufsteigerin der vergangenen Monate und einzige Opposition im Land: Giorgia Meloni, selbst Römerin. Sie sah die Wahl in Rom als ihre persönliche Rampe zur Macht, hielt sich schon bereit als mögliche zukünftige Premierministerin Italiens - und sie rechnete sich aus, dass sie ihren politischen Alliierten und Rivalen Matteo Salvini, Chef der Lega, als Anführerin des rechten Lagers ablösen könnte. Nun erleidet sie ihre erste große Schlappe. Michetti war eine abenteuerliche, verrückte Wette. Gualtieri brauchte den improvisierten Kandidaten nur reden lassen: Sein eigener Lebenslauf strahlte dadurch umso mehr.

Auch in Turin siegte bei den Stichwahlen die Linke: Stefano Lo Russo, 45, Geologieprofessor am Politecnico, schlug den Weinunternehmer Paolo Damilano, der von der Lega aufgestellt worden war. Damilano versuchte kurz vor der Wahl, sich von den rechten Parteien zu distanzieren, weil er fürchtete, deren teils extremistische Positionen während der Pandemie würden ihn Stimmen kosten.

Wie in Rom hatte in Turin in den vergangenen fünf Jahren die Protestpartei Cinque Stelle regiert. Die Städte galten als Versuchslabore, als Schaufenster ihrer Fähigkeit, große Städte zu verwalten. Der Flop ist offensichtlich. Chiara Appendino, die bisherige Turiner Bürgermeisterin, präsentierte sich gar nicht erst zur Wiederwahl. Ihr Ersatz gewann nur neun Prozent der Stimmen im ersten Durchgang. Und so gehören auch die Fünf Sterne zu den großen Verlierern dieser Wahlen.

Der frühere Premier Giuseppe Conte, erst seit August Parteichef der Cinque Stelle, erreichte nur in jenen Städten gute Resultate, wo er mit den Sozialdemokraten koaliert hatte, nämlich in Neapel und Bologna. Conte will die Partei nun in der politischen Mitte positionieren, um ihren Niedergang aufzuhalten. Bisher dachte man, Conte schaffe es mit seiner schieren Popularität, die Cinque Stelle aufzurichten. Wahrscheinlich ist es noch zu früh für eine Bilanz: Doch seine bisherige Wirkung ist schwach. Andererseits waren die Cinque Stelle immer schon stärker bei nationalen Wahlen als bei lokalen und regionalen.

Müsste man dem Sieger dieser Wahlen ein Gesicht geben, wäre es das von Enrico Letta, 55, italienischer Premier von 2013 bis 2014. Letta ist erst seit vergangenem März Vorsitzender des sozialdemokratischen Partito Democratico. Von allen Regierungsparteien an der Seite von Premier Mario Draghi sind die "Democratici" die loyalsten. Und diese Nähe zum beliebten Draghi trägt ihnen wohl gerade zusätzliche Gunst ein.

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