Krieg in der Ukraine:G 7 stärken Ukraine demonstrativ den Rücken

Lesezeit: 3 Min.

Kanadas Premierminister Justin Trudeau, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (von links) nehmen von Kiew aus an einer Videokonferenz mit anderen G-7-Staatschefs teil. (Foto: UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SER/via REUTERS)

Am Jahrestag der russischen Invasion versprechen die großen westlichen Staaten der Ukraine weitere Unterstützung. G-7-Vorsitzende Giorgia Meloni und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reisen nach Kiew.

Von Marc Beise, Rom

Vor dem Hintergrund wachsender militärischer Probleme der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer haben die großen westlichen Staaten den Verteidigern weitere Unterstützung zugesagt. Die Staats- und Regierungschefs der führenden westlichen Wirtschaftsnationen besprachen sich am Samstagabend im Rahmen eines sogenannten G-7-Sondergipfels, der teilweise als Video-Schalte stattfand.

Den Vorsitz des informellen G-7-Gremiums hat in diesem Jahr Italien, und dessen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte die Kollegen aus den USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Japan für den zweiten Jahrestag der russischen Invasion zusammengerufen; das übliche jährliche Gipfeltreffen wird im Juni in Italien stattfinden.

Krieg in der Ukraine
:Baerbock zu Besuch in der Ukraine

Aus Anlass des zweiten Jahrestags des russischen Überfalls reist die Außenministerin in die Hafenstadt Odessa, um die Solidarität Deutschlands mit der Ukraine und den fortwährenden Beistand zu bekunden.

Von Paul-Anton Krüger

In der ausführlichen gemeinsamen Abschlusserklärung bekräftigen die Staatslenker ihre dauerhafte Unterstützung für die Ukraine, verurteilen den Angriffskrieg Russlands und weisen dem Putin-Regime die Verantwortung für den Tod des Regimekritikers Alexej Nawalny zu. Wörtlich heißt es: "Er opferte sein Leben im Kampf gegen die Korruption des Kremls und für freie und faire Wahlen in Russland." Die russische Führung wurde aufgerufen, die Verfolgung der politischen Opposition und die systematische Unterdrückung der Menschenrechte der Russen zu beenden.

Die Ukraine könne sich auf die Unterstützung der G 7 verlassen, "solange dies nötig ist", heißt es in der Erklärung. Bei Fortdauer des russischen Angriffskriegs wollen die G 7 den Druck auf Russland noch einmal erhöhen. Zu diesem Zweck wurden zahlreiche Maßnahmen aufgelistet. Der Ukraine wird eine weitere "sicherheitspolitische Unterstützung" versprochen, der Westen wolle seine "Produktions- und Lieferkapazitäten ausbauen". Durch die Sanktionspakete werde der Preis des Krieges für Russland in die Höhe getrieben. Das im Ausland eingefrorene Milliardenvermögen Russlands und seiner Oligarchen bleibe blockiert, bis Russland den Schaden begleiche, den es der Ukraine zugefügt habe. Ausdrücklich erwähnt wird auch der EU-Hilfsfonds über insgesamt 50 Milliarden Euro für die Ukraine, nach Auskunft von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll im März eine erste Tranche von 4,5 Milliarden Euro ausgezahlt werden. Die Hilfe aus der EU ist besonders wichtig angesichts dessen, dass die Republikaner in Washington die US-Hilfen für die Ukraine im Kongress blockieren.

Von der Leyen war mit Meloni und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau sowie dem belgischen Regierungschef Alexander De Croo, der derzeit EU-Ratspräsident ist, am Morgen überraschend mit dem Zug in Kiew angekommen. US-Präsident Joe Biden, der britische Premierminister Rishi Sunak, Bundeskanzler Olaf Scholz und Japans Regierungschef Fumio Kishida schalteten sich aus ihren Ländern zum Treffen in der Sophienkathedrale im Zentrum von Kiew zu.

Macron nimmt nicht an G-7-Treffen teil

Eine Sonderrolle nahm Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron ein. Er sagte seine Teilnahme am Gipfel ab und widmete sich stattdessen der Diskussion mit Bauern auf der Agrarmesse in Paris. Zuvor hatte Macron bilateral mit Biden telefoniert, am Sonntag lud er dann kurzfristig für diesen Montag etwa 20 Staats- und Regierungschefs der EU nach Paris ein zu einem außerordentlichen Ukraine-Unterstützungsgipfel. In Italien wurde das teilweise als gezielte Brüskierung von Meloni gewertet; das Verhältnis der Parteichefin der postfaschistischen Fratelli d'Italia und des liberalen Franzosen gilt als angespannt.

Für Meloni war der Gipfel ihr erster großer Auftritt als G-7-Vorsitzende. In Kiew ließ die Italienerin keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit, der Ukraine weiter zur Seite zu stehen. "Wir garantieren der Ukraine unsere Unterstützung, weil wir glauben, dass sie auch für unsere Freiheit und unsere nationalen Interessen kämpft", sagte Meloni. "Was in den letzten zwei Jahren passiert ist, die immer neuen Krisenausbrüche, das alles ist das Ergebnis dieser Invasion. Wenn die Regeln des internationalen Rechts gebrochen werden, riskieren wir, in eine Welt zu geraten, in der der militärisch Stärkere seinen Nachbarn überfällt."

Dies ist bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass in ihrer aus drei rechten Parteien gebildeten Koalition in Italien und auch in ihrer eigenen Partei, den postfaschistischen Fratelli d'Italia, immer wieder Kritik an der Ukraine zu hören ist und Sympathien für Russland zu erkennen sind, insbesondere Vizekanzler Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega hat sich zuletzt verstärkt so geäußert.

Regierungschefs treffen Selenskij auf dem Flughafen Hostomel

Am Morgen hatten sich die angereisten Regierungschefs mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij zu einer Gedenkfeier auf dem nördlich von Kiew gelegenen Flughafen Hostomel getroffen, von wo aus vor zwei Jahren russische Truppen in einem Überraschungsangriff die ukrainische Hauptstadt Kiew einnehmen wollten und am erbitterten Widerstand der Verteidiger gescheitert waren. Vor der Kulisse zerstörter Fahrzeuge und Flugzeuge zeichnete Selenskij überlebende Veteranen aus und dankte den Verbündeten für die Hilfe beim Abwehrkampf.

Anschließend schlossen Italien und Kanada jeweils ein Sicherheitsabkommen mit der Ukraine. Frankreich und Deutschland haben bereits ähnliche Verträge mit der Ukraine. Kanada werde in diesem Jahr über zwei Milliarden Euro militärische und finanzielle Hilfe leisten, erklärte Selenskij. Meloni sprach nach Medienberichten von einer "Verpflichtung zur sofortigen und verstärkten Zusammenarbeit im Falle eines künftigen Angriffs auf die Ukraine". Das neue Abkommen reiche von der Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigungsindustrie über die Verstärkung des Austauschs in den Bereichen Cyber und Intelligence bis hin zur Unterstützung von Reformen, humanitärer Hilfe und Wiederaufbau.

Selenskij machte zum Jahrestag deutlich, dass sich sein Land niemals geschlagen geben werde. "Jeder normale Mensch will, dass der Krieg endet. Aber niemand von uns erlaubt, dass unsere Ukraine endet." Von der Leyen und Meloni würdigten Mut und Verteidigungswillen der ukrainischen Bevölkerung. Die deutsche Kommissionspräsidentin sagte: "Das tapfere Volk der Ukraine erstaunt die Welt immer wieder." Meloni versicherte: "Ihr seid nicht allein. Die Sicherheit der Ukraine ist die Sicherheit Europas und umgekehrt."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungSicherheitspolitik
:Ihr seid im Krieg und wollt es nicht wahrhaben

Gastkommentar von Timothy Garton Ash

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: