Coronavirus:Die Impfpflicht in Italien wirkt

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Ein Polizist überprüft in Rom den Impfnachweis einer Person, bevor diese in einen Bus einsteigt. Italien hat mit der Kontrolle von Impfnachweisen im öffentlichen Nahverkehr begonnen. (Foto: dpa)

Die Erstimpfungen nehmen zu, vor allen bei über 50-Jährigen. Doch die Regierung hat neben der Impfpflicht noch andere Druckmittel. Wer Bus oder Zug fahren will, braucht jetzt den "Super Green Pass".

Von Oliver Meiler, Rom

In Italien steigen gerade alle Kennzahlen der Pandemie, darunter auch eine, die ein bisschen Zuversicht stiftet. Seit ein paar Tagen nehmen die Erstimpfungen markant zu, so stark wie seit Herbst nicht mehr. Vor allem Menschen mittleren und älteren Jahrgangs stehen an, um sich impfen lassen, was die Regierung in Rom mit der neuen Impfpflicht für über 50-Jährige erklärt.

"Es ist nicht einfach, Skeptiker zu überzeugen", sagt General Francesco Paolo Figliuolo, Sonderkommissar für die Impfkampagne. "Aber wir setzen alles dran." Bald werden die großen Impfstellen im Land auch über Nacht offen sein, sieben Tage die Woche. In der Lombardei, die erneut die meisten Neuinfektionen vermeldet, ist das schon jetzt der Fall. Menschen über 50 erhalten stets Vortritt, mehr als zwei Millionen von ihnen sind noch nicht geimpft. Dosen seien genügend vorhanden, sagt Figliuolo, im Moment insgesamt 27 Millionen. Der Staat, so die Botschaft, kommt seiner Verpflichtung nach. Nun liegt es an den Bürgern.

Italien hat vergangene Woche als erstes großes Land in Europa eine generelle, berufsunabhängige Impfpflicht für eine Altersklasse eingeführt. Premier Mario Draghi rechtfertigte den Schritt damit, dass man mit den über 50-Jährigen den meist gefährdeten Bevölkerungsteil besser schützen und so den Druck auf das Gesundheitswesen verringern wolle. Und das, ohne gleichzeitig die Wirtschaft zu bremsen, die endlich wieder robust zu wachsen begonnen hat.

Zu der strikten Maßnahme sah sich die Regierung durch die emporschnellenden Ansteckungszahlen veranlasst; auch auf den Intensivstationen war der Druck gewachsen, rund 1600 Betten sind derzeit belegt, vor Weihnachten waren es noch 1000. Zwei Drittel der Hospitalisierten sind ungeimpft, ein Drittel ist betagt und vulnerabel. Die Entscheidung hat also eine innere Logik.

100 Euro Geldstrafe für Impfunwillige? Ein Hohn, finden viele

Doch zum ersten Mal in seiner Amtszeit ist Draghi massiv kritisiert worden. Da gab es einerseits Widerstand seiner Regierungspartner Lega und Cinque Stelle, die den Ministerpräsidenten vor einer Impfpflicht für Jüngere stoppten und zu einem Kompromiss drängten. Genau das aber enttäuschte andererseits jene, die eine Impfpflicht für alle Bürger ab 18 Jahren befürworten. Auch die Sanktionen, mit denen die Impfpflicht über 50 durchgesetzt werden soll, stößt auf Kritik. Wer bis 1. Februar nicht mindestens einmal geimpft ist, erhält vom Steueramt automatisch einen Bußgeldbescheid über 100 Euro.

Eine Summe, die vielen wie ein Hohn erscheint. In den sozialen Medien erregte der Post einer jungen Krankenpflegerin Aufsehen, die zu dem Foto ihres müden, von der Schutzmaske gezeichneten Gesichts den Satz schrieb: "100 Euro - das also ist der Preis für unsere Gesundheit, unser Leben." Die Regierung rechtfertigte sich damit, dass die Geldstrafen für Erwerbstätige deutlich höher liegen: Wer vom 15. Februar an am Arbeitsplatz erscheint, ohne geimpft oder seit weniger als sechs Monaten von Covid-19 genesen zu sein, soll für diesen Gesetzesbruch mit 600 bis 1500 Euro büßen. Aber eben: Das gilt nicht für alle.

Die gesetzliche Impfpflicht ist nur ein Weg, um Skeptiker und Gegner davon zu überzeugen, ihre Aversion gegen das Impfen abzulegen. Am Montag sind in Italien eine Reihe weiterer Maßnahmen in Kraft getreten, die das Leben für Menschen ohne "Super Green Pass" radikal einschränken. Öffentliche Transportmittel etwa, ob überregional oder lokal, dürfen nur noch von jenen genutzt werden, die entweder geimpft oder frisch genesen sind. Bisher hatte der normale Green Pass, also 3G, ausgereicht. Wer in Italien jetzt noch ohne Super Green Pass reisen will, kann das nur noch mit seinem privaten Fahrzeug tun.

Eine Ausnahme gewährt die Regierung nur den ungeimpften Bewohnern Dutzender kleiner italienischer Inseln: Oft gibt es dort kein Krankenhaus, zuweilen nicht einmal einen Hausarzt. Dürften diese Menschen keine Fähre mehr nehmen, die einzige Anbindung ans Festland oder die nächstgrößere Insel, wären sie vom Gesundheitswesen abgeschnitten. Die Sondergenehmigung läuft allerdings schon am 10. Februar aus.

Sogar der schnelle Kaffee am Tresen fällt für Ungeimpfte aus

Neu gilt 2G zudem in sämtlichen Hotels und Bed & Breakfasts, das dürfte besonders Besucher aus dem Ausland interessieren. Auch in italienischen Restaurants und Bars werden nur Gäste bedient, die den Super Green Pass vorzeigen können - neuerdings sogar draußen, auf den Terrassen der Lokale. Selbst der schnelle Kaffee am Tresen, eines der wichtigsten Rituale im italienischen Alltag, bleibt Ungeimpften nun versagt.

Wieder begonnen hat indes am Montag der Unterricht, obschon über die Öffnung der Schulen lange und bewegt diskutiert worden war. Italien hatte in der ersten Phase der Pandemie die Schulen viel länger geschlossen gehalten als andere europäische Länder. Um dagegen ein Zeichen zu setzen, will Draghis Regierung sie nun unbedingt offen halten und nur in Notfällen Fernunterricht zulassen. Einfach ist das nicht. 380 000 Schülerinnen und Schüler sowie 80 000 Lehrkräfte sind gerade als positiv Getestete oder Kontaktpersonen in Quarantäne.

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