Israel:Deutschland darf sich bei einer Annexion des Westjordanlands nicht mehr wegducken

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Israelische Soldaten patrouillieren auf einer Straße im Westjordanland. (Foto: dpa)

Die bisherige deutsche Taktik hat in Israel nichts bewirkt und auf palästinensischer Seite ein korruptes, autokratisches System gefördert. Dem Bekenntnis zu einer Zwei-Staaten-Lösung müssen jetzt Taten folgen.

Kommentar von Alexandra Föderl-Schmid

Außenminister Heiko Maas hat es bei seiner kurzen Nahost-Reise zumindest versucht, mit der ihm eigenen "sanften Diplomatie". Er hat ausgesprochen, "dass eine Annexion nicht mit internationalem Recht vereinbar wäre". Damit hat der SPD-Politiker das gemacht, was man bereits bei seinem ersten Besuch in Israel 2018 erwartet hatte, als Maas den Siedlungsbau nicht einmal angesprochen hat. Damals ließ er sich von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einlullen, der Maas für seine Motivation lobte, "wegen Auschwitz in die Politik gegangen" zu sein.

Diesmal setzte der israelische Ministerpräsident wegen der erwarteten Kritik an seinen Annexionsplänen keinen gemeinsamen öffentlichen Auftritt an, was die deutschen Diplomaten genauso akzeptierten wie die Verhinderung eines Treffens mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje in Ramallah. Der Verweis auf Corona war vorgeschoben, denn die Infiziertenzahlen im Westjordanland sind niedriger als in Israel. So gab es nur ein Videogespräch.

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Bei seinem heiklen Besuch kritisiert der Außenminister die Annexionspläne von Palästinensergebieten als unvereinbar mit internationalem Recht. Doch die Frage ist, welches Druckmittel Maas hat.

Von Daniel Brössler, Jerusalem

Niemand hat erwartet, dass nach Maas' Aufruf Israelis und Palästinenser nach sechs Jahren plötzlich wieder verhandeln würden. Dass seine Appelle verpufften, liegt aber auch daran, dass Maas die Folgen einer Annexion nicht klar benennen konnte oder wollte. Ob Netanjahu es bei einem vergleichsweise kleinen Schritt belässt wie der Ausdehnung der Souveränität auf drei Siedlungsblöcke, ob er doch alle 123 Siedlungen annektiert oder gar das Jordantal dazunimmt, scheint noch offen zu sein. Dass aber am 1. Juli eine Entscheidung zu erwarten ist, hat der Premier klargemacht.

Es ist daher naiv, wenn deutsche Diplomaten drei Wochen vor dem Termin mitteilen, man warte, was passiere, dann werde man entscheiden, was zu tun sei. Genauso erstaunt Maas' Aussage, er halte nichts davon, "in Zeiten, in denen Entscheidungen noch nicht getroffen sind, mit Drohungen Politik zu machen". Die Annexion ist nicht mehr eine Frage des Ob, sondern des Wann und Wie. Die deutsche Regierung müsste längst vorbereitet sein. Deutschland ist durch den EU-Vorsitz in einer entscheidenden Rolle.

Möglich sind EU-Sanktionen, die Israel Geld kosten

Die EU-Staaten haben in den vergangenen Jahren an die israelische Regierung appelliert, den Siedlungsbau zu stoppen. Sie haben die palästinensische Führung finanziert. Das hat in Israel nichts bewirkt und auf der palästinensischen Seite ein korruptes, autokratisches System gefördert. Nun ist der Augenblick gekommen, an dem die EU und damit auch Deutschland dem Bekenntnis zu einer Zwei-Staaten-Lösung Taten folgen lassen müssen.

Was ist die EU bereit zu tun, um Netanjahu von seinem Plan abzuhalten? Im Gespräch sind Sanktionen wie ein Ausschluss vom EU-Forschungsprogramm Horizon, durch das Israel seit 2014 insgesamt 1,4 Milliarden Euro bezogen hat. Die Führung in Ramallah zwingt mit der angekündigten Ausrufung eines palästinensischen Staates zu einem Bekenntnis.

Regierungsvertreter in Israel verkündeten bereits, Berlin werde auch bei einer Annexion weder sanktionieren noch anerkennen. Die Frage ist: Was dann? Maas hat darauf keine Antwort gegeben. Deutschland kann sich bei einem Bruch des Völkerrechts nicht mehr auf die "historische Verantwortung gegenüber Israel" berufen und wegducken. Eine Entscheidung ist fällig.

© SZ vom 12.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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