Avi Nissenkorn:Israels Justizminister verteidigt das Recht - auch gegen Netanjahu

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Muss dem eigenen Regierungschef Paroli bieten: Israels Justizminister Avi Nissenkorn. (Foto: imago)

Als klar war, dass Avi Nissenkorn Justizminister wird, atmeten Richter und Staatsanwälte in Israel auf. Sein Amtsvorgänger hatte das Justizsystem attackiert.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Gleich an seinem ersten Arbeitstag als Justizminister musste Avi Nissenkorn den Rechtsstaat verteidigen - gegen den Chef seiner Regierung, Benjamin Netanjahu. Denn Netanjahu stand an diesem Tag erstmals vor Gericht. Er ist als erster amtierender Ministerpräsident in der Geschichte Israels wegen Korruption angeklagt. Netanjahu ließ unmittelbar vor dem Eingang zum Gerichtssaal sein Pult aufstellen, das er als Regierungschef bei seinen Auftritten benutzt. Umgeben von Ministern und Abgeordneten hob Netanjahu zu einer beispiellosen Tirade an: Er sei das Opfer einer Verschwörung, Polizei und Justiz hätten die Anklagen "fabriziert".

Doch der Justizminister Nissenkorn antwortete kurz und in seiner bekannt sachlichen Art auf Twitter: Israel sei gesegnet mit einem Justizsystem, das keine Schlagseite aufweise. "Ich habe keine Zweifel, dass der juristische Prozess basierend auf Fakten und in einer fairen Weise abgehalten wird."

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Als klar war, dass Nissenkorn in der nach monatelangem Tauziehen gebildeten Regierung das Justizressort übernimmt, wurde diese Personalentscheidung von Richtern und Staatsanwälten mit Erleichterung aufgenommen. Denn sein Vorgänger Amir Ohana hatte das Justizsystem ganz im Sinne seines Mentors Netanjahu attackiert, unterstützt von zahlreichen Politikern der rechtsnationalen Likud-Partei.

Starkes Engagement in sozialen Fragen

Nissenkorn war zunächst für den Posten des Sozial- und Finanzministers gehandelt worden, denn vor seinem überraschenden Wechsel in die Politik vor einem Jahr war er Vorsitzender der israelischen Gewerkschaft Histadrut. Nissenkorn soll auch mit einem Einstieg in die Arbeitspartei geliebäugelt haben, zu der die Gewerkschaft starke Verbindungen unterhält. Dann gab er dem Werben von Benny Gantz nach. Von Nissenkorns Nominierung auf Listenplatz fünf erhoffte sich das blau-weiße Bündnis, in linken Kreisen Wählerstimmen zu gewinnen.

Nissenkorn ist bekannt für sein starkes Engagement in sozialen Fragen. Den 53-jährigen verheirateten Vater von zwei Kindern, der in Hod Hascharon lebt, treiben persönliche Erfahrungen an: Sein jüngerer Sohn Ron leidet unter einer schweren Form von Epilepsie. Er selbst wurde in Afula als Sohn von zwei aus Polen stammenden Holocaust-Überlebenden geboren, die als Ärzte arbeiteten. Sie gaben ihm die Vornamen Abraham Daniel, doch genannt wird er nur Avi. In jungen Jahren lief er als Leichtathlet vielen davon: Er nahm 1986 an der Juniorenweltmeisterschaft in Athen teil, die 200 Meter rannte er in der beachtlichen Zeit von 21,93 Sekunden.

Den Militärdienst absolvierte er als Sportlehrer, danach entschied sich Nissenkorn für ein Jurastudium. Er spezialisierte sich auf Arbeitsrecht. Nach dem Studium an der Tel Aviv University pendelte er zwischen Jobs in Anwaltsfirmen und dem Gewerkschaftsbund. Seine Wahl zum Vorsitzenden wurde 2014 von einem Politiker der Arbeitspartei wegen angeblicher Verfahrensfehler angefochten. Das Oberste Gericht sah als letzte Instanz jedoch keinen Grund zum Einschreiten.

Kritiker bemängeln zu wenig Einsatz für den Niedriglohnsektor

Als Gewerkschaftschef werden Nissenkorn Verdienste in Zusammenhang mit der Verbesserung der Situation von Leiharbeitern und bei der Anhebung des Mindestlohns angerechnet. Kritiker werfen ihm vor, zu wenig für Beschäftigte im Niedriglohnsektor getan zu haben.

Wie Benny Gantz, so hatte auch Nissenkorn versprochen, nie in eine von Netanjahu geführte Regierung einzutreten. Er tat es dennoch. Als Justizminister kann er nun den nächsten Generalstaatsanwalt ernennen und auch Richter, die mit ihrer Amtsführung das Justizsystem in Israel prägen. In der Knesset hat er als Vorsitzender des Geschäftsordnungsausschusses bereits Versuche Netanjahus abgewehrt, sich Immunität zu verschaffen. Diesen Kampf führt er an einer Schlüsselposition im Kabinett weiter. Seine wichtigste Aufgabe ist es, den Rechtsstaat zu verteidigen.

© SZ vom 05.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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