Wie sehr der Krieg in Gaza die ganze Welt in Mitleidenschaft zieht, kann man auch daran erkennen, dass von den 224 Geiseln, die sich weiterhin in der Hand der Hamas befinden, 54 Thailänder sind. Sie sind damit die mit Abstand größte Gruppe ausländischer Staatsangehöriger, die vom Hamas-Terror betroffen sind - und das, obwohl ihre Heimat etwa 7000 Kilometer vom Konflikt entfernt liegt.
Am Bangkoker Flughafen Suvarnabhumi, wo sonst die Urlauber aus aller Welt im Minutentakt landen, kommen nun die Särge der 33 Thailänder an, die beim Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober umgebracht wurden. Dazu die vielen Rückführungsflüge, die mehr als etwa 8500 heimkehrwillige Gastarbeiter aus Israel zurück nach Hause bringen sollen. Rund 30 000 waren dort insgesamt zum Zeitpunkt der Attacke tätig.
Viele Thailänder arbeiten auf den Feldern im Süden Israels
Thailands Premierminister Srettha Thavisin forderte bereits am Montag alle thailändischen Arbeitnehmer noch mal eindringlich dazu auf, Israel zu verlassen, "alle Militär-, Außen- und Sicherheitsbehörden bestätigten, dass die Intensität des Kriegs wahrscheinlich stark steigen und er auf benachbarte Länder übergreifen wird", sagte Srettha bei einer Pressekonferenz.
Die Thailänder, die auf den Feldern die Arbeit verrichten, werden in Israel "die arbeitenden Hände" genannt und stellen die größte Gruppe unter den Arbeitsmigranten. Sie gelten als günstige Arbeitskräfte und haben im Landwirtschaftsbereich die Palästinenser ersetzt, die in den vergangenen Jahren zunehmend schwerer an Bewilligungen kamen. Als die Hamas-Terroristen den Grenzzaun durchbrachen, arbeiteten rund 5000 Thailänder auf den Feldern oder hielten sich in ihren Unterkünften in den Orten entlang des Gazastreifens auf.
Die Gegend um den Gazastreifen gilt als der Gemüsegarten Israels, rund 75 Prozent der für den Bedarf im Land benötigten landwirtschaftlichen Produkte wachsen hier. In Israel steigt nun die Sorge, dass diese Terrorattacke die Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte. Denn rund die Hälfte der ausländischen Arbeitskräfte will Israel nun verlassen.
"Bald werden wir nichts mehr zu essen produzieren können", erklärte Orit Astrachan, die auf die Vermittlung von Arbeitskräften für die Landwirtschaft spezialisiert ist, in der Times of Israel. Denn dass Palästinenser nun wiederum Thailänder als Arbeitskräfte auf den Feldern ersetzen, gilt nach den jüngsten Ereignissen als ausgeschlossen - weil Israel noch restriktiver mit Arbeitsbewilligungen insbesondere für Palästinenser aus dem Gazastreifen umgehen wird.
Viele Gastarbeiter wissen nicht, was sie zu Hause tun sollen
Insgesamt haben mehr als die Hälfte der Geiseln der Hamas ausländische Pässe. Es sind unter anderem auch fünf Personen aus Nepal und zwei von den Philippinen darunter. Keine dieser Geiseln besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft. Die Philippiner seien in der Pflege aktiv gewesen, teilten israelische Organisationen mit.
Hier bildet sich der Kreislauf der Arbeitsmigration in Südostasien ab. Die qualifizierten Arbeitskräfte aus Thailand oder den Philippinen gehen dorthin, wo sie am meisten Geld verdienen können, also beispielsweise in die Vereinigten Arabischen Emirate - oder eben nach Israel. Wohingegen in Thailand viel Landwirtschaft und Arbeit am Bau von den noch günstigeren Arbeitskräften aus Laos oder aus dem vom Bürgerkrieg gebeutelten Myanmar erledigt werden.
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"Bitte kommt zurück", sagte Premierminister Srettha in einer Botschaft an seine Landsleute, die über alle Nachrichtenkanäle verbreitet wurde. "Die Verwandten hier, bitte überzeugen Sie sie, Israel zu verlassen. Jetzt, solange ihre Rückkehr noch möglich ist. Wenn die Bodenkämpfe beginnen, wird es schwierig werden." Doch viele Gastarbeiter wissen nicht, was sie zu Hause tun sollen, wenn sie Israel verlassen.
Die thailändische Regierung hat zwar versprochen, die ausgelobte Rückkehr-Prämie von 15 000 Baht pro Monat (392 Euro) noch einmal zu erhöhen und sicherzustellen, dass es Jobs für die Arbeiter gibt. Doch am Dienstag meldete die Bangkok Post, dass die Lohnzahlungen in Israel angeblich verzögert würden - womöglich, um die Arbeiter im Land zu halten. Srettha habe beim israelischen Botschafter interveniert, auch um sicherzustellen, dass den Arbeitern keine Prämien angeboten werden, um in Israel zu bleiben. Und dort womöglich ihr Leben zu riskieren.