Am Montagabend kurz vor Mitternacht hat Israels Premierminister Naftali Bennett wieder mal eine Kneipe aufgesucht. So entspannt, wie das eben geht - ohne Krawatte, aber mit reichlich Personenschutz -, mischte er sich unter die Gäste in der prall gefüllten Ilka-Bar. Doch natürlich war er nicht zum Feierabend-Bier gekommen, sondern er wollte eine Botschaft mit besonderen Bildern unterstreichen. "Wir werden unseren Feinden nicht erlauben, unser Leben zu stoppen", sagte er. "Wir kehren zurück ins Leben, und gleichzeitig bekämpfen wir sie an ihren Orten und in ihren Hochburgen."
Vier Tage lang war die Ilka-Bar auf der Tel Aviver Dizengoff Street geschlossen gewesen, nachdem dort am vorigen Donnerstag ein palästinensischer Attentäter drei Gäste erschossen und ein Dutzend weitere verletzt hatte. Es wurde aufgeräumt und die Wiedereröffnung mit israelischer Trotzdem-Mentalität als Zeichen an die Terroristen inszeniert, dass man sich auch von der neuesten Terrorwelle nicht beeindrucken lasse.
Angesichts von vier Anschlägen innerhalb von zwei Wochen mit insgesamt 14 unschuldigen Todesopfern ist es jedoch keine leichte Aufgabe für den Regierungschef, den Bürgern das verlorene Gefühl von Sicherheit wiederzugeben - zumal die Geheimdienste warnen, dass weitere Anschläge folgen werden. Bennett setzt deshalb auf unverbrüchliche Stärke, in Worten und in Taten.
In gleich mehreren TV-Interviews kurz vor dem Bar-Besuch hatte er die Angreifer ins Visier genommen. "Wir kämpfen seit mehr als 100 Jahren gegen den arabischen Terrorismus", erklärte er. "Wir werden auch diesmal siegen, so wie immer." Zur gleichen Zeit setzte die israelische Armee ihre Razzien im Westjordanland fort, wo seit Tagen Häuser durchsucht und Terrorverdächtige verhaftet werden.
Mit Messern und Molotowcocktails
Der Armee-Einsatz konzentriert sich vor allem auf das nördliche Westjordanland rund um die palästinensische Stadt Dschenin. Aus dieser Gegend waren die Attentäter der beiden jüngsten Anschläge in Bnei Brak und in Tel Aviv gekommen. Vor allem das Flüchtlingslager von Dschenin gilt als Hochburg des Islamischen Dschihad. Die in Ramallah regierende Palästinensische Autonomiebehörde von Präsident Mahmud Abbas hat dort längst die Kontrolle verloren, und auch die israelische Armee dringt nur unter besonderen Umständen in dieses Wespennest vor.
Immer wieder ist es bei den Armee-Einsätzen in den vergangenen Tagen zu Feuergefechten oder Angriffen mit Messern oder Molotowcocktails gekommen. Berichten zufolge wurden dabei im Westjordanland mindestens fünf Palästinenser getötet. Verteidigungsminister Benny Gantz hat verkündet, dass es "keine Restriktionen für den Einsatz von Gewalt" für die Truppen gebe. Dies birgt auf beiden Seiten die Gefahr der unkontrollierbaren Eskalation.
Bange Blicke richten sich deshalb zum einen auf Jerusalem, wo der muslimische Fastenmonat Ramadan im Gegensatz zu vorigem Jahr bislang jedoch weitgehend ruhig verläuft. Zum anderen gilt das Augenmerk dem Gazastreifen. Häufiger schon haben die radikalen Palästinensergruppen Hamas oder Islamischer Dschihad auf die Tötung ihrer Kämpfer mit Raketenbeschuss auf Israel reagiert - und das kann schnell in einen Krieg hineinführen. Doch auch an dieser Front ist es bislang ruhig geblieben.
Mit dem Militäreinsatz setzt Israel auf Abschreckung. Zudem wird die Stadt Dschenin, die vor allem vom Handel lebt, gezielt mit harten wirtschaftlichen Sanktionen belegt. Israelischen Arabern wird der Zutritt nach Dschenin verboten, zudem dürfen Geschäftsleute aus der Stadt nicht mehr nach Israel. Kritiker warnen jedoch, dass dies kontraproduktiv sein und eine kollektive Bestrafung neue Gewalt provozieren könnte.
Wie schwer es für die Regierung ist, in dieser heiklen sicherheitspolitischen Lage Entscheidungen zu treffen, zeigt auch der Beschluss zum Ausbau des Grenzwalls zum Westjordanland. Um Lücken und Löcher zu schließen, hat das Sicherheitskabinett nun umgerechnet mehr als 100 Millionen Euro bereitgestellt. Normalerweise wird diese Anlage scharf von israelischen Linken und der internationalen Gemeinschaft kritisiert. Nun aber ereifern sich die radikalen Rechten. Sie unterstellen Bennett, die Zeiten der Osloer Friedensverträge wiederbeleben zu wollen. Denn die Mauern und Zäune würden nicht die Sicherheit erhöhen, sondern das biblische Judäa und Samaria unrechtmäßig von Israel abtrennen.