Krieg in Gaza:"Jetzt ein Besuch in Israel? Ja, gerade jetzt!"

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der israelische Präsident Isaac Herzog (re.) am Sonntag in Jerusalem. (Foto: Bernd von Jutrczenka/DPA)

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fliegt mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas in den Nahen Osten - um Solidarität mit einem Land zu demonstrieren, das "um seine Existenz kämpft". Aber er hat noch eine zweite Botschaft dabei.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es ist eine ungewöhnliche Reise. Das zeigt sich schon daran, dass der Bundespräsident nicht allein unterwegs ist. Frank-Walter Steinmeier ist am Sonntag zusammen mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas nach Israel geflogen. Es ist eine demonstrative Geste der beiden höchsten Repräsentanten Deutschlands.

Auch im Schloss Bellevue wissen sie, dass mit zunehmender Kriegsdauer die internationale Unterstützung für Israel schwindet. "Jetzt ein Besuch in Israel? Ja, gerade jetzt!", sagt Steinmeier deshalb. Er fahre nach Israel, um Deutschlands "fortgesetzte Solidarität zu versichern - Solidarität nicht nur mit Israel als Opfer des Terrors, sondern auch mit Israel, das sich wehrt".

Der Präsident beklagt das "große Leid" unter Zivilisten

Das mag eine schwierige Reise sein, hat der Bundespräsident vor seinem Abflug in einer Videobotschaft gesagt. Aber sie sei notwendig. Israel stehe "in den Augen der Welt inzwischen nicht mehr in erster Linie als verwundet und überfallen da". Er fahre in ein Israel, das sich nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober "wehrt, das um seine Existenz kämpft" - ein "Israel, das für genau diese Gegenwehr immer mehr auch in der Kritik der Weltöffentlichkeit steht".

Das viel beschworene Existenzrecht Israels beinhalte aber auch "das Recht auf Selbstverteidigung, wenn die Existenz bedroht ist", sagt Steinmeier. Darum kämpfe Israel in diesen Tagen, "es ist ein Krieg gegen die Hamas, aber es ist auch ein Kampf um Israels innerstes Versprechen: nie wieder wehrlos".

Der Bundespräsident kommt allerdings auch mit einer zweiten Botschaft nach Israel. Und die kann man als zurückhaltend vorgetragene, aber klare Aufforderung an die israelische Regierung verstehen. Auch in diesem Krieg müssen humanitäre Regeln eingehalten werden, verlangt Steinmeier. Der Kampf bringe "großes Leid" unter Zivilisten. Jede Vorkehrung, diese aus der Schusslinie zu bekommen, sei deshalb notwendig. Das gelte auch für die Versorgung mit dem Lebenswichtigsten. Das verlange "das humanitäre Völkerrecht, und das erwarten auch wir Deutschen".

Die Reise führt weiter in zwei arabische Staaten

Der Kampf, den Israel jetzt führe, dürfe "nicht jede Chance auf eine Verständigung in der Zukunft vergiften - er darf nicht eine neue Generation der Verzweifelten hervorbringen", sagt der Bundespräsident. Thema bei seinen Gesprächen in Israel werde deshalb auch sein, wie während der Feuerpausen Menschen aus den Gefahrenzonen heraus- und Hilfsgüter hineingelangen können. Deutschland stehe bereit, "um mitzuhelfen, Kranke und Kinder zu evakuieren".

Auf dem Programm von Steinmeier und Bas standen am Sonntag ein Gespräch mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog und eine Begegnung mit Angehörigen entführter Geiseln. An diesem Montag will sich Steinmeier mit Premierminister Benjamin Netanjahu treffen. Vorgesehen ist außerdem eine Fahrt in ein Kibbuz sowie ein Besuch des Auguste-Viktoria-Krankenhauses in Ost-Jerusalem - in ihm werden fast 100 palästinensische Patienten behandelt.

Nach seinem Besuch in Israel reist der Bundespräsident in zwei arabische Staaten weiter. Am Dienstag fährt er auf Einladung des Sultans nach Oman, er wird dort in Maskat und Nizwa Station machen. Am Mittwoch will Steinmeier in Doha den Emir von Katar treffen.

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Mit dem Sultan und dem Emir will der Bundespräsident über den neuen Nahostkonflikt und den Ausweg daraus beraten. Katar hat enge Kontakte zur Hamas und ist bei der Freilassung der nach Gaza verschleppten Geiseln ein wichtiger Vermittler. Er wolle in Katar darüber sprechen, wie die Verhandlungen jetzt weitergehen könnten, sagt Steinmeier. "Der Weg zur Beendigung des Kampfes wird und kann nur über die Freilassung der Geiseln führen. Aller Geiseln!"

Für einen dauerhaften Frieden ist nach Ansicht des Bundespräsidenten aber die sogenannte Zwei-Staaten-Lösung notwendig. Er gesteht allerdings selbst ein, dass die Idee der zwei Staaten "in den vergangenen Jahren vor allem eine Geschichte der verpassten und vertanen Chancen" gewesen sei. Schuld daran sei auch die internationale Gemeinschaft und die Ausweitung israelischer Siedlungen im Westjordanland gewesen. Der Hinweis auf die Siedlungen ist dann wieder eine - wenn auch leise - Kritik an der israelischen Regierung.

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