Gerasselt wird mit Säbeln, gedroht mit Drohnen und Raketen: Zwischen Iran und Israel eskaliert der alte Krieg der Worte, und alle Seiten rüsten sich gerade demonstrativ für eine direkte militärische Auseinandersetzung. Unausweichlich erscheint das trotz - oder sogar wegen der dröhnenden Rhetorik - noch nicht. Aber die Nachrichtenagentur Bloomberg meldet bereits unter Berufung auf amerikanische Sicherheitskreise, dass ein iranischer Angriff auf israelische Ziele unmittelbar bevorstehen könnte. Weltweit sind Politiker alarmiert. Israels Bevölkerung reagiert mit einer Mischung aus Fatalismus und Hamsterkäufen.
Auslöser der aktuellen Hochspannung war ein Angriff, der der israelischen Luftwaffe zugeschrieben wird und bei dem Anfang April ein zur iranischen Botschaft gehörendes Gebäude im Diplomatenviertel von Damaskus zerstört wurde. Unter den Trümmern begraben wurden dabei sieben Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden. Darunter war auch General Mohammad Reza Zahedi, der als langjähriger Verbindungsmann von Iran nach Syrien und Libanon auch die Waffenlieferungen an die dortigen Verbündeten organisiert hatte.
Seit Jahren schon liefern sich die Erzfeinde einen Schattenkrieg
Seither ist kein Tag mehr vergangen ohne iranische Drohungen in Richtung Israel. Höchste Beachtung fand in dieser Woche eine Predigt des Religionsführers und Staatsoberhaupts Ayatollah Ali Chamenei zum Ende des Ramadan, in der er wie üblich Israel nicht beim Namen nannte. "Das boshafte Regime hat einen Fehler gemacht", wetterte er. "In diesem Fall muss es bestraft werden und wird bestraft werden."
Israels Antwort darauf kam von Außenminister Israel Katz. "Wenn Iran von seinem eigenen Territorium aus angreift, wird Israel reagieren und Iran angreifen" schrieb er auf X - erst auf Hebräisch und dann noch einmal auf Farsi für die unmittelbaren Adressaten in Teheran. Ähnlich entschlossen hatten sich zuvor schon Verteidigungsminister Joav Gallant sowie Premier Benjamin Netanjahu geäußert. Und gewiss ist es auch kein Zufall, dass am Donnerstagmorgen das Armeeradio eine groß angelegte Übung der Luftwaffe bekannt machte, bei der für Angriffe auf weiter entfernte Ziele trainiert worden sei.
Neu allerdings sind all diese Wortgefechte und auch die Gefahren einer Eskalation nicht. Seit Jahren schon liefern sich die beiden Erzfeinde einen Schattenkrieg. Aus israelischer Sicht stand dabei vor allem der Kampf gegen das iranische Atomprogramm im Mittelpunkt. Seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober aber hat sich der Fokus verschoben.
Schließlich ist das Regime in Teheran nicht nur Finanzier der palästinensischen Islamisten-Truppen, sondern hat eine sogenannte Achse des Widerstands gegen Israel geschmiedet. Sofort mit dem Kriegsbeginn in Gaza hat es diese Hintersassen in Stellung gebracht, um Israel an weiteren Fronten unter Druck zu setzen: vor allem durch tägliche Angriffe der Hisbollah an Israels Nordgrenze zum Libanon, aber auch durch die Huthi in Jemen und Verbündete in Syrien und Irak.
Krieg in Nahost:Iran: Mutmaßlich israelischer Angriff "nicht der Rede wert"
Die Islamische Republik will den Konflikt nach eigenen Angaben nicht weiter eskalieren. Der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes tritt zurück.
Weicht Iran von seinem bisherigen Kurs ab?
Der mutmaßliche israelische Angriff auf die Revolutionsgarden im Botschaftsviertel von Damaskus muss als deutliches Zeichen dafür gewertet werden, dass Israel nun auch die Drahtzieher aus Teheran ins Visier nimmt. Die Frage ist, ob Iran deshalb vom bisherigen Kurs abweicht und Israel direkt attackiert, statt es vor allem über die Verbündeten zu treffen. Das Teheraner Regime würde damit ein erhebliches Risiko eingehen.
Bislang ist es den Iranern nach dem 7. Oktober gelungen, selbst im Hintergrund zu bleiben und im Schatten des Krieges das Atomprogramm voranzutreiben. Auch jetzt hat Teheran immer noch die Option, zum Beispiel über die Hisbollah zu antworten und damit allein die israelisch-libanesische Front anzuheizen. Eine andere Vergeltungsmöglichkeit wäre ein Angriff auf israelische Botschaften im Ausland. Doch Ayatollah Chamenei selbst lieferte nun auch einen Hinweis, dass in diesem Fall Iran direkt gegen Israel vorgehen könnte: Er bezeichnete den Angriff auf das Botschaftsgebäude in Damaskus als direkten Angriff auf iranisches Territorium.
Wie ernst das in Washington genommen wird, zeigen jüngste Äußerungen von US-Präsident Joe Biden. Öffentlich und deutlich bekundete er die Rückendeckung für Israel "gegen diese Bedrohung durch Iran und seine Stellvertreter". Diese Unterstützung sei "eisern", sagte er - und schob nach: "Lassen Sie es mich noch einmal sagen: eisern."
In Israel selbst kommt zum Krieg in Gaza und der latenten Kriegsgefahr an der libanesischen Grenze nun noch die Bedrohung aus Iran. Die meisten nehmen das erschöpft zur Kenntnis, manche decken sich mit Wasser und Lebensmittelvorräten ein. Für wachsende Unruhe wird stets gesorgt - zum Beispiel durch den Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, der nach sechs Monaten Krieg warnte, "das Schlimmste kann noch kommen". Oder durch den Bürgermeister von Aschdod, der die 250 000 Einwohner der Stadt bereits mit Notfall-Instruktionen für den Fall eines iranischen Angriffs aufschreckte.