Atomstreit mit Iran:Provokation mit ungewissem Ausgang

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Freundschaftlicher Ellbogen-Check. Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif empfängt seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow zu Gesprächen in Teheran. (Foto: Russian Foreign Ministry Press Service/dpa)

Trotz einer Attacke auf seine wichtigste Atomanlage will Iran indirekte Verhandlungen mit den USA fortsetzen - und gleichzeitig Uran womöglich auf 60 Prozent anreichern. Das dürfte die weiteren Gespräche deutlich erschweren.

Von Paul-Anton Krüger, München

Glaubt man dem iranischen Außenminister Mohammad Dschawad Sarif, hat Israel seinem Erzfeind quasi einen Gefallen getan. Sollte die Explosion in der wichtigsten Atomanlage des Landes zum Ziel gehabt haben, die indirekten Verhandlungen mit den USA über eine Aufhebung der Sanktionen und die Rückkehr zum Atomabkommen von 2015 zu sabotieren, habe sich Israel "verzockt". Die Attacke werde Teherans Position nur stärken, nicht schwächen, sagte der Chefdiplomat am Dienstag. Und wenig später meldeten Staatsmedien, sein Vize Abbas Araghchi sei wie geplant zu den Gesprächen in Wien abgeflogen.

Was Sarif genau gemeint haben könnte, lässt ein Bericht der iranischen Nachrichtenagentur Isna erahnen: Iran werde nach dem Angriff auf die Urananreicherungsanlage in Natans den Grad der Anreicherung auf 60 Prozent erhöhen. Davon solle Araghchi auch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA in Kenntnis setzen. Sollte Teheran diesen Schritt umsetzen, dürfte das in den USA wie auch in Europa als schwerwiegende Provokation aufgefasst werden und die Gespräche deutlich erschweren. Iran hat bis jetzt Uran auf knapp 20 Prozent angereichert. Für den Bau von Atomwaffen sind 90 Prozent erforderlich, im Atomabkommen sind daher lediglich 3,67 Prozent erlaubt, die für Brennstäbe in Kraftwerken üblich sind.

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Teheran macht Jerusalem für die Attacke auf eine Atomanlage verantwortlich. Iran sieht darin auch den Versuch, indirekte Verhandlungen mit den USA über ein Ende der Sanktionen zu torpedieren.

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Sarif konnte sich überdies der Unterstützung seines russischen Kollegen versichern. "Wir unterstützen die Verhandlungen in Wien und verurteilen alle Versuche, diese höchst wichtigen Gespräche zu stören", sagte Sergej Lawrow. Moskau sieht ähnlich wie Iran die USA in der Pflicht, Sanktionen aufzuheben, um eine Rückkehr zu dem Abkommen zu ermöglichen. Russlands und Chinas Haltung, die beide die Verhandlungen in Wien befürworten und in den indirekten Gesprächen durch Diplomaten vertreten sind, hat in Iran Gewicht. Mit beiden Ländern strebt die Regierung umfassende Kooperationen an, mit Peking hat sie dazu jüngst ein Abkommen geschlossen.

Das Ausmaß der Schäden ist unklar

Über das Ausmaß der Schäden in Natans gibt es nach wie vor keine unabhängig bestätigten Informationen. Dagegen wurden Details zu dem Sabotageakt bekannt. Im iranischen Fernsehen sagte der Abgeordnete Fereidun Abbassi Dawani, sowohl die normale Stromversorgung als auch die Notstromversorgung seien Ziel der Attacke in einem 40 bis 50 Meter unter der Erde gelegenen Teil der Anlage gewesen. Abbasi ist selbst Nuklearwissenschaftler und war einem Attentat nur knapp entgangen, das Iran wie die Sabotage in Natans dem israelischen Geheimdienst Mossad anlastet. Präsident Mahmud Ahmadinedschad machte ihn daraufhin zum Chef der Iranischen Atomenergie-Organisation.

Die New York Times berichtet, dass der Angriff mit einem ferngezündeten Sprengsatz verübt worden sei, der in die Anlage geschmuggelt wurde, nicht wie vielfach vermutet durch eine Cyberattacke. In Teheran hatten Hardliner gefordert, die Regierung von Präsident Hassan Rohani müsse die Gespräche in Wien abbrechen. Das könnte aber auch ein Manöver sein, um davon abzulenken, dass es dem iranischen Sicherheitsapparat zum wiederholten Mal nicht gelungen ist, eine Attacke auf eine der gut geschützten Atomanlagen des Landes zu verhindern.

Die EU verhängte unterdessen Sanktionen gegen Kommandeure der Revolutionsgarden und andere Verantwortliche für die brutale Niederschlagung von Protesten im November 2019.

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