Innere Sicherheit:"Der Innenminister bedroht uns mit dem Untergang"

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Innenminister de Maizière will durch eine Fusion von Bundeskriminalamt und Bundespolizei eine Art deutsches FBI formen. BKA-Mitarbeiter sind entsetzt - und drohen in internen E-Mails mit Rebellion.

Heribert Prantl

Gegen die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière geplante Fusion von Bundeskriminalamt und Bundespolizei formiert sich massiver Widerstand - sowohl bei den Innenministern der Länder als auch bei den Polizeigewerkschaften. Im Bundeskriminalamt herrscht Entsetzen; dort bereitet sich, so sagt ein Insider, "ein Aufstand" gegen die Fusionspläne vor.

Setzt sich der Bundesinnenminister durch, wird das Bundeskriminalamt künftig vom Bundespolizeipräsidium in Potsdam dirigiert. (Foto: dapd)

In einer hausinternen Resolution, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es, das BKA befinde sich "in Schockstarre". Die Resolution zitiert den Bundesinnenminister, der von der schwersten terroristischen Bedrohungslage seit Jahren spreche und wirft ihm dann vor: "Inmitten dieser Bedrohungslage bedroht er das BKA mit Untergang." So einfach aber "lassen wir 60 Jahre BKA nicht vernichten".

Dieser hausinternen Kritik schloss sich Bernhard Witthaut an. Der neue Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei - die GdP ist die größte Polizeigewerkschaft in Deutschland - verwies im Gespräch mit der SZ auf den Anschlag in Stockholm. Witthaut hält es für katastrophal, wenn in einer Zeit hochangespannter Sicherheitslage mit einem Vorhaben, das "fachlich und sachlich ein Unding" sei, so viel Unruhe in die Polizei getragen werde.

Die Kollegen beim BKA seien "in heller Aufregung", nicht nur ihrer eigenen Zukunft wegen, sondern auch wegen der Zukunft des Bundeskriminalamts insgesamt, sagte Witthaut. "Das BKA hat international einen hohen Stellenwert. Dieser Ruf wird durch die Fusionspläne in Frage gestellt", klagte er. Diese Reform, so der Chef der GdP, "brauchen wir ganz gewiss nicht. Wir haben genug andere Probleme."

"Neue Rivalitäten"

Nach den Plänen der Werthebach-Kommission, die sich der Bundesinnenminister zu eigen gemacht hat, soll das BKA mit seinen 5500 Beschäftigten in die Bundespolizei (40.000 Beschäftigte) eingegliedert werden. Das BKA soll mit seiner Abteilung SO (Schwere und Organisierte Kriminalität) und der Abteilung ST (Polizeilicher Staatsschutz) zur ersten von vier Säulen der neuen Bundespolizei werden. Alle anderen bisherigen BKA-Abteilungen werden auf Abteilungen der Bundespolizei verteilt. Das Bundeskriminalamt in seiner jetzigen Form wird es dann nicht mehr geben; die Wiesbadener Polizeibehörde wird dann vom Bundespolizeipräsidium in Potsdam dirigiert. Und der bisherige Präsident des Bundeskriminalamts wird quasi zu einem Abteilungsleiter der neuen Bundespolizei.

Die Länderinnenminister reagieren abweisend, sie fürchten um die im Grundgesetz vorgeschriebene Polizeihoheit der Länder. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte der Süddeutschen Zeitung, die Pläne seien "sehr ungut". Die geplante Fusion schaffe "neue Rivalitäten" zwischen den Polizeien von Bund und Ländern und sie setze die eingespielten polizeilichen Kooperationen aufs Spiel. Herrmann befürchtet den Aufbau von Parallelzuständigkeiten der Polizeien von Bund und Ländern; das sei auch angesichts knapper Ressourcen gefährlich. Die Fusion bringe nichts - "nur mehr Macht des Bundes", sagte der bayerische Innenminister.

Man solle zwar nicht bei jeder Gelegenheit von den Gefahren der Vergangenheit reden. Aber es habe schon seinen "guten Grund", warum nach NS-Diktatur und Krieg die deutsche Polizei föderal aufgebaut worden sei. Die Geschichte der Länderpolizeien in den vergangenen Jahrzehnten sei eine Erfolgsgeschichte, die man nicht aufs Spiel setzen dürfe. Ähnlich scharf ablehnend hat sich Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) geäußert: "Es handelt sich um den falschen Traum einer Zentralpolizei, die weniger Sicherheit zur Folge hätte", sagte er.

Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts seit 2004, kann sich gegen die Reform öffentlich nur verhalten wehren: Er ist politischer Beamter, muss also Wohlverhalten zeigen oder ansonsten mit seiner Entlassung durch den Bundesinnenminister rechnen. Sein Vorgänger Ulrich Kersten ist entlassen worden - allerdings nicht, weil er dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily widersprochen hätte, sondern weil er dessen Pläne zum Umzug wichtiger Teile des BKA nach Berlin so offensiv unterstützt hatte, dass sich die BKA-Mitarbeiter in Wiesbaden und Meckenheim von ihm im Stich gelassen fühlten.

Es gab vor sieben Jahren einen internen Aufstand im BKA und eine denkwürdig-empörte Personalversammlung, bei der Kersten und Schily Rede und Antwort stehen mussten. Es kam sogar zu Demonstrationen in der Innenstadt von Wiesbaden - auch gegen den BKA-Präsidenten Kersten. Schily musste erkennen, dass der Präsident selbst bei den leitenden Beamten des Bundeskriminalamts keinen Rückhalt mehr hatte und berief ihn im Februar 2004 ab. Nachfolger wurde Jörg Ziercke, damals Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium von Schleswig-Holstein.

Spezialisten gegen Allrounder

Auf diesen Vorgang spielen E-Mails an, die innerhalb des BKA kursieren, wenn dort vom internen Aufstand die Rede ist: "Wir haben Erfahrung mit so etwas!" Auch Verschwörungstheorien sind im Umlauf: Unter BKA-Mitarbeitern gibt es die Befürchtung, dass Ulrich Kersten, "der geschasste Ex-Präsident des BKA, noch eine Rechnung (Anmerkung: mit dem Haus und seinen gegen ihn rebellierenden Mitarbeitern) offen hat" und sich nun auf diese Weise räche. Kersten war eines der Mitglieder der Werthebach-Kommission; er war in der sechsköpfigen Kommission der einzige BKA-Experte.

Die Rivalitäten zwischen BKA und Bundespolizei, dem früheren Bundesgrenzschutz, sind in Polizeikreisen sprichwörtlich. Beim BKA handelt es sich um eine Kriminalpolizei, also um eine Polizei, die Verbrechen aufklärt. Die Bundespolizei ist ihrem Ursprung nach eine Schutzpolizei, also eine Polizei, die Straftaten verhindert. Die Ausbildung für beide Polizeieinheiten ist sehr verschieden.

Die BKA-Beamten sind hochqualifizierte Kriminalspezialisten, die Bundespolizisten werden eher als Allrounder ausgebildet. In jüngerer Zeit hat sich die Bundespolizei freilich, wie der Bericht der Kommission feststellt, "fälschlicherweise in die Bekämpfung schwerer Kriminalität ausgebreitet". Die Konsequenz, die die Kommission daraus zieht, ist freilich unerwartet. "Nicht die Bundespolizei wird gestutzt, sondern das BKA aufgelöst." So fasst das die eingangs zitierte Wiesbadener Resolution empört zusammen.

© SZ vom 13.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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