Die Verhandler von CDU und SPD in Hessen haben sich am späten Mittwochabend auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Mehr als zwei Monate nach der Landtagswahl am 8. Oktober steht die Regierungsbildung somit kurz vor dem Abschluss. Bislang hatte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) zusammen mit den Grünen regiert, sich nach Sondierungsgesprächen mit beiden möglichen Partnern aber für eine Koalition mit der SPD entschieden.
Im Entwurf ihres Koalitionsvertrages, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, einigen sich die beiden Partner zum Beispiel darauf, mehr Stellen bei der Polizei zu schaffen und ein Investitionsprogramm für den Kitaausbau auf den Weg zu bringen. Auch das sogenannte Hessengeld soll kommen. Damit will die Koalition das erste selbst genutzte Eigenheim mit 10 000 Euro pro Käufer und 5000 Euro pro Kind fördern. Vor allem für die CDU war das im Wahlkampf ein wichtiges Anliegen.
Genderverbot bleibt im hessischen Koalitionsvertrag
Im Bereich Migration planen die künftige Koalitionäre schärfere Maßnahmen, sie wollen unter anderem eine "echte Rückführungsoffensive starten" und etwa durch die "Ausweitung der Abschiebehaft" sicherstellen, dass Rückführungen "konsequent umgesetzt werden". Geflüchtete sollen künftig auch "keine monetären Auszahlungen mehr erhalten", sondern eine Bezahlkarte. So will die Koalition verhindern, dass sie Geld ins Ausland überweisen.
In wesentlichen Bereichen folgt der Koalitionsvertrag damit dem Sondierungspapier, auf das sich CDU und SPD im November geeinigt hatten. So hat es auch das Genderverbot in den Koalitionsvertrag geschafft. CDU und SPD wollen demnach "festschreiben, dass in der öffentlichen Verwaltung sowie weiteren staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird". Gemeint sind damit Schulen, Universitäten und der Rundfunk. Man werde künftig auf die "Verwendung der sog. Gendersprache" verzichten und sich stattdessen am Rat für deutsche Rechtschreibung orientieren. Der hatte im Sommer noch einmal bekräftigt, dass sogenannte Wortbinnenzeichen, wie etwa der Genderstern, nicht "zum Kernbestand der deutschen Orthografie" gehören.
Anders als noch im Sondierungspapier ist nun jedoch nicht mehr von einer "christlich-sozialen Koalition" die Rede, sondern von einer "demokratisch-christlich-sozialen Koalition". Die Bezeichnung "christlich-sozial" rief bisweilen Spott hervor, weil sie eher an den Parteinamen der CSU, der Christlich-Sozialen Union, erinnerte.
Die Grünen, einstiger Koalitionspartner der CDU, werfen der Koalition in spe vor, keine Antworten auf die Probleme der Zeit zu liefern. Mathias Wagner, Fraktionsvorsitzender der Partei im hessischen Landtag, bezeichnet das Bündnis als "Koalition der Vergangenheitsbewahrer und Zukunftsverweigerer". Besonders im Bereich Klimaschutz hätten CDU und SPD ein "ambitionsloses Programm" vorgelegt, sagt Wagner.
CDU bekommt acht Ministerien, die SPD drei
Bis zuletzt dürfte wohl über den genauen Zuschnitt und die Verteilung der Ministerien verhandelt worden sein. Das Ergebnis findet sich jedoch am Ende des Koalitionsvertrages. Demnach gehen acht Ressorts, einschließlich der Staatskanzlei, ihres Chefs sowie ein Minister für Bund und Europa an die CDU. Besonders wichtig dürfte der Union auch sein, ein eigenes Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Forsten, Jagd und Heimat zu erhalten.
Die SPD muss sich mit drei Ressorts begnügen. Sie erhält das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und den ländlichen Raum. Ein Ressort mit dem Fokus Arbeit, Integration, Jugend und Soziales sowie das Ministerium für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur.
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Viel Arbeit wartet nun auf die Delegierten beider Parteien. Bereits am kommenden Samstag stimmt die SPD bei einem außerordentlichen Parteitag in Groß-Umstadt über den Koalitionsvertrag ab. Bei der CDU kommt am selben Tag in Frankfurt ein Parteiausschuss zusammen. Den Delegierten bleiben damit etwas mehr als zwei Tage Zeit, um das Papier mit seinen mehr als 180 Seiten durchzuarbeiten. Wie Ministerpräsident Boris Rhein vergangene Woche ankündigte, könnte der Koalitionsvertrag am kommenden Montag, den 18. Dezember, unterschrieben werden. Am 18. Januar konstituiert sich dann der neue Landtag.