USA:Darum geht es beim Schuldenstreit

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Speaker Kevin McCarthy bei seinem Treffen mit US-Präsident Joe Biden im Oval Office. (Foto: Alex Brandon/AP)

Nun verhandeln die Chefs: US-Präsident Biden und Speaker McCarthy suchen eine Lösung für die Schuldenobergrenze. Was Demokraten und Republikaner trennt - und welche Folgen eine Zahlungsunfähigkeit der USA für die Weltwirtschaft hätte.

Von Claus Hulverscheidt und Matthias Kolb, Berlin

Für Joe Biden war es eine schnelle Rückkehr in den rauen Alltag der Innenpolitik. Vom G-7-Gipfel in Japan ging es für den US-Präsidenten am Montag weiter zu einem Treffen mit Kevin McCarthy. Mit dem republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses verhandelt Biden über die Schuldenobergrenze. Es steht viel auf dem Spiel: Es geht darum zu verhindern, dass die Vereinigten Staaten zahlungsunfähig werden und das globale Vertrauen in die politischen Akteure der größten Volkswirtschaft der Welt weiter sinkt. Viel Zeit bleibt nicht: Laut Finanzministerin Janet Yellen haben die USA nur noch Geld für wenige Tage.

Was ist die Schuldenobergrenze eigentlich?

Eigentlich handelt es sich beim "debt ceiling" um eine technische Angelegenheit. Die Schuldenobergrenze ist jener Höchstbetrag, bis zu dem sich die US-Regierung verschulden darf. Der Kongress legt ihn fest, und der Betrag - aktuell 31,4 Billionen Dollar - kann nur mit Zustimmung der beiden Kammern, also durch Senat und Repräsentantenhaus, angehoben werden. Vor 1917 mussten die Abgeordneten jeglicher Aufnahme von neuen Schulden zustimmen. Die Schuldenobergrenze sollte der Exekutive mehr Spielraum geben - und zugleich verhindern, dass sich die USA durch die Teilnahme am Ersten Weltkrieg zu viel Geld leihen mussten.

Wegen des Vetorechts des Kongresses und der wachsenden Polarisierung kommt es bei allfälligen Erhöhungen der Schuldenobergrenze regelmäßig zu Machtproben zwischen Demokraten und Republikanern. So ist es auch aktuell, denn seit Anfang 2023 kontrollieren die Republikaner das Repräsentantenhaus. Der neue "Speaker" McCarthy gönnt Biden vor der Präsidentschaftswahl keinen Erfolg und muss sich vor der eigenen Partei beweisen. Eigentlich wurde die Grenze von 31,4 Billionen Dollar bereits im Januar erreicht. Das Finanzministerium hat jedoch Spielraum, um mit Buchungstricks und "außerordentlichen Maßnahmen", wie die Finanzministerin sie nennt, einige Monate Zeit zu gewinnen. Diese Frist endet laut Yellen am 1. Juni.

Welche Strategie verfolgt das Weiße Haus?

Noch am Sonntag rief Biden McCarthy aus der Air Force One an. Der Republikaner bezeichnete das Telefonat als "produktiv". Das war schon mal kein schlechtes Zeichen. Der Poker geht aber weiter: Auch bei ihrem persönlichen Treffen am Montag konnten sich die Kontrahenten nicht einigen. Ursprünglich hatte Biden gefordert, der Kongress solle den Schuldendeckel ohne Diskussionen erhöhen. Sein Argument: Die Abgeordneten würden bereits über sämtliche Staatsausgaben entscheiden. Dass er damit nicht durchkommt, wird Biden mit seiner Erfahrung aus 36 Jahren als Senator gewusst haben. Mittlerweile sind die Demokraten - wie von den Republikanern gefordert - zu Ausgabenkürzungen bereit. In Hiroshima sagte Biden zwar, die Republikaner müssten ihre "extremen Positionen" aufgeben. Der US-Präsident scheint aber dafür offen zu sein, einige Regeln für die Bezieher von Sozialleistungen ("work requirements") etwas zu verschärfen. Das Gesamtpaket müsse jedoch stimmen.

Allerdings betonte der 80-Jährige, seine Kompromissbereitschaft habe Grenzen: Er werde keinen Deal eingehen, von dem die Pharmaindustrie profitiere, der "reiche Steuerbetrüger und Händler von Kryptowährungen" schütze und Lehrkräfte sowie sozial Schwache benachteilige. Biden sagt das nicht nur, weil er 2024 gewählt werden will - er muss einen Kompromiss finden, der von den demokratischen Senatoren und Abgeordneten mitgetragen wird. Laut US-Medien erwarten Bidens Berater, dass sich die Wählerinnen und Wähler weniger für die Details interessieren. Stattdessen werden sie dem Amtsinhaber Führungsstärke anrechnen, wenn er trotz der Drohungen von radikalen Republikanern die Finanzkrise abwendet.

Wie lauten die Forderungen der Republikaner?

Die Staatsausgaben sollen sinken. Ausnahmen soll es nur für die Verteidigung und soziale Sicherheit geben. So wollen die Republikaner etwa teure Programme zur Förderung von Klimaschutzmaßnahmen stoppen. McCarthy, der erst im 15. Wahlgang zum Speaker gewählt wurde und dessen Partei nur eine knappe Mehrheit hat, steht von mehreren Seiten unter Druck. Einerseits warnen Unternehmen, Investoren und Verbände vor der Zahlungsunfähigkeit der USA - so etwas hat es in 230 Jahren nicht gegeben. Andererseits fordern die Hardliner des "Freedom Caucus", keine Zugeständnisse zu machen. Ähnlich äußert sich Ex-Präsident Donald Trump auf seiner Truth-Social-Plattform: "Die Republikaner sollten keinen Deal bei der Schuldenobergrenze eingehen, bis sie alles bekommen haben, was sie wollen." McCarthy braucht also auch Erfolge, auf die er verweisen kann.

Kann ein Land wie die USA überhaupt pleitegehen?

Die kurze Antwort lautet: nein. Da die USA über eine eigene Währung verfügen und nicht in Euro oder Yen verschuldet sind, kann die Notenbank, die Federal Reserve (Fed), theoretisch unbegrenzt Dollar drucken, um Schulden im In- und Ausland zu zahlen. Was aber passieren kann: Das Land wird vorübergehend zahlungsunfähig - nämlich, wenn die Regierung wegen des Schuldendeckels keine neuen Kredite aufnehmen und die Fed keine Mittel zur Verfügung stellen darf. Da man auch an den Finanzmärkten weiß, dass es sich bei dem Streit nicht um ein ökonomisches, sondern um ein politisches Problem handelt, dürfte auch bei einem Zahlungsstopp ein Chaos an den Börsen ausbleiben.

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Welche Folgen hätte eine einstweilige Zahlungsunfähigkeit?

Viele Angestellte im Öffentlichen Dienst könnten vorübergehend ihren Job verlieren, Rentner und sozial Schwache müssten tage- oder wochenlang auf ihre Zahlungen warten. Auch würden staatliche Projekte gestoppt und Investitionen aufgeschoben. Vor allem aber: Die großen Rating-Agenturen könnten die Kreditwürdigkeit der USA herabstufen. Im Fall einer Herabstufung müssten die USA womöglich in Zukunft mehr Zinsen auf Staatsanleihen zahlen als bisher. Auf den Haushalt kämen damit zusätzliche Ausgaben in beträchtlicher Milliardenhöhe zu. Ein großer Preis für einen kleinlichen Parteienstreit.

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