Joachim Wundrak:Der Ex-Offizier, der für die AfD kandidiert

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Erst "stilles", nun aktives Mitglied: der ehemalige Generalleutnant Joachim Wundrak (links) kandidiert in Hannover für die AfD. (Foto: Markus van Offern/imago)

Joachim Wundrak war bis vor Kurzem einer der ranghöchsten Soldaten des Landes. Jetzt tritt er bei der OB-Wahl in Hannover an - für die Rechtspopulisten.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Es ist noch nicht lange her, da stand Joachim Wundrak immer mal wieder in Uniform bei Ursula von der Leyen, damals Bundesverteidigungsministerin. Bis September 2018 war Wundrak Generalleutnant bei der Luftwaffe, einer der ranghöchsten Soldaten des Landes. Mit einem Großen Zapfenstreich samt Nationalhymne ging er in Pension, jetzt ist er 64 Jahre alt. Seit nun bekannt wurde, dass sich der vormalige Drei-Sterne-General für die AfD um den Posten des Oberbürgermeisters in Hannover bewirbt, stellen sich Fragen. Die Fragen gehen weit über Hannover hinaus.

Wie kann es sein, dass ein bis vor Kurzem führender Mann der deutschen Streitkräfte zum Beispiel dies sagte, als er bei Hannovers AfD im Dezember 2018 seinen ersten Auftritt hatte: Es müsse, so Wundrak bei einem Exkurs über Patrioten, "vieles falsch gelaufen sein, wenn sich inzwischen ein Großteil des linken Spektrums inklusive der Kanzlerin einer ehemals eher konservativen Partei als antideutsch positioniert". Antideutsch, die Bundeskanzlerin Angela Merkel? Das Video steht noch im Netz. Wie groß sind die Sympathien in der Bundeswehr für eine Partei, die immer weiter nach rechts rückt, wenn sich einer ihrer vormals führenden Vertreter so äußert?

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Der CDU-Politiker warnt, Polizisten und Soldaten würden in Richtung der AfD abdriften. Die eigene Partei kritisiert ihn dafür hart. Polizeigewerkschafter bestätigen hingegen, dass bei "vielen Beamten etwas in Schieflage geraten" sei.

Von der Leyen warf der Truppe vor einiger Zeit "ein Haltungsproblem" vor. Friedrich Merz äußerte die auf seine Union gemünzte Befürchtung, man verliere "Teile der Bundeswehr und der Bundespolizei an die AfD". Jörg Radek, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, erkennt Sympathien in der Bundespolizei für rechtspopulistische Parteien. Joachim Wundrak sagt zum Thema AfD und Bundeswehr und Polizei am Telefon, er kenne da nur Einzelmeinungen. Aber es sei doch "fast normal", dass die AfD dort besondere Resonanz finde.

Joachim Wundrak war für die Luftwaffe in Afghanistan, in Bosnien, bei der Flutkatastrophe in Mosambik. Er leitete zuletzt das Zentrum Luftoperationen in Kalkar und das Combined Air Operations Centre in Uedem, er trägt das Bundesverdienstkreuz. Früher habe er Helmut Schmidt geschätzt und die SPD gewählt, erzählt er, später schloss er sich der CDU an, 2014 habe es ihm gereicht. Schon vor der Flüchtlingskrise 2015, die er auch durch seine engen Kontakte zur Bundespolizei habe kommen sehen. "Die AfD", so sieht er das, "ist die einzige Partei, die auf die Souveränität Deutschlands überhaupt noch Wert legt."

Solche Sätze sagt er außer Dienst. Durch "die Ausgrenzung der AfD" könnten es "Leute, die noch abhängig beschäftigt sind", kaum vertragen, für die AfD zu kandidieren, meint Wundrak. Nach seinem Ausscheiden trat er 2018 in die AfD ein. Bisher sei er "eher stilles Mitglied" gewesen, erläuterte er bei einem Vortrag im Dezember. Der General als stilles AfD-Mitglied.

Das Rathaus von Hannover dürfte Joachim Wundrak am 27. Oktober kaum erobern, 2016 bekam die AfD nur 8,6 Prozent der Stimmen. Niedersachsens Hauptstadt wird seit mehr als sieben Jahrzehnten von der SPD regiert, allerdings wurde diese vorgezogene Neuwahl deshalb nötig, weil Stefan Schostok wegen des Vorwurfs der Untreue zurücktrat. Wundrak spricht von Filz und Abhängigkeit in Hannover, von verschmutztem öffentlichen Raum, von Schulproblemen und Kriminalität. Doch er verlässt die Region auch schnell, wenn man ihn zu seinen Ansichten befragt.

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Er zählt auf, AfD-Klassiker: "Krawalle in Freibädern, bundesweit", "Belästigung von Frauen", "Zusammenrottung von jungen Männern". Für den EU-Apparat hat er Begriffe wie "undemokratischer Haufen" und "Pseudoparlament", Nationalstaaten würden abgedrängt. In Brüssel wird seine frühere Chefin Präsidentin der EU-Kommission. Er sei aber "nicht grundsätzlich gegen die EU". Alexander Gauland oder Björn Höcke kenne er noch nicht persönlich, Gaulands Hinweis, die NS-Zeit sei "ein Fliegenschiss" gewesen, hält er für nicht schlimm, da werde viel hineininterpretiert. Er sei selbst stolz "auf die langjährige deutsche Kultur und Geschichte".

Er wettert gegen "die Medien" und klagt über "die Nazi-Keule", es schlage einem Hass entgegen, kennt man von der AfD. "Ich bin kein Ideologe", sagt Wundrak. Er verurteile, "was in Nazideutschland von den Nazis angerichtet wurde, aufs Schärfste". Und: "Ich habe 44 Jahre lang gedient." Was den völkischen AfD-Flügel betrifft, so glaubt er, die AfD werde Volkspartei und "breite Klammern setzen".

Wundrak zeichnet von sich das Bild des Soldaten im Ruhestand, der als Politiker Freiheit und Wohlstand vor dem Verfall retten will und auf der Basis von Grundgesetz und Strafgesetzen steht. Wobei er diese Verfassung auch für problembeladen hält und Deutschland für eingeschränkt souverän. Bei seinem Referat vor der Hannover-AfD packte er, der die Landesverteidigung mitgestaltet hatte, Rechtsextreme und den Bundestagspräsidenten in einen Satz: "Es gibt derzeit viele Stimmen von den sogenannten Reichsbürgern bis zu Wolfgang Schäuble, die die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und damit des deutschen Volkes infrage stellen." Untergangsszenarien sind Routine bei der AfD, nur bisher noch nicht von einem vor zehn Monaten verabschiedeten, international vernetzten Generalleutnant a.D.

Es gibt mehrere ehemalige Offiziere bei der AfD, manche mit hohen Dienstgraden wie den Oberst a.D. Georg Pazderski und den Oberstleutnant a.D. Uwe Junge. Aber Joachim Wundrak ist höher dekoriert. "3-Sterne-General der Luftwaffe tritt für AfD an!", twitterte die AfD mit dem unterlegten Foto eines Armeehubschraubers. "Aufstand der Generäle?!", twitterte Belit Onay, der für die Grünen OB werden will. Er nennt Wundraks Bewerbung "ein bitteres Zeichen für die Bundeswehr", für die Hannoversche Allgemeine Zeitung ist sie dies: "Das Alarmsignal von Hannover." Am 6. August will Hannovers AfD Wundrak offiziell nominieren.

© SZ vom 31.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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