Social Media:"Please help me to join the Wagner group"

Lesezeit: 3 min

Ein Unterstützer der Wagner-Gruppe demonstriert im Juni 2023 in der südrussischen Stadt Rostow am Don. (Foto: Stringer/Reuters)

Keine Propaganda für Kriegsverbrecher, verspricht Meta. Doch auf seinen Plattformen Facebook und Instagram wird die Gruppe Wagner hundertfach glorifiziert - inklusive Tipps zur Söldnerrekrutierung.

Von Christoph Koopmann

Man braucht nur ein paar Klicks, um in die Propagandaschleuder der Söldnertruppe Wagner zu gelangen: Bei Facebook in die Suchleiste "Wagner" eingeben, den Suchfilter auf "Gruppen" einstellen, schon ist man da. Ein öffentlich einsehbares Forum namens "Wagner Army Group". Der Beitrag "Please help me to join the Wagner group" - helft mir, der Gruppe Wagner beizutreten - ist erst wenige Tage alt. Er kommt von einem Account, dessen angeblicher Inhaber laut Profilinfo aus der Republik Kongo stammt. Darunter schreiben noch weitere Nutzer, auch sie wollten Teil der Söldnertruppe werden, wo es denn genauere Infos gebe. Das ganze Forum ist voll solcher Posts, dazwischen immer wieder Videos und Fotos, in denen der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und speziell die "Erfolge" der Gruppe Wagner glorifiziert werden.

Die Facebook-Gruppe mit mehr als 5000 Mitgliedern (Stand Donnerstagmittag) wirkt unprofessionell und ungesteuert. Es lässt sich auch nicht sagen, wie viele Posts Fakes sein und/oder von Bots stammen könnten. Aber egal, wer oder was genau hinter den Beiträgen steckt - eigentlich dürfte es sie auf Facebook nicht geben.

Meta will Verbrechern keine Plattform bieten - eigentlich

Die Gruppe Wagner, also die echte, nicht die Facebook-Gruppe, ist berüchtigt für ihre hemmungslose Gewalt in der Ukraine und in zahlreichen afrikanischen Staaten. Die Ukraine und viele westliche Regierungen werfen ihr Kriegsverbrechen vor. Eigentlich verspricht Meta, der Mutterkonzern von Facebook und Instagram, solchen verbrecherischen Organisationen kein Forum zu bieten. Doch auf seinen Plattformen sieht es anders aus. Dort kursieren Hunderte Beiträge und Accounts, die für die Wagner-Gruppe werben.

Das Londoner Institute for Strategic Dialogue (ISD) hat in den vergangenen Wochen gezielt nach Wagner-Inhalten gesucht - auch nach dem gescheiterten Putschversuch des Wagner-Chefs Jewgenij Prigoschin Ende Juni und dem Rückzug der Söldner aus der Ukraine. Das Institut ist auf beiden sozialen Netzwerken fündig geworden. Insgesamt identifizierten die ISD-Analystinnen Julia Smirnova und Francesca Visser auf Facebook und Instagram 114 Accounts mit eindeutigem Wagner-Bezug. Deren Betreiber traten als angebliche Wagner-Vertreter auf, glorifizierten die Taten der Söldnertruppe oder warben sogar um neue Rekruten - und das mit enormer Reichweite: Ihre Posts erreichen insgesamt mehrere Hunderttausend Nutzerinnen und Nutzer, und das in 13 Sprachen, darunter Deutsch.

Noch dazu empfiehlt Facebook laut Untersuchung manchen Nutzern sogar Wagner-Inhalte automatisch auf Basis ihres Klickverhaltens. "Das heißt, dass Meta es nicht nur nicht schafft, Inhalte aufzuspüren, die Wagner unterstützen, sondern auch, dass seine Algorithmen die Verbreitung dieser Inhalte verstärken könnten", schreiben die Forscherinnen in ihrer am Donnerstag veröffentlichten Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorab vorlag.

T-Shirts mit Gruppe-Wagner-Aufdrucken in einem Laden in Moskau. (Foto: Alexander Nemenov/AFP)

Mal sind es offenbar unkoordinierte Gruppen wie das Facebook-Forum "Wagner Army Group". Mal informierter wirkende Accounts, die Interessenten auch tatsächlich mit Kontaktdaten zu Wagner versorgen, zum Beispiel Telefonnummern oder Links zu speziellen Rekrutierungskanälen auf dem Messengerdienst Telegram. Die Spuren der Accounts aber verlieren sich schnell. Es lässt sich nicht belegen, ob sie wirklich von Personen verwaltet werden, die der Gruppe Wagner angehören.

Facebook, Instagram und Twitter sind vor allem zum Ködern da

Trotzdem dürften die von den Forscherinnen gefundenen Inhalte unter Metas eigenen Content-Richtlinien eigentlich nicht erlaubt sein. Schon im Mai dieses Jahres hatte Meta bekannt gegeben, dass man Wagner als "gefährliche Organisation" einstufe - nach dieser internen Klassifizierung wäre jede Unterstützungsbekundung zu löschen. Damals hatte die britische Forschungsgruppe Logically aufgezeigt, wie auf Facebook und Twitter Aufrufe in Umlauf gebracht wurden, wie man sich Wagner anschließen kann. Doch auch in den Monaten danach haben die US-Plattformen längst nicht alles davon entfernt. Die ISD-Analystinnen Smirnova und Visser fordern, die großen Social-Media-Plattformen müssten endlich "entschieden handeln", um ihre eigenen Richtlinien konsistent und konsequent durchzusetzen.

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Ein Sprecher von Meta teilte der SZ auf Anfrage mit, der Gruppe Wagner sei auf Facebook keine Präsenz erlaubt. "Wir entfernen regelmäßig Inhalte, wenn wir solche mit klaren Verbindungen zu der Organisation identifizieren." Allein im ersten Quartal dieses Jahres habe man mehr als 14,5 Millionen Beiträge entfernt, die Metas Richtlinien zu gefährlichen Organisationen und Personen und speziell Terrorgruppen verletzt hätten.

Facebook, Instagram, Twitter und andere Netzwerke des täglichen Gebrauchs sind Sicherheitsfachleuten zufolge für Wagner aber sowieso eher nur Plattformen zum Ködern. Von dort aus werden Nutzer dann vor allem zu Telegram gelotst, wo es in geschlossenen Kanälen konkreter wird mit der Kontaktanbahnung. Wie erfolgreich die Gruppe Wagner und ihre Helfer mit ihrer Propaganda und ihren Rekrutierungsversuchen sind, ist selbst für Sicherheitsbehörden schwer einzuschätzen. Es gilt jedoch als sicher, dass nicht nur russische Freiwillige für Wagner kämpfen, sondern auch Ausländer.

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