Die im Koalitionsvertrag verabredete Grundrente für Geringverdiener sorgt für einen heftigen Konflikt zwischen Union und SPD - und könnte scheitern. Wenige Tage vor den Wahlen im Bundesland Bremen und zum Europaparlament haben sich die Koalitionspartner im Streit über die Finanzierung völlig überworfen.
Finanzminister Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil, beide SPD, wollen dazu unter anderem die sogenannte Mövenpick-Steuer rückabwickeln, das von der schwarz-gelben Bundesregierung 2009 beschlossene Steuerprivileg für Hoteliers. Die Union lehnt diesen wie auch andere Vorschläge der SPD zur Finanzierung ab. Dessen ungeachtet heizte SPD-Chefin Andrea Nahles den Konflikt am Mittwoch weiter an. "Die Union muss sich klar werden, ob sie eine Grundrente will, die ihren Namen verdient, oder ob sie drei Millionen Leute, die 35 Jahre gearbeitet haben, zum Sozialamt schicken will", sagte die Parteivorsitzende der Süddeutschen Zeitung.
Sie sei sich sicher, dass Deutschland eine Grundrente bekommen werde.
Der Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen wurde damals von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Scholz rechnet mit Mehreinnahmen von 700 Millionen Euro, sollte diese Regelung rückgängig gemacht werden. Geld, das er und Heil von 2021 an für die Grundrente einsetzen wollen. Sie hatten am Dienstag einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorgelegt, der in der Union für Empörung sorgt.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warf den Sozialdemokraten vor, die Grundrente "gegen die Wand" zu fahren. Gesundheitsminister Jens Spahn klagte, die SPD "diskreditiere die an sich gute Idee der Grundrente". Und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, ihre Partei wolle über die Grundrente reden, dazu brauche sie aber "eine solide Diskussionsgrundlage". Die SPD müsse sich entscheiden, ob sie nach der Europawahl eine solche Grundlage liefere. Denn der jetzt präsentierte Vorschlag sei keiner, mit dem man zu einer Einigung komme.
Heil und Scholz planen, die Rente für Geringverdiener, die 35 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, deutlich aufzubessern. Dieses Vorhaben wollen sie mithilfe von Steuern und Beitragsmitteln finanzieren. Die SPD will den Bundeszuschuss an die Rentenversicherung dem Gesetzentwurf zufolge im Einführungsjahr 2021 um 1,8 Milliarden Euro anheben, in den Folgejahren noch stärker. Weiter setzt der Finanzminister auf Einnahmen einer noch zu beschließenden Finanztransaktionssteuer in Höhe von 500 Millionen Euro. 400 Millionen Euro sollen aus Heils Haushalt kommen, zusätzliche Mittel über die Sozialkassen generiert werden.
Nach Angaben von Heils Ministerium würden drei Millionen Rentner profitieren. Die Kosten beziffert es auf anfangs 3,8 Milliarden Euro, die dann auf 4,8 Milliarden Euro im Jahr 2025 anstiegen. Eine Bedürftigkeitsprüfung - wie im Koalitionsvertrag festgelegt und vehement von der Union gefordert - soll es nicht geben. Der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg warf der SPD "Luftbuchungen" vor. Kritik am Konzept kommt von den Arbeitgeberverbänden, die es als unsolide bezeichnen. Der Gewerkschaftsbund fordert die rasche Umsetzung.