Fall Graichen:Grünen-Chefin wirft Söder Doppelmoral vor

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Ricarda Land erinnert nach Söders Vorwürfen an die Amigo- und die Maskenaffäre der CSU. (Foto: Johannes Simon/Getty Images)

Die Parteispitze der Grünen und Robert Habeck räumen Fehler im Wirtschaftsministerium offen ein. Den Vorwurf der Vetternwirtschaft, den Bayerns Ministerpräsident den Grünen macht, weist Ricarda Lang vehement zurück.

Die Parteichefs der Grünen, Ricarda Lang und Omid Nouripour, haben sich in der Debatte um Personalverflechtungen um den Staatssekretär Patrick Graichen hinter Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gestellt.

Parteichefin Lang wies insbesondere die Vorwürfe der Vetternwirtschaft, die der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ihrer Partei gemacht hat, scharf zurück. Es seien Fehler passiert und die seien auch klar eingestanden worden, sagte Lang am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Die Grünen nähmen Kritik auch gerne an.

"Wenn das jetzt aber am lautesten unter anderem von der CSU und Markus Söder kommt, der mit der Amigo-Affäre, der mit der Maskenaffäre Vetternwirtschaft zu so einer Art Arbeitsmodell gemacht hat, dann muss man auch ehrlich sagen, da ist der Vorwurf der Doppelmoral auch eher Projektion."

Söder kritisiert auch die Personalpolitik des Wirtschaftsministeriums insgesamt

Lang bezog sich dabei unter anderem auf die Maskenaffäre, in die Bundestags- und Landtagsabgeordnete von CDU und CSU verwickelt waren. Sie erhielten in der Corona-Pandemie viel Geld für die Vermittlung von Schutzmasken.

Beim CSU-Parteitag am Samstag hatte CSU-Chef Markus Söder Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) aufgefordert, seinen Staatssekretär Patrick Graichen zu entlassen. Sonst sei die Affäre Graichen eine Affäre Habeck. Graichen steht seit Tagen massiv in der Kritik, weil er an der Auswahl des neuen Geschäftsführers der Deutschen Energie-Agentur, Michael Schäfer, beteiligt war, obwohl dieser sein Trauzeuge war.

Söder kritisierte jedoch auch die Personalpolitik des Wirtschaftsministeriums insgesamt. "Die ganze grüne Sippe wird da irgendwie beschäftigt", sagte er, "Bruder, Schwester, Onkel, Tante". Und wenn man weitersuche, werde man sicher noch irgendeinen Schwippschwager finden. "Das ist nichts anderes als grüne Korruption", sagte er.

Habeck selbst hatte bereits eingeräumt, dass die Debatte für ihn und das Ministerium eine Belastung sind. "Für den Fehler zahlt Patrick Graichen jetzt schon einen hohen öffentlichen Preis - wir alle", sagte der Grünen-Politiker am Sonntag im Deutschlandfunk. "Aber die Substanz des Fehlers konnte noch korrigiert werden", fügte er mit Hinweis auf die erneute Ausschreibung für den Chefposten der Energie-Agentur Dena hinzu.

"Es ist ein Fehler, es ist ein Fehler, es ist ein Fehler - Punkt", betont Habeck

"Es ist ein Fehler, ich möchte gerne ein Politiker sein, der Fehler zugibt", sagte Habeck. Er verlange dies auch von seinen Mitarbeitern. Aber an anderen Stellen seien "Brandmauern" eingezogen worden, die auch funktioniert hätten. Habeck wies den Vorwurf seines Parteifreundes Jürgen Trittin zurück, dass es sich um eine Kampagne gegen die Energiewende handele, dessen zentrale Figur Graichen ist. "Es ist ein Fehler, es ist ein Fehler, es ist ein Fehler - Punkt", betonte Habeck. "Und diesen persönlichen Fehler hat nicht die Gaswirtschaft begangen."

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Das von den Grünen geführte Wirtschaftsministerium steht auch in der Kritik, weil es familiäre Verbindungen des Energie-Staatssekretärs Graichen zum Öko-Institut gibt. Graichens Schwester Verena arbeitet dort, sie ist mit Wirtschafts-Staatssekretär Michael Kellner verheiratet. Ein Bruder von Patrick Graichen ist ebenfalls beim Öko-Institut tätig. Das Wirtschaftsministerium hatte am Freitag Details zu den Verflechtungen mit dem Institut veröffentlicht.

Grünen-Chef Nouripour verwies im ZDF darauf, dass etwa Verena Graichen Aufträge des Wirtschaftsministeriums noch zu Zeiten von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bekommen habe. Deshalb würden jetzt einige Vorwürfe konstruiert. "Wir sind die Grünen, wir werden mit anderen Maßstäben bemessen", sagte er. Das sei aber auch gut so: Man wolle nicht so behandelt werden wie etwa die CSU mit ihren Amigo- und Masken-Affären. Zudem sprach er in Anspielung auf die SPD von systematischen Netzwerken beim Thema Russland. Ricarda Lang betonte in der ARD, es sei gut, zu den gemachten Fehlern zu stehen. Die Gesellschaft stehe vor "wahnsinnig großen Veränderungsprozessen". Dafür brauche man Glaubwürdigkeit.

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