Katrin Göring-Eckardt:"Wir können die ländlichen Räume nicht einem Mob überlassen"

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Katrin Göring-Eckardt: "Verstärkung kam erst wieder, als wir eingekesselt wurden und eine Dreiviertelstunde lang nicht wegkonnten." (Foto: Kay Nietfeld/DPA)

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt wurde in Brandenburg massiv bedrängt. Nun kritisiert sie die Polizei scharf. Denn es war nicht der erste Vorfall dieser Art.

Von Nicolas Richter und Vivien Timmler, Berlin

Nachdem Demonstranten das Auto von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt massiv bedrängt und sie an der Abfahrt gehindert hatten, kritisiert die Grünen-Politikerin die Polizei scharf. "Die Landespolizeien müssen sich dringend Gedanken darüber machen, wie sie politische Veranstaltungen auf dem Land absichern, und sich auf einheitliche Kriterien verständigen, welche Standards sie dabei eigentlich anwenden", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Dieser Vorfall war ja keine Ausnahme."

Er ereignete sich bereits am vergangenen Samstag. Göring-Eckardt hatte an einer Diskussionsveranstaltung der Grünen in Lunow-Stolzenhagen im Oderbruch in Brandenburg teilgenommen. Auf 100 Teilnehmer kamen ihrem Büro zufolge etwa 40 bis 50 Gegendemonstranten. Auf dem Rückweg zu ihrem Auto sei die ehemalige Grünen-Fraktionsvorsitzende demnach bedrängt worden, mehrere Personen hätten die Abfahrt des Wagens verhindert und "in aggressiver Stimmung" auf das Fahrzeug eingeschlagen.

"Ich hatte Sorge"

"Alkoholisierte Pöbler standen vor unserem Fahrzeug, in dem ich saß, hielten uns auf, fuchtelten mit Bierflaschen herum. Ich bin ein unerschrockener Mensch, aber ich hatte Sorge um die anderen um mich herum", sagte Göring-Eckardt. Erst nach 45 Minuten habe die Polizei die Blockade demnach aufgelöst.

"Protest ist legitim, Bedrohung und Einschüchterung nicht", teilte Göring-Eckardts Büro mit. Es könne nicht sein, dass versucht werde, demokratische Veranstaltungen zu verhindern, "wo sich Leute aus der kommunalen Ebene dreimal überlegen, ob sie sich überhaupt noch engagieren wollen". Der Rechtsstaat könne solche Aktionen nicht hinnehmen, so Göring-Eckardt. "Deshalb muss bei der Polizei jetzt ein anderes Bewusstsein her. Demonstrations- und Meinungsfreiheit sind genauso zu gewährleisten wie die ordnungsgemäße Durchführung politischer Veranstaltungen und der Schutz von politisch Engagierten. Wir können die ländlichen Räume nicht einem Mob überlassen."

Nur noch zwei Polizisten waren anwesend

Kritik an der Polizei äußerte Göring-Eckardt auch deshalb, weil diese durchaus gewusst habe, dass für die Veranstaltung in Lunow-Stolzenhagen eine Gegendemonstration angemeldet worden sei. Zudem habe es in der Nähe ein Plakat mit der Aufschrift "Lieber ein Ort im Grünen als ein Grüner im Ort" gegeben. Kurz vor Veranstaltungsbeginn sei die Polizei dann zwar mit einer Handvoll Kollegen vor Ort gewesen, gegen Ende der Veranstaltung seien aber nur noch zwei Polizisten anwesend gewesen, so Göring-Eckardts Büro. "Verstärkung kam erst wieder, als wir eingekesselt wurden und eine Dreiviertelstunde lang nicht wegkonnten", sagte die Politikerin.

Der Vorfall reiht sich in eine Serie von Übergriffen auf Politiker der Grünen ein. Im Januar hatten Bauern Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im nordfriesischen Schlüttsiel daran gehindert, eine Fähre zu verlassen. In Biberach mussten die Grünen ihren politischen Aschermittwoch wegen Blockaden durch Demonstranten absagen. In Schorndorf wurde die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang ausgebuht, beschimpft und an der Abreise gehindert. Und in Hirschaid konnten Teilnehmer einer Grünen-Veranstaltung das Gebäude nur noch unter Polizeischutz verlassen.

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