Gemischte Reaktionen:Debatte um Schuldenbremse nach Verfassungsgerichtsurteil

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Wie im Land ist auch im Bund die Verwendung der Sonderkredite aus Corona-Zeiten umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat an die Regeln der Schuldenbremse erinnert. Die Reaktionen sind gemischt.

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Karlsruhe/Schwerin (dpa/mv) - Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen die Umwidmung von ursprünglich für Corona-Maßnahmen gedachten Krediten hat auch zu Reaktionen in Mecklenburg-Vorpommern geführt. Nach Ansicht von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig zeigt die Entscheidung, dass für die Schuldenbremse neue Regeln erforderlich sind. „Sie muss Zukunftsinvestitionen für Sicherheit, Klimaschutz, Bildung und Digitalisierung ermöglichen und konsumtive Schulden begrenzen. So sichern wir Investitionen und solide Finanzen für zukünftige Generationen“, schrieb die SPD-Politikerin auf der Plattform X (früher Twitter).

Die Karlsruher Richter hatten am Mittwoch den zweiten Nachtragshaushalt des Bundes von 2021 für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Mit der Etatänderung wollte die Bundesregierung Kredite im Umfang von 60 Milliarden Euro in den Klimaschutz investieren, die ursprünglich für Corona-Maßnahmen gedacht, aber dafür nicht benötigt worden waren. Dies werteten die Richter als Verstoß gegen Ausnahmen bei der Schuldenbremse. Die Unionsfraktion im Bundestag hat damit erfolgreich gegen das Umschichten geklagt (Az. 2 BvF 1/22).

Wie Schwesig plädieren auch Ökonomen nach dem Urteil für Veränderungen. „Eine Reform der Schuldenbremse mit neuen klar umrissenen Verschuldungsfenstern wäre der bessere Weg als das ständige Austesten der verfassungsrechtlichen Grauzone der Schuldenbremse“, erklärte Friedrich Heinemann vom ZEW in Mannheim. Der FDP-Fraktionschef im Schweriner Landtag, René Domke, sprach sich hingegen gegen eine Aufweichung der geltenden Schuldenregeln aus. Investitionen hätten meist nur auf dem Papier gestanden. „Realisiert wurden in der Regel lediglich Schulden, nicht aber Straßen, Brücken und Gebäude“, argumentierte Domke.

Nach Ansicht des CDU-Landtagsabgeordneten Marc Reinhardt kommt das Urteil nicht überraschend, hätten doch auch Staatsrechtler schon bei Verabschiedung des Nachtragsetats scharfe Kritik geübt. „Finanzminister Christian Lindner und die Koalition aus SPD, Grünen und SPD haben den Verfassungsbruch sehenden Auges in Kauf genommen“, sagte Reinhardt.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern habe die SPD die Corona-Sonderkredite sehr wahrscheinlich in verfassungswidriger Weise verwendet. Die Kreditermächtigungen über insgesamt etwa 2,85 Milliarden Euro im Corona-Schutzfonds seien vorsorglich beschlossen worden, um einen Einbruch der Wirtschaft zu verhindern, der dann aber weniger drastisch eingetreten sei, als erwartet. „Die Sonderkredite wurden trotzdem weitgehend ausgegeben, zu signifikanten Teilen auch für Zwecke, die mit der Bewältigung der Corona-Pandemie rein gar nichts zu tun hatten“, bemängelte der Oppositionspolitiker.

Die AfD im Schweriner Landtag bezeichnete das Urteil als „brechende Klatsche“ für die Berliner Ampel. „Es war ohnehin völlig absurd, dass Mittel zur Bekämpfung der Pandemie umgeschichtet werden konnten“, erklärte das Landtagsmitglied Martin Schmidt. Er äußerte die Vermutung, dass nun auch viele Bundesmittel für Projekte in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr zur Verfügung stehen. „Mögliche eingeplante Kofinanzierungen des Landes und der Kommunen müssen nun umgewidmet werden. Einmal mehr wurde insbesondere gezeigt, dass die Energiewende auf wackeligen Füßen steht“, sagte Schmidt.

Die AfD-Landtagsfraktion hatte vor dem Landesverfassungsgericht gegen den Corona-Schutzfonds in MV geklagt und dabei einen Teilerfolg errungen. Nach Ansicht der Richter wurden Rechte der Abgeordneten verletzt. Die Kreditermächtigungen würden über die Haushaltsjahre 2020/2021 hinausreichen, so lange bis die Mittel aufgenommen und ausgegeben seien. Durch diese Fortgeltung könnten die Abgeordneten nicht mehr jährlich über diese Kreditermächtigung beraten und abstimmen, hieß es in der Urteilsbegründung.

Nach Einschätzung der Umweltschutzorganisation Greenpeace ist das jetzige Urteil aus Karlsruhe ein „herber Rückschlag für den Schutz des Klimas“. „Nun rächt sich, dass die Ampel den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft von Anfang an mit finanzpolitischen Taschenspielertricks bezahlen wollte“, beklagte der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser. Kredite, neue Steuern und der Abbau klimaschädlicher Subventionen dürften nun keine Tabus mehr sein.

© dpa-infocom, dpa:231115-99-957377/3

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