Geheimdienste:Drei Herren zeigen ihr Gesicht

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Die Nachrichtendienst-Chefs vor der ersten öffentlichen Anhörung durch das Parlamentarische Kontrollgremium im Deutschen Bundestag. (Foto: dpa)
  • Erstmals in der deutschen Geschichte haben die drei Präsidenten von BND, Bundesamt für Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst einem Ausschuss gemeinsam Rede und Antwort über ihre Arbeit gestanden.
  • Es sollte eigentlich ein Symbol neuer Transparenz sein.
  • Doch inhaltlich brachte die Befragung durch das Parlamentarische Kontrollgremium kaum neue Erkenntnisse.

Von Ronen Steinke, Berlin

Da saßen sie nun nebeneinander an einem hellbraunen Tisch, drei freundliche, mittelalte Herren, gut gekleidet und so demonstrativ zugewandt, dass sie sich für jede Frage erst einmal bedankten. Der Älteste, der den Anfang machte, wies gleich scherzhaft auf eine Gemeinsamkeit hin. "Wenn uns als Nordrhein-Westfalen ein Bild aus dem Pott gestattet ist: Wir alle arbeiten im selben Bergwerk, wenn auch in unterschiedlichen Stollen." Zu Beginn stellte sich sogar jeder vor: "Mein Name ist Bruno Kahl, ich bin 55 Jahre alt, Jurist, habe viele Jahre lang in verschiedenen Bundesministerien gearbeitet, und ich leite den Bundesnachrichtendienst seit ziemlich genau 15 Monaten."

Es war einerseits ein gewöhnliches Bild, denn so sieht es aus, wenn die Chefs der zum Bund gehörenden Geheimdienste im Bundestag Rede und Antwort stehen - wozu es in den zurückliegenden Jahren mit der NSU-, der NSA- und zuletzt der Affäre um den rechtsextremen "falschen Syrer" Franco A. in der Bundeswehr viele Anlässe gab.

Es war andererseits ein historisches Bild, denn erstmals erschienen die drei Präsidenten von BND, Bundesamt für Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst (MAD) gemeinsam vor einem Ausschuss, um öffentlich Auskunft über ihre Arbeit zu geben. Das ist eine Folge aus der Kritik der vergangenen Jahre. Das Parlamentarische Kontrollgremium, das gewöhnlich geheim tagt, öffnet fortan einmal im Jahr seine Türen. So wurde es per Gesetzesreform festgelegt. Es soll ein Symbol für neue Transparenz sein.

Geheimdienst-Chefs fordern bessere Ausstattung

Bitte sehr: Der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, bekam am Donnerstag Gelegenheit, seine Forderung nach mehr Befugnissen vor allem zum Abschöpfen von Telekommunikation und zur Vorwärtsverteidigung im Cyberspace ("Hacking back") zu erläutern. Und auszuführen, wieso er die Forderung seines noch amtierenden Vorgesetzten Thomas de Maizière (CDU) nach einer Zentralisierung der Inlandsdienste teilt: "Wir haben in Deutschland 16 Landesämter für Verfassungsschutz, ein Bundesamt, und wenn Sie so wollen mit dem MAD insgesamt 18 Inlandsnachrichtendienste." Die Zuständigkeiten seien oft verworren.

BND-Präsident Bruno Kahl bekam Gelegenheit zu bekräftigen, dass man den neuen, 400 Millionen Euro teuren BND-eigenen Kamera-Satelliten wirklich brauche. "Die Notwendigkeit ergibt sich aus der Unabhängigkeit" von Satellitenbildern anderer Dienste. Auf Nachfrage des Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele betonte Kahl noch, dass sich der BND gebessert habe, seitdem ihm das Parlament im vergangenen Jahr aufgab, europäische oder UN-Institutionen zu schonen - also nur noch unter Einschränkungen auszuspähen. Seit Kahls Amtsantritt seien keine neuen europäischen Ziele mehr ins Suchraster aufgenommen worden, sagte er.

Und MAD-Präsident Christof Gramm konnte ausführen, dass der Fall des rechtsextremen Offiziers Franco A. zwar zu einem "Ruck" in der Bundeswehr dergestalt geführt habe, dass die Zahl der gemeldeten rechtsextremen Vorfälle in die Höhe geschnellt sei. Das sei aber ein erfreuliches Zeichen, für gewachsene Sensibilität.

Vermutlich hätten die drei Herren einen weniger angenehmen Vormittag verlebt, hätten die Oppositionsabgeordneten im Gremium sich besser durchsetzen können: Der Linke André Hahn hatte die Anhörung lieber vor der Bundestagswahl stattfinden lassen wollen, zu bester Wahlkampfzeit. Er kritisierte, dass die Themen der Fragerunde großteils vorher abgesprochen waren.

"Das bedeutet im Kern", so verbreitete Hahn in einer Presseerklärung, dass die Abgeordneten "eigentlich nur Fragen stellen können, deren Antworten sie schon kennen." Alles war schon in geheimen Sitzungen Thema. Inhaltlich widersprach ihm da auch aus der Koalition niemand. Hahn: "Dadurch wird das neue Format deutlich entwertet." Die Opposition ist seit der 2016 beschlossenen Reform des Gremiums geschwächt, André Hahn ist nicht mehr mit Clemens Binninger (CDU), dem Anführer des Koalitionslagers, gleichberechtigt.

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Die Geheimdienst-Chefs empfinden das Parlamentarische Kontrollgremium oft als nervig, mehr nicht - Maaßen hatte im vergangenen Sommer kritisiert, die dauernden Fragen von dort hielten ihn von seiner Arbeit ab, und Kahl hatte sich in höflicheren Worten angeschlossen.

Hans-Christian Ströbele hatte deshalb vorgeschlagen, die Einrichtung mit einem anderen Gremium zu fusionieren, das die Herren tatsächlich ein wenig fürchten. Es ist der kleine, verschwiegene Zirkel von Haushaltspolitikern im Bundestag, der die Budgets für die Nachrichtendienste festlegt, das sogenannte Vertrauensgremium. Dort liegt die eigentliche Macht, einen Geheimdienstchef bei Versagen abzustrafen oder ihm Bedingungen zu diktieren. Also, meinte Ströbele, warum nicht die Kraft der Gremien bündeln?

In den USA funktioniert die Geheimdienstaufsicht auch so. Die Kontrolleure dort können die Budgets kürzen, wenn sie sich wie die in Amerika sprichwörtlichen Pilze behandelt sehen - im Dunkeln gelassen und mit Dung gefüttert. Die Union war aber dagegen. Für Hans-Christian Ströbele war es sein wohl letzter öffentlicher Auftritt im Bundestag.

Die Laufzeit des Bundestags-Kontrollgremiums geht über die Legislaturperiode hinaus, bis Nachfolger gewählt sind. Zum Schluss brachte er die Sprache noch auf jene Whistleblower, die sich fortan, nach der reformierten Rechtslage, anonym an das Kontrollgremium wenden dürften und sollten. Worauf der BND-Präsident Kahl auf eine "neue Fehlerkultur" in seinem Haus verwies, die dazu diene, interne Kritik besser zu würdigen und damit auch intern zu belassen. Kahl: "Ich habe nicht das Gefühl, dass ich Angst vor Whistleblowern haben müsste."

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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