Gauweiler und Lafontaine:Schwarzer Löwe, roter Wachhund

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Politik mit Unterhaltungswert: Der CSU-Politiker Peter Gauweiler redete öffentlich mit seinem linken Freund Oskar Lafontaine. Mit Audio-Mitschnitt und Video.

Birgit Kruse

Wahlkampfauftritte sind in der Regel ziemlich langweilige Veranstaltungen. Meist kommen nur die eigenen Parteianhänger auf ihre Kosten. Auf viele andere haben solche Termine eine eher einschläfernde Wirkung.

Zwei Querköpfe mit langer Freundschaftstradition: Peter Gauweiler (CSU) und Oskar Lafontaine (Die Linke). (Foto: Foto: AP)

Das gilt jedoch nicht, wenn zwei Querköpfe gemeinsam auftreten. Das Duo Peter Gauweiler (CSU) und Oskar Lafontaine (Die Linke) ist ein solcher Fall. Ihr Duell verspricht intellektuelle Debatten mit hohem Unterhaltungswert. So auch im Festsaal auf dem Münchner Nockherberg.

Der Saal ist voll. Wer keinen Sitzplatz mehr ergattern konnte, steht - am Ende des Raums, an die Wände gedrückt, oder kauert vor und neben der Bühne. Egal. Hauptsache, man ist dabei. Dass eine "Kontroverse für Deutschlands Zukunft", wie die spärlich aufgehängten Plakate in der Stadt versprechen, nur vereinzelt zu erwarten ist, stört hier niemanden. Auch nicht, dass dies hier "kein Duell der Kanzlerkandidaten ist", wie Gauweiler in die Menge ruft.

Doch angesichts der mehr als 700 Gäste, die gekommen sind, könnte man das fast meinen. Die Menge johlt, als das Duo den Saal betritt, klatscht laut Beifall, als Gauweiler in betontem Bayerisch Lafontaine als den "mutigsten Mann des Abends" begrüßt, der sich in die "Höhle des schwarzen Löwen" gewagt hat.

Dass ihn der schwarze Löwe nicht beißen wird, steht bereits fest. Beide sind seit zehn Jahren befreundet, feierten schon gemeinsam Geburtstage, schrieben für Bild eine Links-Rechts-Kolumne. Ihre politische Dialektik ist Routine.

In vielen Fragen - wie etwa beim Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr oder dem Lissabon-Vertag - sind sie ohnehin Brüder im Geiste. Auch, was die Liebe zum Rampenlicht betrifft. Auf einen Moderator, der durch den mehr als zweistündigen Abend führt, haben sie deswegen gleich einmal verzichtet.

Drei große Themen stehen auf ihrer Agenda: Außen- und Sicherheitspolitik, die Finanzkrise sowie allgemeine Gesellschaftspolitik. "Die Lage ist zu ernst, als dass wir uns nur mit Scheißhausthemen beschäftigen", sagt Gauweiler - und übergibt das Wort an seinen Freund Oskar.

"Gewaltintervention kann richtig sein"

Da sitzt er nun, der Saarländer im kurzärmeligen Hemd, mit einer Maß Bier auf dem Tisch und wettert gegen die deutsche Außenpolitik, die beide "zusammengeführt hat".

Krieg sei "kein Mittel der Politik", findet Lafontaine und fordert, die Milliarden statt für "humanitäre Interventionen" lieber für den Kampf gegen "humanitäre Katastrophen" wie Seuchen und Hunger zu verwenden.

Auch Gauweiler ist für seine skeptische Haltung Kriegen gegenüber bekannt. Der 60-Jährige war als einer der wenigen in der Union gegen den Irak-Krieg und gegen den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan. Dennoch freut es ihn sichtlich, gleich beim ersten Thema "Widerspruch" einlegen zu können. "Gewaltintervention" könne auch richtig sein, entgegnet er. Bei Piratenübergriffen vor Somalia müsse eine Handelsmacht wie Deutschland in der Lage sein, "seine Schiffe aus eigener Kraft zu befreien." Der Applaus gibt ihm Recht - diesmal jedenfalls.

Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite, warum Bayern das neue Stammwählerland der Linken werden könnte und der "schwarze Löwe" ausgebuht wird.

Auch beim Thema "Wirtschaftskrise" hat der Christsoziale die Lacher zunächst noch auf seiner Seite. An die Adresse der SED-Nachfolgepartei sagt er scherzend: "Endlich haben wir gleichgezogen mit euch vor 20 Jahren".

Roter Wachhund in der Löwengrube: Oskar Lafontaine (Die Linke) vor einem CSU-Plakat auf dem Nockherberg. (Foto: Foto: AP)

Dass die Kanzlerin innerhalb von nur 48 Stunden ein Garantieversprechen für die Bankeinlagen abgegeben habe, findet der Bayer "goldrichtig" und lobt die Entscheidung als eine, "die der großen Koalition würdig war". Die Besucher sehen das anders und quittieren sein Lob mit lauten Buh-Rufen.

Sabbatjahr in der Karibik

Doch Gauweiler lässt sich nicht aus dem Konzept bringen. Er läuft zur Höchstform auf. Geißelt die Liberalisierung der Hedgefonds, hohe Managergehälter oder die Kreditvergabepraxis in der Wirtschaft. Während Familienunternehmer wie Adolf Merckle von Ratiopharm "vor den Zug gegangen sind", nachdem ihr Unternehmen insolvent war, würde ein erfolgloser Manager lediglich "ein Sabbatjahr in der Karibik machen". Und Billigkredite, mit denen sich "jeder Penner ein Haus kaufen kann", seien sowieso der falsche Weg.

Gekonnt jonglieren beide mit ihren Argumenten, spielen sich die Bälle zu wie zwei eingespielte Artisten. Und aus dem Freund Oskar wird für einen kurzen Moment der Wahlkämpfer an Saar und Spree, für den die Kanzlerin im Umgang mit der Finanzkrise "schlimm versagt" hat. Statt mit strikten Gesetzen dem Treiben der Manager und Banken Einhalt zu gebieten, werde "die nächste Blase vorbereitet - unter Beteiligung der großen Koalition". Das ist Lafontaine at his best, ein roter Wachhund auf Wählertour.

Keine Hochburg der CSU

Das kommt an bei den Besuchern, vor allem bei den Anhängern der Linken. Ob sie wirklich in der Mehrzahl sind, ist unklar. Den Eindruck könnte man jedenfalls haben. Denn egal, was Lafontaine auch in die Runde wirft, er erntet tosenden Applaus. Fast könnte man meinen, Bayern ist keine Hochburg der CSU mehr, sondern das neue Stammwählerland der Linken. Lafontaine genießt die Zustimmung. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck hört er zu, wenn Gauweiler für die Steuersenkungspläne der Union wirbt - um das Statement dann lediglich mit einem kurzen "Hier haben wir einen klaren Dissens" zu kommentieren.

An der Freundschaft zu Gauweiler ändere dieser Widerspruch natürlich nichts. Denn schon beim nächsten Thema herrscht wieder altvertraute Einigkeit: Mehr Mitbestimmungsrechte für die Basis.

Es könne nicht sein, dass Parteilisten nur noch von elitären Gruppen aufgestellt würden, fordert Gauweiler. Das habe noch nie gut getan. Beim Sturz von SPD-Chef Kurt Beck am Schwielowsee seien sieben Personen beteiligt gewesen. "Beim Frühstück in Wolfratshausen waren es nur zwei." Wohin das Treffen zwischen Edmund Stoiber und Angela Merkel damals geführt habe, sei ja bekannt. Sein hintergründiges Lachen kann er sich nicht verkneifen.

Der bayerische Löwe brüllt

Bei der Europapolitik liegen sich beide schon wieder in den Armen. Das erinnert an die Tage, als Gauweiler mit Klagen zum Reformvertrag vor das Bundesverfassungsgericht gezogen ist. Die Bundestagsfraktion der Linken klagte ebenfalls.

Was nicht heißt, dass der bayerische Löwe nicht doch noch brüllt an diesem Abend. Lafontaine wirkt schon etwas angestrengt, als er die letzte Runde über Energiepolitik einläutet. Dass er für den Einsatz von fossilen Brennstoffen sei, wirft der Chef der Linken noch ein. Gegen Gauweilers Schimpftiraden gegen die Laufzeitbegrenzung und "Schülermitverwaltungs-Debatten" redet er nicht mehr an. Die zweite Maß Bier steht vor ihnen und die Luft im Saal ist drückend schwül. Das Contra geben wieder einmal die Zuschauer mit ihren Buh-Rufen gegen den Münchner CSU-Mann.

"Grande Dame" der Politik

Den ficht das nicht an. Auch nicht, dass keine Parteiprominenz aus der CSU auf den Nockherberg gekommen ist. Dafür ist die "Grande Dame" gekommen, die "Leiden und Kämpfen in der Politik" kenne, wie Gauweiler sagt: Hildegard Hamm-Brücher (ehemals FDP) sitzt in der ersten Reihe - und verfolgt gespannt die Debatte.

Viele von Gauweilers Parteifreunden haben von dem Termin sowieso erst aus der Zeitung erfahren - und das Treiben mit einem Achselzucken quittiert. Gauweiler sei eben ein Freigeist und Querdenker, der ein gewisses Maß an "Narrenfreiheit" genieße.

Gauweiler wirkt zufrieden, als er vom Rednerpult steigt. Es dauert nur wenige Sekunden, da werden beide von den Menschenmengen verschluckt. Und eines ist sicher: Das war nicht der letzte Auftritt der beiden. "Wir kommen wieder", versichert Gauweiler.

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