Italiens Küche:Geküsst von der Sonne

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Immer ironisch, immer sehr körperlich, das ist Italiens beliebtester Koch, Antonino Cannavacciuolo. (Foto: imago stock&people/imago/Milestone Media)

Italiens Süden und seine Küche galten als kärglich und arm. Bis Antonino Cannavacciuolo kam und einen kleinen Kulturkampf gewann.

Von Oliver Meiler, Rom

Wenn Antonino Cannavacciuolo auf einer Piazza erscheint, irgendwo in Italien, dauert es nie lange, und er wird umringt von Menschen. Bei Fußballern kennt man das ja, bei Sängern und Schauspielern auch, manchmal sogar bei Politikern. Aber Selfies mit einem Koch?

Man muss dazusagen, dass Cannavacciuolo, 47 Jahre alt, auch in einer Reihe von populären Fernsehshows auftritt, in allen geht es ums Essen. Seine imposante Gestalt hat sich in die Köpfe gebrannt. Er soll Italiens beliebtester Koch sein: immer ironisch, immer sehr körperlich. Seit Kurzem gehört er auch zur exklusiven Gilde der zwölf Köche im Land, die vom Guide Michelin mit drei Sternen geführt werden. Ein Top-Chef also. Dabei wollte seine Mutter, dass er Zahnarzt wird. Und sein Vater, selbst Koch, hatte ihm vom Beruf abgeraten. Über seine Auszeichnung war der Sohn so kindlich ergriffen, dass darob die ganze, in der Welt gerade sehr polemisch geführte Debatte über die Sterneküche verdampfte.

In einem Interview mit Gusto, der Gastrobeilage der Zeitung La Repubblica, erzählt Antonino Cannavacciuolo aus Vico Equense auf der Halbinsel von Sorrent jetzt ausführlich, wie schwer es für ihn war, sich durchzusetzen - im Norden Italiens, am Ortasee im Piemont. Dort steht die Villa Crespi, sein Restaurant. Fünf, sechs Jahre habe er gebraucht, bis man ihn und seine Gerichte dort oben überhaupt ernst genommen habe. Weil er von da unten kam, aus dem Süden. Wo die Tomate noch über die Tafeln herrscht. Wo die Zitrone das Gemüt erhebt. Wo der arme Klippfisch alle reich macht. "Baccalà Baccalà Baccalà", so heißt einer von Cannavacciuolos bekanntesten Hauptgängen. Der Norden dagegen mag es gerne opulent, sämig, auch mal butterig statt olivenölig, Dio mio!

Und der ärmere Süden? Galt immer als karg, irgendwie außer Konkurrenz

Selbes Land, zwei Welten, auch gastronomisch. Was streiten die Italiener doch gerne über ihre grandiose Küche und über deren unverhandelbare regionale Traditionen. Jede Neuinterpretation schmeckt zunächst fürchterlich nach Sakrileg. Und der ärmere Süden? Galt immer als karg, irgendwie außer Konkurrenz.

Nun aber bricht der ganze Stolz auf seine Herkunft aus Antonino Cannavacciuolo hervor. "Wir sind geküsst von der Sonne", sagt er. Von seiner Küchenbrigade stammt die Hälfte aus Neapel. Er müsse sie ständig dazu anhalten, Italienisch zu sprechen statt Neapolitanisch. Siebzig Prozent aller Köstlichkeiten, die die Natur hergebe, Feld und Meer, würden aus dem Süden kommen. "Damit sie auch im Norden noch gut sind, muss man sie schon zusätzlich liebkosen."

Im Süden, sagt Cannavacciuolo auch, sei zu Tische zu sitzen immer wie Olympia, und alle spielten mit. Als er für den 80. Geburtstag seiner Großmutter ein Restaurant für die Feier suchte, musste es schon eines sein mit einem Saal für mindestens achtzig Leute, Söhne, Enkelinnen, Cousins. "Und wir im Süden feiern nicht nur Geburtstage, sondern auch Namenstage." Das Interview liest sich so, als bringe da ein Süditaliener den Norditalienern bei, wie die Seele des Südens beschaffen ist, ein bisschen Landeskunde. Viele Italiener aus dem Norden sind ja noch nie südlicher gereist als Rom, eine innere Demarkationslinie.

Übrigens: Von den zwölf Lokalen mit drei Sternen bei Michelin findet sich das südlichste in Rom, es heißt "La Pergola". Es kocht da Heinz Beck, ein Deutscher.

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