Energiekrise:Der Winter ist da, die Gaspreisbremse auch

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Lichtblick: Die Maßnahmen der Regierung sollen dafür sorgen, dass Strom und Heizung bezahlbar bleiben. (Foto: Julian Stratenschulte/DPA)

Elf Wochen ist es her, da spannte die Bundesregierung ihren milliardenschweren Abwehrschirm auf. Jetzt hat der Bundestag die Gesetze dazu beschlossen. Was genau heißt das fürs Land?

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Besonders schwer tut sich, klar, die FDP. "Preisbremsen und Gewinnabschöpfung", sagt etwa der Abgeordnete Michael Kruse, "sind das Gegenteil dessen, wofür ich mich ins Parlament habe wählen lassen." Aber nun herrsche eben eine Notlage. "Was wir im Moment machen, ist Krisengesetzgebung."

Die Krise ist an diesem Donnerstagmorgen mit Händen zu greifen. Die Bäume vor dem Reichstag sind mit Raureif überzogen, es herrschen knapp zehn Grad minus. Aus Tausenden Kaminen in der Hauptstadt steigen kleine Wölkchen in den eisblauen Himmel, so teuer das Heizen auch sein mag. Der Winter ist da - und die Preisbremse nun auch. Elf Wochen nachdem die Bundesregierung ihren 200 Milliarden Euro schweren Abwehrschirm (Scholz: "der Doppel-Wumms") gespannt hat, verabschiedet der Bundestag die zugehörigen Gesetze. "Wir lassen niemanden in dieser Krise alleine", sagt Grünen-Chefin Ricarda Lang gleich zu Beginn der Debatte. "Wir machen aus dem Winter der Wut einen Winter der Solidarität." Diese Wutbremse füllt an die 600 Seiten Gesetzestexte und Ausschussdrucksachen. Ein Überblick.

Gaspreisbremse

Von Januar an werden die Preise für Gas und Fernwärme gedeckelt. Mehr als 12 Cent soll die Kilowattstunde Erdgas dann nicht mehr kosten, bei der Fernwärme liegt der Höchstpreis bei 9,5 Cent je Kilowattstunde. Damit Verbraucherinnen und Verbraucher dennoch sparsam heizen, gilt dieser Deckel nur für 80 Prozent des prognostizierten Verbrauchs. Ein Beispiel: Ein Stadtwerk hat für den Haushalt einer Familie im vorigen September einen Jahresverbrauch an Gas von 15 000 Kilowattstunden angenommen. Auf dieser Prognose fußten auch die Abschläge. Wegen der hohen Gaspreise hob es den Preis auf 18 Cent je Kilowattstunde an. Mit der Gaspreisbremse erhält dieser Haushalt nun 12 000 Kilowattstunden, also 80 Prozent, zum Preis von 12 Cent - die Differenz übernimmt der Staat. Für alles, was die Familie darüber hinaus verbraucht, zahlt sie den höheren Preis von 18 Cent. Im Großen und Ganzen folgt das den Empfehlungen der Expertenkommission, die der Bund in Sachen Gaspreise eingesetzt hatte.

Strompreisbremse

Analog hat die Ampelkoalition auch eine Bremse für den Strom entworfen. Sie deckelt den Strompreis bei 40 Cent je Kilowattstunde, auch sie gilt für 80 Prozent des prognostizierten Verbrauchs. Noch im vorigen Jahr lag der Strompreis für Haushalte im Schnitt bei knapp 33 Cent je Kilowattstunde, inzwischen haben aber so gut wie alle Versorger erhöht. Wie auch beim Gas gilt die Preisbremse zwar schon ab Januar, sie wird den Kunden aber erst nachträglich gutgeschrieben. Schließlich müssen die Stromanbieter die neuen Regeln erst umsetzen. Auch bei den Entgelten für das Stromnetz werden Verbraucherinnen und Verbraucher entlastet - allerdings ohne es zu spüren. Der Bund gewährt dafür knapp 13 Milliarden Euro Zuschuss an die Betreiber der Stromautobahnen. Der Grund: Die Gaskrise macht es auch teurer, das Stromnetz stabil zu halten. Ohne den Zuschuss würde das auf die Stromkunden abgewälzt.

Hilfen für die Industrie

Strom- und Gaspreisbremse gelten auch für kleinere und mittlere Unternehmen. Die rund 25 000 Großverbraucher der Industrie dagegen haben Spezialkonditionen. Sie erhalten nicht 80, sondern 70 Prozent ihres Verbrauchs zum gebremsten Preis: 7 Cent je Kilowattstunde Gas, 13 Cent je Kilowattstunde Strom. Sie zahlten auch vor der Krise deutlich weniger für Energie als normale Haushaltskunden. Allerdings dürfen Firmen, die mehr als 25 Millionen Euro an Zuschüssen erhalten, die Boni für ihre Chefetage nicht erhöhen. Bei mehr als 50 Millionen Euro dürfen sie weder Boni noch Dividenden ausschütten. Wer mehr als zwei Millionen erhält, muss sich obendrein verpflichten, mindestens 90 Prozent der Jobs bis 2025 zu erhalten.

Übergewinne

Einige Unternehmen werden allerdings gar nicht glücklich mit dem Doppelwumms sein. Sie sollen einen Teil ihrer Gewinne abgeben. Betroffen sind Stromerzeuger: Weil die hohen Gaspreise auch Strom massiv verteuerten, konnten vor allem Öko-Firmen ihre Elektrizität mit maximalem Gewinn verkaufen, ebenso manches Kohle- oder Atomkraftwerk. Diese "Überschusserlöse" sollen sie nun zum großen Teil abgeben. Dahinter stehen komplizierte Formeln, die sich nach dem jeweiligen Brennstoff plus einem Sicherheitszuschlag plus allen möglichen Sonderregeln richten. Millionen sollen so in einen Topf fließen, den die Netzbetreiber verwalten - und aus dem dann wiederum die Ausgaben für die Strompreisbremse bezahlt werden sollen, zumindest teilweise. Doch die Idee trifft auch im Bundestag auf Kritik. Letztlich werde so der Ausbau von Öko-Energien gebremst, sagt Unionsfraktionsvize Andreas Jung: "Wir brauchen einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien, und den konterkarieren sie mit diesem Paket." In letzter Minute war noch der Sicherheitszuschlag für Biogas-Anlagen erhöht worden. Zu viel wollte man ihnen nicht abknöpfen - schließlich kann man sie in Zeiten der Gaskrise gut gebrauchen.

Öl- und Pelletsheizungen

Ebenfalls in letzter Minute, bei den Beratungen der Ampelfraktionen, entstand noch ein "Härtefallfonds" für Haushalte, die nicht mit Gas oder Fernwärme heizen, sondern mit Heizstoffen, die geliefert werden: Heizöl etwa, Pellets oder Flüssiggas. Auch hier sind die Preise in diesem Jahr stark gestiegen, beim Heizöl lagen sie in einigen Monaten über dem Doppelten des Durchschnitts von 2021. Wer das Pech hatte, in diesen Monaten zu kaufen, kann nun auf etwas Entlastung hoffen. Ein Beispiel: 5000 Liter Heizöl haben im vorigen Jahr im Schnitt gut 3500 Euro gekostet - jedenfalls nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes. Hat ein Haushalt in diesem Jahr aber für diese Menge 7500 Euro gezahlt, kann er sich einen Teil der Mehrkosten erstatten lassen. Nämlich 80 Prozent jener Summe, die über das doppelte des "Referenzpreises" von 2021 (also 7000 Euro) hinausgeht. Macht 80 Prozent von 500 Euro, also 400 Euro. Die Koalition sieht darin einen Akt der Gerechtigkeit, die Opposition findet es zu bürokratisch. "Sie machen Millionen Haushalte zu Antragstellern", kritisiert CDU-Mann Jens Spahn.

Ohnehin ist die Opposition unglücklich mit dem Paket. Spahn trauert immer noch der Atomkraft nach und sieht die wahren Bremsen günstiger Energiepreise in der Koalition selbst, die AfD wähnt eine neue Planwirtschaft, und der Linken-Politiker Klaus Ernst wirft der Ampelregierung allen Ernstes vor, sie habe den Gaspreis verdoppelt. An der Mehrheit für den Doppelwumms ändert das nichts mehr.

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