Freigabe von Cannabis:Die Grünen und das Gras

Lesezeit: 4 min

Nach einem Gesetzentwurf der Grünen sollen Erwachsene zukünftig bis zu 30 Gramm Cannabis besitzen dürfen. (Foto: imago/CTK Photo)
  • Einem Gesetzentwurf der Grünen zufolge sollen der Handel mit Cannabis und der Besitz von bis zu 30 Gramm legal sein, aber streng überprüft werden.
  • Wichtig ist der Partei auch der Jugendschutz: Hanf soll erst ab 18 Jahren erworben werden dürfen.
  • Die Grünen schließen sich der Meinung von namhaften Strafrechtlern und der Polizei an, wonach die Verbotspolitik gescheitert ist.

Von Hannah Beitzer, Berlin

Zwei Kisten Bier, zehn Flaschen Rotwein, ein paar Packungen Chips und 30 Gramm Marihuana: So könnte bald eine Party-Einkaufsliste aussehen, wenn es nach den Grünen geht. Oder warum nicht gleich selbst anbauen? Drei Hanfpflanzen auf dem Balkon wären kein Problem - so sieht es der Gesetzentwurf zur Legalisierung von Cannabis vor, den die Partei in Berlin vorgestellt hat.

Danach sollen Erwachsene zukünftig bis zu 30 Gramm Cannabis besitzen dürfen - und diese in speziellen Geschäften legal erwerben können. Alles nach sehr strengen Regeln, so steht es in dem ausführlichen Entwurf. Wer Marihuana oder Haschisch verkaufen will, muss eine Genehmigung einholen und wird laufend von den Behörden überprüft. Wer sich schon einmal strafbar gemacht hat, hätte da zum Beispiel keine Chance ein gesetzestreuer Dealer zu werden. In der Nähe von Schulen oder anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen sollen nach der Vorstellung der Grünen keine Coffeeshops die Droge verkaufen dürfen. Und, das ist der Partei besonders wichtig: Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sollen kein Recht darauf haben, Cannabis zu kaufen oder zu besitzen, ein Werbeverbot für Produkte, die Cannabis enthalten, gelten.

Allein im Jugendschutz sehen die Grünen eine Verbesserung zur Situation heute, wo sich Kiffer ihr Gras auf dem Schwarzmarkt besorgen müssen. "Der Dealer dort fragt nicht nach dem Personalausweis", sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katja Dörner. Die Partei hofft, dem illegalen Drogenhandel mit ihrem Vorstoß die Geschäftsgrundlage zu entziehen. Denn das Gramm Gras soll in den legalen Geschäften ungefähr genauso viel kosten wie beim Dealer.

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Marihuana wird noch immer als Einstiegsdroge zu Härterem verteufelt. An dieser Vorstellung rütteln die Grünen mit einem Gesetzentwurf: Handel und Besitz von geringen Mengen sollen nicht strafbar sein. Wie viel Liberalität braucht Deutschland bei diesem Thema?

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"Wir schließen uns auch nicht der Position an, dass der Konsum von Cannabis ungefährlich ist", sagt der drogenpolitische Sprecher der Fraktion, Harald Terpe. (Mehr zu den gesundheitlichen Folgen von Cannabis-Konsum finden Sie in unserem Ratgeber.) Nur sei die Prohibitionsspolitik gescheitert, Kiffen längst gesellschaftliche Realität. Trotz des Verbots steige die Anzahl der Konsumenten kontinuierlich, sagen die Grünen.

Deswegen sei es Zeit, die Droge zu legalisieren, allein um den Handel besser kontrollieren und vor allem auch besteuern zu können. Die Steuern und das Geld, das durch die Entlastung der Strafbehörden frei würde, will die Partei in Präventions- und Aufklärungsprojekte stecken. Die Summe, die der Staat sparen würde, wenn er Kiffer nicht mehr verfolgen müsste, beziffert die Partei auf 1,8 Milliarden Euro. Wie viel es kosten würde, die Coffeeshops zu registrieren und zu kontrollieren, können sie hingegen noch nicht richtig sagen - beteuern aber: Da fiele trotzdem noch was ab für die Staatskasse.

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Von "Hanf statt Kohl" zum Gesetzentwurf

Die Grünen und das Gras, das ist schon eine lange Geschichte. 1998 verteilten sie ihre legendären "Hanf statt Kohl"-Sticker. Helmut Kohl war kurz darauf tatsächlich weg. Aber für die Legalisierung von Cannabis in Deutschland hat es bis heute nicht gereicht, auch wenn die Partei immer wieder öffentlichkeitswirksame Vorstöße versuchte.

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2002 erreichte zum Beispiel der Ausruf Hans-Christian Ströbeles "Gebt das Hanf frei" mit tatkräftiger Unterstützung des Entertainers Stefan Raab Kultstatus.

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Und im Sommer 2014 hatte Grünen-Chef Cem Özdemir plötzlich ein Ermittlungsverfahren am Hals, weil er während der sogenannten Ice Bucket Challenge ein Video von sich online stellte, auf dem im Hintergrund eine Hanfpflanze auf seinem Balkon zu erkennen war.

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Das gesellschaftliche Klima, in dem sich die Debatte abspielt, hat sich seit "Hanf statt Kohl" schon verändert, das haben die Grünen richtig erkannt. Es kiffen längst nicht mehr nur alternativ angehauchte Schüler und Studenten . Etwa 23 Prozent aller Deutschen haben schon einmal Cannabis konsumiert, Tendenz steigend. Die Altersgruppe von 30 bis 39 Jahren erreicht 35 Prozent, den zweithöchsten Wert nach den 25 bis 29-Jährigen (41 Prozent).

Der deutsche Hanfverband, die Lobbygruppe der Legalisierungsbefürworter, setzt in seinen Kampagnen auch längst nicht mehr auf Kifferfolklore. "Legalisierung aus Vernunft" überschrieb der Verband eine Reihe von Werbefilmen, die kürzlich in deutschen Kinos liefen. Nun findet der Verband, dessen Vorsitzender Georg Wurth bei der Vorstellung des grünen Gesetzentwurf anwesend ist, den Vorstoß der Grünen natürlich super.

Seine Argumente ähneln denen der Grünen - und denen anderer Legalisierungsbefürworter. Die Kriminalisierung von Konsumenten sei unverhältnismäßig, Cannabis für den medizinischen Gebrauch solle freigegeben werden und den Kartellen des internationalen Drogenhandels die Geschäftsgrundlage entzogen werden.

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Auch eine Gruppe von Strafrechtsprofessoren hat kürzlich eine Petition verfasst, in der die Juristen ein Ende der repressiven Cannabis-Politik fordern. Ihr Argument: Die Prohibition sei weltweit gescheitert, fördere kriminelle Strukturen und treibe Klein-Konsumenten in die Illegalität. Noch pragmatischer argumentiert Rainer Wendt, Chef der Polizeigewerkschaft und sonst nicht für Zurückhaltung bekannt: "Es wäre besser, den Konsum geringer Mengen von Cannabis nicht mehr verfolgen zu müssen - um sinnlose Bürokratie zu vermeiden", sagt er. Polizisten müssten diese Vergehen nach geltendem Recht anzeigen, die Verfahren würden dann aber routinemäßig eingestellt. Und dabei hätten sie, das schwingt in seiner Kritik mit, wahrlich Wichtigeres zu tun.

Auf lokaler Ebene diskutieren Politiker immer wieder über eine kontrollierte Abgabe von Cannabis. Zum Beispiel in Berlin-Kreuzberg, wo sich Anwohner über die Dealer beschweren, die im Görlitzer Park ihrem Geschäft nachgehen. In der Gegend gibt es immer wieder Stress, Schlägereien, Messerstechereien sogar. Ein Coffeeshop in der Nachbarschaft, so argumentieren die Befürworter der Regelung, würde den Dealern die Geschäftsgrundlage entziehen und so für mehr Ruhe im Viertel sorgen. "So lange es Menschen gibt, die konsumieren, wird es auch Menschen geben, die verkaufen", sagt etwa die dortige Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann von den Grünen.

Die Chancen für eine Mehrheit stehen schlecht

Wirklich schockierend findet diese Vorschläge kaum jemand mehr - aber umgesetzt werden sie in der Regel auch nicht. In Berlin etwa beschloss die schwarz-rote Koalition stattdessen eine Verschärfung der "Gemeinsamen Allgemeinen Verfügung" zum Umgang mit Cannabis. Die sieht unter anderem vor, dass der Besitz von Cannabis bereits ab dem ersten Gramm strafrechtlich verfolgt wird. Das soll die Dealer abschrecken, die oft nur geringe Mengen bei sich tragen und den Rest in Verstecken bunkern. Und ist im Ansatz exakt das Gegenteil von dem, was sich die Legalisierungsbefürworter wünschen.

Und wie stehen die Chancen im Bundestag? "Wir sehen das Gesetz als Diskussionsgrundlage um gesellschaftliche Mehrheiten zu bekommen, die dann gesetzliche Mehrheiten zur Folge haben können", sagt Dörner. Anders formuliert: Die Grünen rechnen nicht damit, dass die anderen Fraktionen ihrem Entwurf zustimmen. Es geht um die Debatte - und darum, den anderen Druck zu machen.

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Von Bernd Graff

Cannabis ist eine Droge, die in großen Teilen der Welt illegal ist. Doch das wird mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht so bleiben. Die Legalisierung von Haschisch und Marihuana schreitet voran. Uruguay war das erste Land weltweit, das Marihuana legalisiert hat. In den USA ist der Besitz von Marihuana mittlerweile in mehreren Bundestaaten erlaubt.

In einem 360° - das ganze Bild für Sie - beleuchten wir in den kommenden Tagen das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln - mit Interview, Analysen, Videos auf dieser Themenseite.

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