Menschenrechte:Marsch der Frauen

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In anderen Ländern verboten: Demonstration für die Rechte der Frauen am Brandenburger Tor in Berlin. (Foto: imago images/Bildgehege)

Die Lage der Frauen hat sich an vielen Orten der Welt verschlechtert. Vielerorts gehen sie deshalb auf die Straße, selbst in Istanbul, wo der Protestzug verboten wurde.

Von Tomas Avenarius, Christoph Gurk und Nina von Hardenberg, München

Frauen, die im Bombenhagel Kinder zur Welt bringen oder mit Babys im Arm fliehen müssen: Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist für Amnesty International nur ein weiterer trauriger Beleg dafür, welches Leid Kriege auch für Frauen bringen. "Die Krisen der Welt haben keine gleichmäßigen oder gerechten Auswirkungen", so die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard, anlässlich des Internationalen Frauentags am Dienstag einer Mitteilung zufolge. Sie sagte das vor allem in Hinblick auf Länder wie Afghanistan oder Syrien. Aber auch in der Ukraine drohe die Gewalt gegen Frauen zuzunehmen. Zahlreiche andere Organisationen riefen am Dienstag zum besonderen Schutz für Frauen und Kinder auf. "Krieg und damit einhergehend Vertreibung und Flucht bedeuten für Frauen und Mädchen immer die Bedrohung durch sexualisierte Gewalt, die weltweit ein Phänomen aller bewaffneten Konflikte ist", hieß es in einer Erklärung von mehr als 40 Frauen- und Nichtregierungsorganisationen.

Der Weltfrauentag, an dem sich in Deutschland vor allem Gewerkschaften mit der Forderung nach mehr Lohngerechtigkeit zu Wort meldeten, ist in anderen Teilen der Welt politisch heiß umkämpft. In der Türkei etwa hatte der Gouverneur von Istanbul den Frauenmarsch zum 8. März verboten: Der Protestmarsch zieht seit Jahren traditionell zum zentralen Taksim-Platz. Ab dem Nachmittag begannen Frauen sich aber trotz eines sehr großen Polizeiaufgebots zu Tausenden in der Innenstadt zu versammeln; trotz Rangeleien kam es bis zum frühen Abend aber zu keinen größeren Zusammenstößen. Allerdings sollen drei Dutzend Frauen festgenommen worden sein. Die Organisatorinnen des Marsches hatten zuvor erklärt: "Wir haben unseren Marsch in den letzten 19 Jahren abgehalten und wir werden das auch im 20. Jahr tun." Die Protestaktion der Frauen war auch in früheren Jahren immer wieder verboten worden.

Die Frauenbewegung ist eine der stärksten außerparlamentarischen Oppositionskräfte in der Türkei

Dem diesjährigen Frauentag kommt besondere Bedeutung zu. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte 2021 die "Istanbul-Konvention" zum Schutz von Frauen vor männlicher Gewalt gekündigt. Dies hatte zu massivem Protest geführt. In den vergangenen Jahren hat die Frauenbewegung zudem durch den Schulterschluss mit der von Regierungsseite diskriminierten LGBT-Bewegung zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Auch LGBT-Personen werden häufig Opfer männlicher Gewalt.

Die Frauenbewegung ist eine der stärksten außerparlamentarischen Oppositionskräfte in der Türkei; sie ist vor allem in Metropolen wie Istanbul oder Izmir stark und findet Anhängerinnen nicht nur in säkularen Kreisen, sondern auch bei einem modern islamisch orientierten Frauenpublikum. In der konservativ-islamischen Türkei kommt es häufig zu sogenannten "Ehrenmorden" und anderen Formen von Femizid; die Justiz urteilt meist viel zu milde über die männlichen Täter. Die Zahl der Frauen, die die Behörden um Schutz vor männlicher Gewalt gebeten hat, hat sich nach Medienberichten zwischen 2012 bis 2020 verdoppelt.

Im Macholand Mexiko sind manchmal schon Kleinigkeiten für Männer ein Mordmotiv

Schon am Montag, einen Tag vor dem Weltfrauentag, schwebte über Mexiko-Stadt ein Zeppelin. "10 Femizide pro Tag" stand in großen Lettern auf ihm geschrieben, eine öffentliche Anklage, für jeden sichtbar. Mehr als 3700 Frauen wurden alleine 2021 in Mexiko ermordet, von Fremden oder Kriminellen, meist aber von ihren Partnern und Ehemännern. Eifersucht, Wut, ein alltäglicher Streit: Im Macholand Mexiko sind manchmal schon Kleinigkeiten für Männer ein Mordmotiv.

Die Gewalt nimmt jedes Jahr zu. Doch während die Boulevardpresse die Taten genüsslich ausschlachtet, bleiben die Behörden viel zu oft untätig. Die Verbrechen werden nur selten aufgeklärt, die Täter bleiben unbehelligt. Die Frauenbewegung in Mexiko kämpft gegen dieses Schweigen. "Ni una menos" ist ihre Forderung: Nicht eine weniger, ein Motto, dass sich viele feministische Gruppen in ganz Lateinamerika auf ihre Fahnen geschrieben haben. Schon in den vergangenen Jahren gab es in Mexiko teils riesige Demonstrationen am Weltfrauentag. Dabei wurden auch Denkmäler mit Parolen besprüht, und es gab Randale. Die Behörden in Mexiko-Stadt sorgen darum vor: Der Präsidentenpalast und Teile des Zentrums sind verrammelt. Eine bittere Ironie, bekommen Gebäude, Plätze und Politiker doch den Schutz und die Fürsorge, die eigentlich die Frauen bräuchten.

Insgesamt hat sich die Situation von Frauen in den vergangenen zwölf Monaten in vielen Teilen der Welt verschlechtert, beklagte die Organisation anlässlich des Weltfrauentages. Als besonders einschneidendes Beispiel nennt die Organisation die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, wo Frauen und Mädchen trotz mutiger Proteste im ganzen Land nun als "Bürgerinnen zweiter Klasse" behandelt würden, denen etwa das Recht auf Bildung entzogen werde.

Auch die Corona-Pandemie habe sich negativ ausgewirkt: So seien die Fälle von häuslicher Gewalt angestiegen, und die Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt habe Frauen überdurchschnittlich betroffen. Weitere Verschlechterungen habe es in den USA gegeben, wo es 2021 mehr Restriktionen bei Abtreibungsrechten gegeben habe als in jedem anderen Jahr zuvor.

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