Krieg in der Ukraine:Warum Macron bei Kampfpanzern zögert

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Eine von Frankreich gelieferte "Caesar"-Haubitze beim Einsatz im Donbass. (Foto: Aris Messinis/AFP)

"Nichts ist ausgeschlossen", sagt der französische Präsident in Bezug auf die Waffenlieferungen für die Ukraine. Dennoch unterscheidet sich die Diskussion in Paris sehr von jener in Deutschland.

Von Kathrin Müller-Lancé, Paris

Es war schon das zweite kuriose Video, mit dem sich das ukrainische Verteidigungsministerium Ende Januar an Frankreich wandte. In einem kurzen Clip auf Twitter, inklusive Eiffelturm-Bildern und umformuliertem Sartre-Zitat, bittet die ukrainische Regierung Frankreich um die Lieferung von Kampfpanzern. Nachdem die USA und Deutschland bereits in der vergangenen Woche verkündet hatten, dass sie der Ukraine Abrams- und Leopard-Panzer liefern wollen, ist man in Frankreich zögerlicher. Noch immer hat Präsident Macron nicht entschieden, ob Frankreich Kampfpanzer des Typs Leclerc zur Verfügung stellen wird.

"Nichts ist ausgeschlossen", sagte Macron kürzlich. Die Frage sei "Gegenstand von Diskussionen" zwischen Frankreich und der Ukraine, heißt es aus dem Élysée-Palast. Bei einem Besuch seines ukrainischen Amtskollegen in Paris kündigte der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu stattdessen in dieser Woche an, der Ukraine zusätzlich zu den 18 bisher gelieferten Caesar-Haubitzen zwölf weitere zur Verfügung zu stellen.

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Die französische Armee verfügt gerade mal über 222 "Leclerc"-Panzer

"Im Moment besteht Frankreichs Strategie eher darin, mehr von dem zu liefern, was man bereits geliefert hat", sagt der Verteidigungsexperte Gaspard Schnitzler vom Pariser Institut für internationale und strategische Beziehungen (Iris). Dass Frankreich bei den Leclerc-Panzern noch immer zögert, hat ihm zufolge vor allem damit zu tun, dass es nicht so viele von ihnen gibt.

Die französische Armee besitzt gerade mal 222 Exemplare der Kampfpanzer - 2013 waren es noch 354 gewesen. Hinzu kommt: Die Produktion der Panzer wurde schon 2008 eingestellt, das macht die Versorgung mit Ersatzteilen schwieriger. Von den Leopard-2-Kampfpanzern hingegen gibt es mehr als 2000 Exemplare in mehr als zehn Ländern. Auch sei es bei der Ausbildung der Soldaten effizienter, auf nicht zu viele unterschiedliche Modelle zu setzen, sagt Schnitzler. Dass Frankreich sich noch entschließt, symbolisch einige Leclercs in die Ukraine zu schicken, hält der Experte trotzdem für nicht ausgeschlossen.

Inzwischen ist die Ukraine mit ihren Forderungen schon weiter. Zuletzt hatte Präsident Selenskij Kampfjets für sein Land gefordert. Dem hat Frankreich - anders als Deutschland und die USA - bislang keine Absage erteilt. Aber auch keine Zusage. Die Position von Präsident Macron klingt ähnlich wie bei den Kampfpanzern. "Nichts ist aus Prinzip ausgeschlossen", sagte Macron bei einem Besuch in Den Haag in dieser Woche. Dafür seien aber mehrere Kriterien notwendig. Zunächst müsse Kiew eine "offizielle Anfrage" stellen. Außerdem dürften die Waffen nicht eskalierend wirken und keinen russischen Boden berühren, sondern nur zur Abwehr benutzt werden. Auch müsse verhindert werden, dass die französische Armee durch die Waffenlieferungen geschwächt werde.

Italiens Verteidigungsminister deutet weitere Militärhilfen an

Möglicherweise wird Frankreich zusammen mit Italien die Ukraine mit dem gemeinsamen Raketenabwehrsystem SAMP-T, auch Mamba genannt, unterstützen. Nach einem Treffen zwischen dem französischen und italienischen Verteidigungsminister in der vergangenen Woche erklärte das italienische Verteidigungsministerium, Frankreich und Italien hätten keine Verträge über Waffenlieferungen unterschrieben. Der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto deutete allerdings in einem Interview an, dass Italien Militärhilfe vorbereite, die wahrscheinlich Abwehr gegen russische Raketen beinhalte.

Auch Israels Ministerpräsident Netanjahu erwägt nun offenbar, der Ukraine das Abwehrsystem Iron Dome zur Verfügung zu stellen. Bisher hatte er Militärhilfe für die Ukraine ausgeschlossen. In einem Gespräch mit dem US-Sender CNN sagte Netanjahu nun auf die Frage, ob er Lieferungen von Waffen, zum Beispiel des Iron Dome erwäge, er denke darüber nach.

"Waffenlieferungen gehören zur strategischen Kultur Frankreichs."

In Frankreich wird die Lieferung von schweren Waffen im Krieg in der Ukraine wesentlich weniger diskutiert als zum Beispiel in Deutschland. "Waffenlieferungen gehören zur strategischen Kultur Frankreichs, für Deutschland sind sie neu", sagt der Pariser Rüstungsexperte Gaspar Schnitzler. Auch weil in Frankreich der Präsident als Oberbefehlsarmee der Armee entscheiden kann, gebe es weniger Abstimmungsbedarf mit anderen Parteien.

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Was die Kommunikation der Waffenlieferungen anging, hielt Frankreich sich lange bedeckt. Nachdem immer wieder Kritik an der französischen Militärhilfe laut wurde, entschied sich die Regierung für eine offensivere Strategie. Anfang Januar überraschte Präsident Macron mit der Ankündigung, der Ukraine Spähpanzer des Typs AMX-10 RC liefern zu wollen. Einen Tag nach Macrons Vorpreschen erklärten Deutschland und die USA gemeinsam, der Ukraine Marder- und Bradley-Schützenpanzer zur Verfügung stellen zu wollen. "Damit wollte Frankreich zeigen, dass es auch die Initiative ergreifen kann und nicht nur den Ankündigungen der anderen hinterherläuft", sagt Verteidigungsexperte Gaspar Schnitzler.

Die Spähpanzer sollen laut dem französischen Verteidigungsministerium innerhalb der kommenden zwei Monate an die Ukraine geliefert werden. Wie viele es sein sollen, steht bisher noch nicht fest.

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