Krawalle in Frankreich:Macron sagt Deutschland-Besuch ab

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Keine Reise zu den deutschen Freunden: Emmanuel Macron bleibt zu Hause. (Foto: YVES HERMAN/AFP)

Mit dem ersten Staatsbesuch eines französischen Präsidenten seit 23 Jahren wollte Macron das Verhältnis von Paris und Berlin "wachrütteln". Doch die Ausschreitungen in der Heimat durchkreuzen seine Pläne.

Von Juri Auel und Kassian Stroh

Angesichts der anhaltenden Unruhen in seinem Land hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seinen Staatsbesuch in Deutschland vorerst abgesagt. Er habe am Samstag mit Bundespräsident Steinmeier telefoniert und ihn über die Situation in seinem Land unterrichtet, teilte das Bundespräsidialamt mit. Macron habe darum gebeten, den geplanten Besuch zu verschieben. Er hätte am Sonntag beginnen und drei Tage dauern sollen.

Steinmeier bedauere die Absage, habe aber "vollstes Verständnis angesichts der Situation" in Frankreich, teilte das Amt mit. Er hoffe, dass die Gewalt auf den Straßen baldmöglich beendet und der soziale Friede wieder hergestellt werden könne.

Macrons Reise nach Deutschland wäre der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten seit 23 Jahren in der Bundesrepublik gewesen - und das, obwohl das Verhältnis der beiden Länder als besonders innig innerhalb Europas gilt. Doch in der Freundschaft zwischen Paris und Berlin gab es in letzter Zeit immer wieder kleinere und größere Irritationen. Die Absicht des Besuchs sei deshalb, das deutsch-französische Verhältnis wieder "wachzurütteln", hieß es zu den Planungen aus dem Pariser Präsidentenpalast. Man wolle 60 Jahre nach dem deutsch-französischen Freundschaftsvertrag ein neues Kapitel aufschlagen, hieß es im Gegenzug aus Berlin.

Nach tödlicher Polizeigewalt
:Frankreich erlebt die vierte Chaos-Nacht in Folge

Kurz vor der Beerdigung des getöteten 17-Jährigen gibt es mehr als 1300 Festnahmen, die Unruhen greifen auch auf Belgien und französische Überseegebiete über. Fußballstar Mbappé meldet sich zu Wort, Polizeigewerkschaften sprechen von "Krieg".

Die Pläne sahen vor, dass Macron am Sonntag mit seiner Frau in Ludwigsburg ankommen und dort am Montagmorgen mit militärischen Ehren begrüßt werden sollte. Anschließend waren eine Diskussion über Künstliche Intelligenz und Begegnungen mit Schülerinnen und Schülern aus Frankreich, Deutschland und der Ukraine angesetzt. In Berlin sollte es dann eine gemeinsame Pressekonferenz mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und am Abend ein Staatsbankett geben. Am Dienstag wären beide Präsidenten mit dem Zug nach Dresden gereist. Neben dem Besuch des Fraunhofer-Instituts für Photonische Mikrosysteme wollte Macron eine Rede auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche halten.

Das Chaos in der Heimat hält Macron nun von diesen Plänen ab. Ein neuer Termin für seinen Staatsbesuch steht noch nicht fest; er solle "baldmöglichst nachgeholt werden", schreibt das Bundespräsidialamt.

Auch in der Hauptstadt Paris haben am Freitag Menschen protestiert. (Foto: Telmo Pinto/IMAGO/ZUMA Wire)

Auslöser der Unruhen war der Tod eines 17-Jährigen

Der französische Präsident macht auch die sozialen Netzwerke für die Gewalteskalation der vergangenen Tage verantwortlich. In diesen seien gewalttätige Versammlungen organisiert worden. Außerdem habe er das Gefühl, dass einige Jugendliche auf der Straße Videospiele nachahmten. Macron kündigte an, dass die Behörden gegen Menschen vorgehen würden, die über die sozialen Netzwerke zu Krawallen aufrufen.

Auslöser der Unruhen war der Tod eines Jugendlichen. Eine Motorradstreife in Nanterre bei Paris hatte den 17-jährigen Nahel am Dienstagmorgen am Steuer eines Autos gestoppt. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe des Polizisten. Gegen den Beamten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet, er kam in Untersuchungshaft. Der Einsatz der Waffe bei der Kontrolle war nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft nicht gerechtfertigt. Seitdem wird Frankreich von heftigen Unruhen erschüttert.

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